Soziales

Gewerkschaftskampagne wegen Lohnbetrug gestartet

18. November 2015 - 17:35 Uhr

In einem Arbeitskonflikt gegen die City Aktiv GmbH hat der Dresdner Ableger der anarchosyndikalistischen Basisgewerkschaft FAU dazu aufgerufen, den 55jährigen bulgarischen Arbeiter Vladimir K. zu unterstützen, der nach ausstehenden Löhnen mit Unterstützung der FAU vor ein Arbeitsgericht gezogen war und dort eine Niederlage einstecken musste. Nachdem im August das für den Fall zuständige Arbeitsgericht die Klage überraschend abwies und der betroffene Arbeiter seit nunmehr anderthalb Jahren auf sein Geld warten muss, hat die FAU beschlossen, seinen ehemaligen Arbeitgeber mit einer Gewerkschaftskampagne unter Druck zu setzen und zugleich dessen „unmenschliche Geschäftspraktiken“ öffentlich zu machen. Obwohl der Betroffene vor Gericht detaillierte Angaben über seine Tätigkeit auf der Baustelle und die dortigen Verhältnisse darstellen und zugleich Zeugen benennen konnte, wies das Gericht die Klage ab. Begründet wurde die Entscheidung mit fehlenden Nachweisen über seine Tätigkeit. Gleichzeitig bezeichnete das Gericht die Aufforderung, von ihm benannte Zeugen vor Gericht zu laden, als „unverhältnismäßig“.

Begonnen hatte der Konflikt im Frühjahr 2014. Nachdem 2013 mit der Sanierung eines großen Gebäudekomplexes durch die Vormil Grundstücksgesellschaft mbH in Löbtau begonnen wurde, kam es schon im Folgejahr zu Problemen wegen der Auszahlung der Löhne und dem desolaten Zustand der Unterkünfte. Obwohl die Arbeiter mit dem Versprechen einer fairen Bezahlung und guter Unterbringung nach Deutschland gelockt wurden, blieb vor Ort davon nichts mehr übrig. Trotz überfüllter Zimmer, Kälte, Dreck und unzumutbaren sanitären Anlagen mussten alle Arbeitskräfte einen Mietvertrag für ihre Zimmer auf der Baustelle unterschreiben. Dies führte dazu, dass ein Teil des erarbeiteten Lohnes sofort wieder in die Taschen ihres Chefs Yordan Genchev wanderte, dessen Firma zum damaligen Zeitpunkt als Adresse lediglich über einen Briefkasten in einem Berliner Hostel verfügte.

In der Folge erhielten die auf der Baustelle eingesetzten Arbeiterinnen und Arbeiter ihren Lohn in immer größeren Intervallen und kleineren Beträgen als Abschlagszahlung. Zudem berichteten sie davon, von ihrem Chef aufgefordert worden zu sein, in Suppenküchen essen zu gehen. Als ein Arbeiter wegen mangelnder Absicherung durch die Decke vom 3. in den 2. Stock stürzte, wurde ihm anschließend sogar die beschädigte Gipskarton-Platte in Rechnung gestellt; willkürliche Geldstrafen, die nach Angaben der Betroffenen Methode hatten. Die Masche ist oft die gleiche: dubiose Bauunternehmen locken unter falschen Versprechungen billige Arbeitskräfte aus ärmeren EU-Mitgliedsstaaten nach Deutschland und sorgen mit systematischen Lohnbetrug dafür, dass die Beschäftigten aus wirtschaftlicher Not heraus neue Jobs annehmen müssen. Am 19. Juli eskalierte die Situation schließlich, nachdem der griechische Teil der Belegschaft sich vermehrt über die Arbeitsbedingungen beschwert hatte. Ein griechischer Arbeiter wurde dabei von Personen aus dem direkten Umfeld des Chefs ins Krankenhaus geprügelt. Als am Abend weitere Schläger auf der Baustelle erschienen, konnte die Belegschaft den Angriff glücklicherweise gemeinsam abwehren.

Als Reaktion auf die Ereignisse wurde die griechische Gemeinde in Dresden um Hilfe gebeten, die nur wenige Tage nach dem gewalttätigen Übergriff zusammen mit der IG Bau und dem Dresdner Ausländerbeirat eine Kundgebung vor der Baustelle in der Oederaner Straße organisierte. Durch die mediale Berichterstattung über die Vorfälle wurden Mitglieder der lokalen FAU und des Nachbarschaftsnetzwerkes Löbtau auf das Thema aufmerksam und boten bei einem ersten spontanen Besuch auf der Baustelle ihre Unterstützung an. Die Stimmung vor Ort war zu diesem Zeitpunkt gedrückt, etliche der Arbeiterinnen und Arbeiter hatten zu dem Zeitpunkt bereits ihre Koffer gepackt, während der Rest der Belegschaft die Arbeit niedergelegt hatte. Auf einem später organisierten Treffen mit Genchev erklärte dieser, kein Geld vom Generalunternehmer erhalten zu haben so dass er aus diesem Grund inzwischen selbst Insolvenz habe anmelden müssen. Nach dem Gespräch zahlte er zumindest einen Teil der ausstehenden Löhne aus.

Während Genchev und seine Firma anschließend abtauchte, unterstützte die FAU und das Löbtauer Hausprojekt WUMS den betroffenen Arbeiter weiter. Sie besorgten ihm eine Notunterkunft und reichten über einen juristischen Beistand eine Lohnklage ein, bevor Vladimir nach mehreren Monaten im WUMS aus familiären Gründen Deutschland wieder verlassen musste. Bereits zuvor waren alle seiner damaligen Kolleginnen und Kollegen auf der Suche nach bezahlter Arbeit weitergezogen. In dem vom Arbeitsgericht immer wieder verschleppten Prozess behauptete Genchev, Vladimir nach einem Tag Probearbeit wegen mangelnder Eignung wieder entlassen zu haben. Angesprochen auf die bereits gezahlten Lohnabschläge in Höhe von 1200 Euro behauptete Genchev, das Geld als Darlehen für dessen Rückreise nach Bulgarien ausgezahlt zu haben.

Die FAU hat aus diesen Gründen dazu aufgerufen, mit der Teilnahme an einer Petition für die Rechte ihres Kollegen zu protestieren. Nach einer Kundgebung in der Dresdner Innenstadt im Oktober, wollen sie vom 16. bis zum 22. November mit Telefonanrufen und Emails den Druck auf das für die Situation verantwortliche Unternehmen weiter erhöhen. Das Ziel der Aktionen ist es, die an dem systematischen Lohnbetrug beteiligten Unternehmen zu einem Umdenken zu bewegen. Auch in Berlin hatte sich die FAU im Rahmen der Kampagne „Mall of Shame“ für die Rechte von rumänischen Arbeitern eingesetzt. In den im Herbst 2014 eröffneten Bau des Shopping- und Wohnungskomplexes „Mall of Berlin“ hatten verschiedene Subunternehmen hunderte Arbeiter aus Rumänien für kaum sechs Euro Stundenlohn zehn Stunden am Tag arbeiten lassen. Am Ende wurde nicht einmal dieser rechtswidrig niedrige Lohn vollständig an die Arbeiter ausgezahlt.

Wer die FAU Dresden und Vladimir finanziell unterstützen möchte:

Allgemeines Syndikat Dresden | IBAN: DE11 8306 5408 0004 8128 91 | BIC (SWIFT-Code): GENODEF1SLR | Kreditinstitut: VR-Bank Altenburger Land EG | Verwendungszweck: Zahlt endlich!


Veröffentlicht am 18. November 2015 um 17:35 Uhr von Redaktion in Soziales

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