Proteste für eine Evakuierung Morias vor dem Sächsischen Landtag
14. September 2020 - 14:50 Uhr
Am heutigen Morgen protestierten rund 25 Personen vor dem Sächsischen Landtag für die Evakuierung des Lagers Moria auf Lesbos nach dem verheerenden Brand vergangene Woche. Einige der Aktivist:innen drangen in das Foyer des Gebäude ein und verlasen dort einen Redebeitrag. Weitere versuchten, mit einem Transparent mit der Aufschrift „Moria brennt – Evakuiert die Lager!“, den Eingang des Landtages zu blockieren. Dort tagte zeitgleich der Ausschuss für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt. In diesem stellte die Linkspartei einen Antrag zur Aufnahme von 500 Geflüchteten in Sachsen. Der Antrag wurde mit den Stimmen von AfD, CDU, SPD und Grünen mehrheitlich abgelehnt.
Mit der Aktion am frühen Montagmorgen wollten die Aktivist:innen auf die desaströse europäische Flüchtlingspolitik und die Lage auf der griechischen Insel Lesbos aufmerksam machen und die Politiker:innen zur Aufnahme der Menschen aus dem Lager bewegen. Zur Situation in dem schon länger in der Kritik stehenden Lager Moria äußert sich die Sprecherin der Aktion Alex Meyer: „Seit fast einer Woche werden die Geflüchteten von der griechischen Polizei auf einem Straßenabschnitt gefangen gehalten und drangsaliert. Ohne Nahrung, ohne Wasser, ohne Dach über dem Kopf müssen sie sich selbst helfen.“ Nach Ansicht der Aktivist:innen wäre den Geflüchteten auf der griechischen Insel mit einem europäischen Pass schnell geholfen.
Anlass für die Aktion war der im Landtag tagende Ausschuss für „Sozialen und Gesellschaftlichen Zusammenhalt“. Unter Punkt vier wurde ein Antrag der Partei „Die Linke“ diskutiert, der sich mit der Aufnahme von Geflüchteten auseinandersetzt und bereits seit April 2020 auf Behandlung wartet. Mit dem Titel „#LeaveNoOneBehind: Jetzt erst recht – Geflüchtete aus Flüchtlingslagern in Griechenland in Sachsen aufnehmen!“ forderte die Partei die Staatsregierung auf, „unverzüglich die Voraussetzungen zu schaffen, damit Sachsen bis spätestens zum Ende des 2. Quartals 2020 insgesamt bis zu 500 Geflüchtete, die derzeitig insbesondere auf den Inseln Lesbos, Samos und Chios (Inseln des EU-Mitgliedstaates Griechenland) in Flüchtlingslagern untergebracht sind, wegen der dort anhaltenden und sich weiter verschärfenden humanitären Notlage unmittelbar aufnehmen kann“. Bisher erklärte sich die Landesregierung lediglich bereit, 70 Personen aufzunehmen.
Nach kurzer Debatte wurde der Antrag mit den Stimmen der AfD, CDU, SPD und Grünen abgelehnt. Die Fraktion der Linkspartei zeigte sich auf Twitter schockiert über das Ergebnis. „In gerade einmal 10 Minuten wurde über das Schicksal von Menschen gerichtet“, ließ die Partei kurz nach bekannt werden der Abstimmung verlauten. Die Abgeordnete Juliane Nagel bedankte sich bei den Aktivist:innen vor dem Landtag und kritisierte „bürokratische Ausflüchte & Verantwortungsgeschacher“. Gegenüber addm.me zeigte sich auch der Sächsische Flüchtlingsrat unzufrieden mit dem Ergebnis und nahm vor allem die Grünen und die SPD in die Verantwortung. „Anstatt die Auseinandersetzung in der Koalition zu suchen und den Ministerpräsidenten zu konfrontieren, der den Neuaufbau des Lagers forderte, hätten SPD und BÜNDNIS90/ DIE GRÜNEN heute den Koalitionsfrieden über das menschenrechtlich einzig Gebotene gestellt“, so Pressesprecher Mark Gärtner.
Mit deutlicheren Worten kritisieren die Aktivist:innen die Rolle der Grünen in der Debatte. Sie machte die Beteiligung der Grünen an der Ablehnung des Antrages sprachlos. „Seit mehreren Tagen profilieren sich Vertreter*innen der Bundespartei Land-auf-Land-ab als Kämpfer*innen für Menschenrechte. Doch für die sächsischen Grünen reicht der Verweis auf die Fraktionsdisziplin. Nicht einmal eine symbolische Enthaltung bekommt diese Partei auf die Reihe. Sie ist damit nach einem halben Jahr Koalitionsarbeit auf dem Niveau der duckmäuserischen SPD angekommen“, konkretisierte die Sprecherin der Aktivist:innen die Kritik an der Haltung der Partei. Sie bekräftigte aber auch, weiterhin für Bewegungsfreiheit einstehen zu wollen und ruft dazu auf, sich an den heutigen Protesten gegen den Besuch des geschassten Rechtaußen-Politikers der AfD Andreas Kalbitz bei PEGIDA zu beteiligen. Gemeinsam mit der Seebrücke Dresden soll gegen PEGIDA und für die Aufnahme von Geflüchteten protestiert werden. Bereits letzten Mittwoch protestierten mehrere hundert Aktivist:innen auf dem Altmarkt für die Aufnahme von Menschen aus Moria.
Die Situation auf der griechischen Insel Lesbos ist nach dem Brand des Lagers Moria immer noch unübersichtlich. Unterschiedliche Beobachter:innen vor Ort, sprachen von chaotische Zuständen. Tausende Geflüchtete schlafen auf den Straßen ohne Zugang zu Wasser und Lebensmitteln. Seit dem Brand kommt es immer wieder zu Demonstrationen der Menschen, die durch die griechische Polizei mit Tränengas aufgelöst werden. Die Geflüchteten fordern „We don’t want a new Lager – we want Freedom“. Auch eine Demonstration von lokalen Antifaschist:innen wurde von der Polizei angegriffen. Eine Bürger:innenwehr errichtete in den letzten Tagen Straßensperren, Faschist:innen griffen Geflüchtete und Mitarbeiter:innen von NGOs an. Wie das vor Ort aktive „Dunya Collective“ heute berichtete, wurden auf der Insel auch gepanzerte Polizeifahrzeuge gesichtet. Nach Angaben des Kollektivs könnten sie im Zusammenhang mit der Aufrüstung stehen, die die griechische Regierung angesichts der Proteste von Geflüchteten angekündigt hatte.
Links zu Informationen vor Ort:
https://twitter.com/DunyaCollective
Veröffentlicht am 14. September 2020 um 14:50 Uhr von Redaktion in Soziales