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Walk of Care 2024: Gesundheit statt Profite

27. Mai 2024 - 12:54 Uhr

Zum siebten Mal in Folge fand am 12. Mai 2024 in Dresden zum Tag der Pflege der ‚Walk of Care` des Bündnis für Pflege statt. ( 1 | 2 | 3 ) Vom Jorge Gomondai Platz zogen die Demonstrant:innen durch die Innenstadt, um sowohl die Arbeitsbedingungen im Gesundheitssektor als auch die Situation von Patient:innen zu skandalisieren.

Pflegebündnis fordert staatliche und gesellschaftliche Verantwortung

Das zentrale Anliegen der Demonstration war die Rücknahme der Privatisierungsmaßnahmen im Pflegesektor und damit einhergehend die staatliche Finanzierung der Pflege. Private Träger würden Pflegeheime und Krankenhäuser nach Maßgaben des Gewinns organisieren. Daraufhin stünden nicht die Patient:innen im Vordergrund der Behandlungsleistungen, sondern die Frage, ob eine Leistung rentabel sei. Dies führe entweder zu Unterbehandlung an den Stellen, wo Personal- und Materialkosten zu hoch seien oder zu Überbehandlungen, wo bestimmte Schritte besondere Gewinnmargen sicherten, so das Bündnis. 

Das Bündnis kritisiert darüber hianus die Schließung von Krankenhäusern, welche durch die Krankenshausreform der amtierenden Bundesregierung beschleunigt würde. „Dagegen müssen wir aktiv werden“, erklärte Dorit Hollasky, Sprecherin des Bündnisses. „Aktuelle Beispiele in der Umgebung sind das 2023 geschlossene Krankenhaus in Reichenbach, die bedrohte Klinik in Ebersbach und Weißwasser.“ Die Bundesregierung hatte im April einen Referentenentwurf zur Krankenhausreform vorgelegt. Das Bündnis ‚Krankenhaus statt Fabrik`, das sich auf Bundesebene für eine bessere Gesundheitsversorgung einsetzt, veröffentlichte dazu ein Kritikpapier. Darin heißt es, das deutsche Krankenhaussystem stehe vor einem Exodus, „die erste Phase der Reform gehört der Abrissbirne.“ 

2591 Euro kostet ein Platz in einem Altenpflegeheim

Das Bündnis richtet sich aber nicht nur an die Arbeiter:innen im Gesundheitsbereich, sondern auch an diejenigen, die als Patient:innen und Pflegebedürftige auf diese angewiesen sind. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt in Sachsen in Übereinstimmung mit dem Bundestrend seit Jahren an. Laut dem Statistischen Bundesamt waren es  310.674 Menschen im Jahr 2021, die in Sachsen auf ambulante oder stationäre Pflege angewiesen seien.

Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen in Sachsen 2001 bis 2021 in einer Grafik der vdek Die Ersatzkassen.

53,8 Prozent der Pflegebedürftigen, also 147.758 Personen, wurden im Jahr 2021 durch Angehörige und Freund:innen zu Hause gepflegt. 78.535 Menschen wurden zu Hause durch ambulante Pflegedienste versorgt und 48.206 Personen in stationären Pflegeheimen. 

Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen in Sachsen 2001 bis 2021 in einer Grafik der vdek Die Ersatzkassen.

Die Pflegebedürftigkeit stellt Menschen vor enorme Herausforderungen. Die wenigsten Menschen haben die Zeit und Ressourcen Angehörige und Freund:innen auf Dauer zu Hause zu versorgen. Ein solches Verhältnis geht oftmals mit schweren Einschnitten in der eigenen Lebensgestaltung einher und führt in der Folge nicht selten zu starken Krankheitsbildern, wie Burnout oder Depressionen. Anders herum sind Pflegebedürftige  von den sie pflegenden An- und Zugehörigen sehr abhängig. Die private Pflege belastet außerdem überwiegend Frauen, denen immer noch der weit größere Anteil der Pflege- und Sorgearbeiten im Haushalt und der Familie aufgezwungen wird. Doch während auf Kosten der eigenen Lebensqualität die private Pflege bis zur Erschöpfung zwar finanziell leistbar ist, bedeutet die ambulante oder stationäre Verpflegung für Viele eine kaum zu bewältigende finanzielle Herausforderung

So kostete ein stationärer Pflegeplatz im ersten Betreuungsjahr in Sachsen 2.381 Euro. Zwar reduzieren sich die Beiträge durch eine Reform der Leistungssätze seit 2023 je nach Pflegedauer stärker als zuvor. Dennoch ist der Betrag auch nach dem dritten Pflegejahr immer noch höher als die durchschnittliche Rente in Sachsen, die bei etwa 1.400 Euro liegt. 

Kosten für einen stationären Pflegeplatz aufgeschlüsselt nach Posten. Quelle: vdek Die Ersatzkassen.

Das Bündnis für Pflege verweist hier einmal mehr auf die Stellung privater Dienstleister in dem Bereich, welche ihren Betrieb immer abhängig vom Gewinn machen würden. Dieser belaste nicht nur die Arbeiter:innen, sondern eben auf die Pflegebedürftigen ungemein mehr, als wenn der Pflegesektor keinerlei Gewinne abwerfen müsste. Fresenius, einer der größten privaten Träger von Pflegeheimen, hat im Jahr 2023 etwa 1,3 Milliarden Euro Gewinn erzielt, der zum kleineren Teil in den Sektor zurückgeführt und zum viel größeren Teil bei Anteilseigner:innen des Konzern abgeladen werde. 

„Wenn der Chef nicht weiß, wie der Dienstplan zu lesen ist“

Auf der Demonstration kamen auch Arbeiter:innen aus der Pflege und Krankenhäusern zu Wort. Neben anderen berichtete eine anonym gebliebene Arbeiter:in aus einem Dresdner Alloheim. In dem wütenden Beitrag thematisierte die Angestellte, wie stark die Arbeiter:innen von ihrem Chef eingeschränkt würden, der nicht in der Lage sei, den Dienstplan zu lesen oder das hauseigene Emailprogram zu benutzen. 

Es sei hier durchaus möglich, den Laden selbst zu verwalten, wenn die Belegschaft das auch wöllte. Was hingegen überhaupt niemand benötige, sei ein Chef, der sich als Arbeitgeber aufplustere, so die Arbeiter:in in ihrem Beitrag.

Um auf die Misstände im Gesundheitssektor aufmerksam zu machen, hat das Bündnis für Pflege einen Film gedreht. Unter dem Titel „Klinischer Tod – Wenn Krankenhäuser sterben“ kommen hier weitere Arbeiter:innen und Patient:innen zu Wort. 


Titelbild: Der Walk of Care im Jahr 2019.


Veröffentlicht am 27. Mai 2024 um 12:54 Uhr von Redaktion in Feminismus, Soziales

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