Youssef, kannst du mir ein Buch vorlesen? – Hochzeit endet im Abschiebegewahrsam
10. März 2020 - 08:32 Uhr
Nach dem Fall Houssam berichtet die Abschiebehaft Kontaktgruppe erneut von einem skandalösen Fall des Abschiebegewahrsam, der sich seit Mitte Februar in Dresden abspielt. Besonders brisant an der Inhaftierung von Youssef F. ist, dass er kurz davor stand, seine Frau Nanette zu heiraten. Sie hat zwei Kinder, an deren Erziehung sich auch Youssef beteiligt. Die Familie aus Hoyerswerda steht mit der drohenden Abschiebung vor dem Nichts.
„Wir haben am Abend vorher noch gefeiert und uns gefreut, dass alles geklappt hat“, so Nanette fassungslos. Dem Glück des jungen Pärchens setzten Beamte der sächsischen Polizei jedoch ein jähes Ende. Nur wenige Stunden nach der erfolgreichen Eheschließung vor dem Standesamt Hoyerswerda standen sie vor der Wohnungstür der Beiden, um Youssef abzuholen: Abschiebung. Seit er zum Frankfurter Flughafen gebracht wurde, wo er noch einmal deutlich machte, dass er zurück zu Frau und Kindern wolle, sitzt F. im Abschiebegewahrsam in Dresden, Zukunft: Ungewiss!
Dabei hätte das Leben von Youssef und seiner Frau gerade nicht besser sein können. Seit zwei Jahren ist er Teil einer kleinen Familie. Die drei- und fünf-jährigen Kinder von Nanette haben Youssef in ihr Herz geschlossen. „Mein Mann ist fester Bestandteil der Familie. Er spielt mit den Kindern, liest ihnen vor und bringt sie ins Bett“, erzählt Nanette in einer Mitteilung der Abschiebehaftkontaktgruppe. Da Youssef einen Großteil der Kinderbetreuung übernommen hat, kann sich Nannette auf ihre Spät- und Nachtschichten konzentrieren und die Familie finanziell über die Runden bringen. Mit der drohenden Abschiebung steht auch dies auf dem Spiel.
Dass Youssef ein integraler Bestandteil der Familie ist, lies sowohl das Dresdner Amtsgericht, als auch das Sächsische Oberverwaltungsgericht nicht als Argument gelten. Es seien nicht seine leiblichen Kinder, so die Argumentation. Die Trennung von der Ehefrau sei zuzumuten, schlussfolgerten die Gerichte nach Berichten der Kontaktgruppe Abschiebehaft. Dabei seien Youssef und Nanette bereit gewesen, gemeinsam nach Marokko auszureisen, um dort das Visumverfahren für den familiären Aufenthalt in die Wege zuleiten. Flugtickets hatten sie bereits für März gebucht und diese auch dem Amtsgericht vorgelegt.
Youssef habe zudem sogar das Angebot gemacht, dass er sich bis zur Ausreise täglich in der lokalen Polizeistation melden würde: Ohne Erfolg! Toni Kreische von der Abschiebhaft Kontakgruppe zeigte sich entsetzt über das Vorgehen der Behörden: „Wenn mildere Mittel zur Verfügung stehen, müssen die immer Vorrang haben vor einer Abschiebehaft, die einen krassen Eingriff in die Grundrechte eines Menschen darstellt.“
Nicht nur die Trennung stellt die Familie vor unlösbare Aufgaben. Auch die mit der Abschiebung einhergehenden Folgen werden sie noch länger begleiten. So könnte Youssef mit einer so genannten Einreisesperre belegt werden. Darüber hinaus hat er die hohen Kosten für die drohende Abschiebung und die vorangegangen Abschiebehaft zu tragen. Bisher ist nicht abzusehen, wann sich die beiden Eheleute außerhalb des Abschiebegewahrsams wiedersehen werden.
Mit den Fällen Houssam und Youssef F. zeigt der Freistaat Sachsen innerhalb kürzester Zeit sein unmenschliches Gesicht, welches Menschen entrechtet und in eine ungewisse Zukunft schickt. Es drängt sich der Gedanke auf, dass in beiden Fällen Familien zerrissen und humanistische Grundwerte dem Druck von Rechtsaußen geopfert werden. Das Ergebnis sind Fälle von Menschen die abgeschoben werden, um auf der einen Seite Quoten zu erfüllen und andererseits den rechten Mob zufrieden zu stellen.
Veröffentlicht am 10. März 2020 um 08:32 Uhr von Redaktion in Soziales