Hunderte für die Evakuierung Morias in Dresden
13. September 2020 - 13:15 Uhr
Am Mittwochabend versammelten sich hunderte Menschen in Solidarität mit Geflüchteten auf der griechischen Insel Lesbos und forderten die Evakuierung der im Flüchtlingslager Moria untergebrachten Menschen. Anlass für die spontane Demonstration war ein Brand im völlig überfüllten Lager Moria in der Nacht zu Mittwoch, welcher das Camp nahezu komplett zerstörte. Einher ging der Brand mit Übergriffen der griechischen Sicherheitskräfte und rassistischer Inselbewohner:innen, darunter organisierter Faschist:innen. Zum Protest aufgerufen hatten verschiedene antirassistische Dresdner Gruppen um das Bündnis Seebrücke Dresden.
Durch einen spontanen Ortswechsel vom Neumarkt vor der Dresdner Frauenkirche zogen etwa 300 Menschen unter Parolen zum Altmarkt. Nach der Eröffnung der Spontankundgebung sprach ein Aktivist der URA Dresden, welcher im Frühjahr 2020 das Lager Moria besucht hatte, dass dieser Brand billigend in Kauf genommen wurde. Er bezeichnete den Brand als Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil den Menschen nun das letzte Hab und Gut zerstört wurde und dieses Lager hätte nie existieren dürfen und Segen, weil nun die Hoffnung besteht, dieses menschenunwürdige Lager endlich aufzulösen und die Menschen zu evakuieren sowie menschenwürdig unterzubringen. Anschließend wurde durch die Organisator:innen ein Aufruf von Queers for Evacuation verlesen, welcher auf den EU-Türkei Deal einging und die Verantwortung sowie das Versagen der EU thematisierte. Der Auruf endete mit der Forderung, Kämpfe zusammenzuführen und die Verschwesterung verschiedener Kämpfe für Selbstbestimmung zu forcieren.
Ein Redner des Sächsischen Flüchtlingsrat stellte ebenfalls das Versagen der Europäischen Union in den Vordergrund und beschrieb die menschenunwürdige Situation im Camp, insbesondere seit der Corona-Pandemie. Vor allem die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) griff der Sprecher stark an, welche der griechischen Regierung zuvor gedankt hatte, das Schutzschild Europas zu sein. In eine ähnliche Richtung ging die Europaabgeordnete von DIE LINKE Cornelia Ernst, welche in ihrer Rede die Politik der EU Kommission sowie der Rolle des deutschen Innenministers Horst Seehofer (CSU) kritisierte. Die allgemeine Situation an den EU-Außengrenzen sowie die menschenverachtenden Lager in Libyen thematisierte eine weitere Rede.
Alle Redner:innen waren sich einig darin, dass Europa, Deutschland und Dresden Platz hat, Menschen aus dem Lager Moria aufzunehmen und menschenwürdig unterzubringen. Schon seit Monaten gibt es unter dem Hashtag „Leave no one behind“ eine Kampagne, um die Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln, welche im Zuge des EU-Türkei Deals entstanden waren, zu evakuieren.
Für Kritik am Rande sorgte der Ortswechsel vom Neumarkt auf den Altmarkt. Die Kritiker:innen sahen darin eine Schikane, die der Kundgebung deutlich geringere Außenwirkung gab. Die Organisator:innen begründeten den Wechsel mit der Rücksichtnahme auf das Filmfestival und Straßenkünstler:innen, welche auf dem Neumarkt waren. Teile der Spontankundgebung auf dem Altmarkt zog nach dem Ende der Reden in einer Spontandemonstration unter Parolen in die Dresdner Neustadt.
Vor einer Woche hatte unsere Redaktion in Kooperation mit dem Dresdner Radiosender coloRadio das „Dunya Collectiv“ interviewt, welches zur Zeit auf Lesbos vor Ort ist. Mit dem Comicformat „Big problems my Friend“ porträtiert das Kollektiv die Lage von Geflüchteten, Aktivist:innen und Bewohner:innen auf der griechischen Insel. Auch wenn das Interview durch die aktuellen Geschehnisse mittlerweile überholt ist, zeichnet es doch ein gutes Lagebild der Situation vor Ort. Die Aktivist:innen berichten darüber hinaus weiterhin auf mehreren Kanälen über die aktuelle Lage nach den Brand im Lager Moria.
Bildquelle: https://twitter.com/SeebrueckeDD/status/1303790820663988225/photo/1
Veröffentlicht am 13. September 2020 um 13:15 Uhr von Redaktion in International, Soziales