Von der PEGIDA-Demo in den Senat der TU Dresden?
2. Dezember 2023 - 14:37 Uhr
Ein extrem rechter Kandidat steht auf der Wahlliste der CDU-Nachwuchsorganisation für das höchste Gremium an der TU Dresden.
Der Ring Christlich-Demokratische Studenten (RCDS) ist nach der Jungen Union die wichtigste Vorfeldorganisation der CDU und an Universitäten und Hochschulen aktiv. Als Hochschulgruppe tanzt er schon immer auf der Linie zwischen konservativer und rechtsradikaler Verortung. In den 2000er Jahren sind zum Beispiel mehrere Fälle aufgedeckt worden, in denen RCDSler zu Burschenschaften oder rechten Parteien und Organisationen Verstrickungen hatten.
Auch die Dresdner Ortsgruppe des RCDS übt sich schon länger im Skandieren von rechten Parolen. Die Forderung des Studierendenrates nach geschlechtergerechte Sanitäranlagen hat der RCDS als „gefährlich“ gebrandmarkt und auch das Märchen vom „Genderzwang“ darf im quadratisch geformten Kulturkampf auf Instagram nicht fehlen. Als der Studierendenrat dann aufgrund von Queer- und Transfeindlichkeit dem RCDS seinen Status als Hochschulgruppe verweigert, wird vom Ende des demokratischen Pluralismus geschrieben, das Wissenschaftsministerium eingeschaltet und dem StuRa vorgeworfen, gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu arbeiten.
Im Sommer 2023 führte StuRa-Gruppe WHAT im Sommer in der TU-Außenstelle Tharandt eine Veranstaltung durch, um die ideologischen Brücken und historische Verbindungen zwischen Konservativen und Rechten bezüglich der Forstwissenschaften aufzuzeigen. Schon im Vorfeld erfolgte eine Skandalisierung von rechts: Einer AfD-Anfrage im Landtag folgt der Besuch der Veranstaltung von AfD-Landtagsabgeordneten. Währenddessen und anschließend schlagen die Wellen hoch. Ganz vorne mit dabei: der RCDS. Der Studienstandort würde diffamiert und großer Schaden sei angerichtet, konnte man auf dem Instagram-Account des RCDS lesen. Ein provokanter Sticker dient dabei als willkommener Reibungspunkt an – aus rechter Sicht – unwillkommenen Veranstaltung mit unwillkommenen Inhalten. Statt die rechten Umtriebe in Tharandt (nicht nur anlässlich Veranstaltung) zu problematisieren, hat sich der RCDS zum Anwalt der skandalsuchenden Rechten und ihrer Sympatisant*innen vor Ort gemacht.
Studierende, die in der Selbstvertretung aktiv sind, wissen zu berichten, dass hinter dem starken und effekthaschenden Auftritt in den Sozialen Medien kaum Engagement in Gremien und wenig Wissen über die Universität stehen. So verspricht der RCDS häufig, sich für Sachen einzusetzen, die die zu wählenden Gremien gar nicht entscheiden können. Der ehemalige Vorsitzende des RCDS Sachsen, Peter Flaske, ist der einzige in den Senat gewählte RCDSler der letzten Jahre. Aus Senatskreisen hört man, dass er bei vielen Terminen überhaupt nicht anwesend war und sich wenig einbrachte. Trotz dieser Wissens- und Tatenarmut pflegt der RCDS gute Netzwerke in die sächsische CDU, Spitzenpolitiker*innen kommen regelmäßig zu Veranstaltungen des Parteinachwuchs.
Und nun? Wie jedes Jahr im Wintersemester stehen die Senatswahlen an. Dresdener Studierende wundern sich vielleicht, wieso es keine AfD-Liste bei der Senatswahl gibt. Doch die braucht es gar nicht, denn der RCDS bietet sich dieses Jahr als Plattform für extreme Rechte und deren Positionen an. Zu den Wahlen in diesem Jahr stellt er mindestens eine Person auf, welche Organisationen unterstützt, die selbst der sächsische Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem einstuft. Die Rede ist von Felix G., der auf Listenplatz 8 ins Rennen geschickt wird, laut Aussage des RCDS Mitglied in der AfD ist und sich Anhänger der Jungen Alternative Dresden (JA) öffentlich zeigt.
Felix G. tritt seit Sommer 2023 bei Aktionen der Jungen Alternative Dresden auf. Zuerst trat er bei einem Protest der AfD-Nachwuchsorganisation gegen die Letzte Generation öffentlich in Erscheinung. Zu dieser Protestaktion schrieb die JA-Dresden auf Instagram, dass sie die letzte Generation vor der endgültigen „Ersetzungsmigration“ sei. Eine klare Anspielung auf die rechtsextreme Verschwörungserzählung vom sogenannten Großen Austausch. Dann folgte die Teilnahme an einer Grillveranstaltung und an einer Wanderung in der Sächsischen Schweiz, alles auf Instagram öffentlich einsehbar. Am 6. November war Felix G. gemeinsam mit der Jungen Alternative beim versuchten PEGIDA-Comeback zu sehen. Zu diesem waren extrem rechte Vertreter wie Höcke und Kalbitz als Redner eingeladen. Während PEGIDA in Dresden also den rechten Auflauf probt, war G. stolz eine JA-Flagge schwenkend hinter einem Banner zu sehen. Zum Volkstrauertag, der Rechten einen Anlass gibt, deutsche Soldaten des Kaiserreichs und des Nazi-Regimes zu ehren, legte G. gemeinsam mit der Jungen Alternative einen Kranz auf dem neuen Annenfriedhof in Dresden-Löbtau ab. Betrauert wurden zum Volkstrauertag am 19. November von der Jungen Alternative und Felix G. in diesem Sinne alle, „die ihr Leben fürs deutsche Vaterland ließen“. Auf dem dazugehörigen Instagram-Post der JA durfte auch die Parole „Denn ewig ist der Toten Tatenruhm!“ nicht fehlen – eine Losung, die ihre Ursprünge in der nordischen Mythologie hat und in rechten Kreisen zu diesem Datum gerne verwendet wird. Die Frist zur Stellungnahme zu allen in diesem Artikel vorkommenden Inhalten ließ Felix G. unbeantwortet verstreichen und verbreitete stattdessen in Tharandt die falsche Information, dass das Antifa Recherche Team ihn angeschrieben hätte.
Auf Anfrage behauptet der RCDS Dresden hingegen, von alldem nichts gewusst zu haben. Man habe alles erst durch Nachforschungen erfahren, die aufgrund der Anfrage erfolgten. Felix G. hätte die Parteiaktivitäten beim Eintritt nicht angegeben, beteuert der Gruppenvorsitzende Lukas Bressel; sonst hätte G. auch nicht dem RCDS beitreten können. Der Vorstand wolle nun auf einen Ausschluss hinwirken. Zwar schreibt Bressel auch, dass die Werte des RCDS nicht mit den Positionen der Jungen Alternative vereinbar sei. Zwischen kulturkämpferischen Parolen des RCDS und der Wahlwerbung Felix G.s sind dennoch kaum Unterschiede erkennbar. Es bleibt der Eindruck, dass G. für den RCDS zwar die richtigen Positionen vertritt, aber die falsche Doppelmitgliedschaft pflegt. Schließlich distanziert sich der RCDS von Felix G. auf Grund dieser Doppelmitgliedschaft von ihn, nicht wegen seiner inhaltlichen Äußerungen.
Die Ahnungslosigkeit des RCDS Dresden gegenüber Felix G.s Aktivitäten deutet darauf hin, dass die Diskussion innerhalb des Dresdener RCDS inzwischen wohl so rechtsradikal ist, dass extreme Rechte einfach im Meinungsgewirr des konservativen Nachwuchses untergehen. Dafür spricht auch, dass wie oben geschildert viele Parallelen zwischen den öffentlichen Äußerungen des RCDS und rechtsextremen Positionen existieren. Diese Option würde entblößen, wie radikalisiert große Teile der jungen Konservativen wirklich denken. Schließlich stellt sich ja nicht nur die Frage, ob der RCDS derartige Meinungen intern duldet, sondern auch, wo sich extrem rechts denkende Menschen aufgehoben fühlen bzw. ihre politsichen Ambitionen und Positionen ohne viele Kompromisse ausleben können. Bei Felix G. ist es offensichtlich gleichermaßen der RCDS Dresden sowie die Jungen Alternative.
Darüber hinaus wirkt es unwahrscheinlich, dass wirklich niemand im RCDS Dresden von Felix G.s Aktivitäten wusste. Schließlich hat er diese online nicht versteckt, daher ist davon auszugehen, dass er es offline ebenso nicht tat. Mindestens ist aber klar, dass der RCDS bei der Auswahl der Kandidierenden nicht genau hingeschaut hat. Vielleicht auch aus Opportunismus: Felix G. könnte nämlich einige Stimmen für die Liste des RCDS einbringen: Seit sieben Semestern studiert er Forstwissenschaften an der Außenstelle der TU Dresden in Tharandt und ist innerhalb der kleinen Fachrichtung für seine eigenwilligen bis rechten Gedanken bekannt. Der Hochschulstandort Tharandt gilt u.a. mit der überdurchschnittlichen Anzahl und Eingebundenheit von studentischen Verbindungen als besonders konservativ. In seiner aktuellen Wahlwerbung betont Felix G., sich gegen „wokes aka. links-grünes Programm“ einsetzen zu wollen.
Felix G. kandidiert aber nicht nur gemeinsam mit dem RCDS recht aussichtslos auf Platz 8 der Senatsliste, sondern auch für den Fachschaftsrat Forst. Aus Tharandt hört man, dass sich seit Jahren verbindungsnahe Menschen in den FSR wählen lassen, ohne im Anschluss produktive Mitarbeit in den FSR-Gremien zu zeigen. Jedoch lassen sich Verbindungen so schwerer an den Rand des modernen Campusalltags in Tharandt drängen. Bei Anlässen wie der WHAT-Veranstaltung im Sommer lässt sich der ideologische Schulterschluss zwischen Verbindungen, AfD-Mitgliedern und dem RCDS beobachten – auch Felix G. hat wohl im Nachgang Versuche unternommen, die Veranstaltenden zu diffamieren.
Heutzutage ist das Anbiedern der Konservativen an Rechtsaußen allgegenwärtig. Egal ob bei dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz und Zahnarztterminen oder wenn Armin Schuster von einem autoritären Kurs gegenüber Linken, Klimaaktivist*innen oder Migrant*innen schwärmt. Bei diesen inhaltlichen Anbiederungsversuchen von Konservativen an die extreme Rechte mischt der Ring Christlich-Demokratischer Studenten schon länger eifrig mit und eilt jetzt sogar voran, indem er nun auch extrem rechten Akteure*innen eine Plattform bietet.
Veröffentlicht am 2. Dezember 2023 um 14:37 Uhr von Redaktion in Soziales