Erneute Falschdarstellung in der Polizeimitteilung?
9. März 2021 - 17:40 Uhr
Schon im Januar diesen Jahres stand die Polizei Dresden in der Kritik, in einer Pressemitteilung einen Sachverhalt falsch dargestellt zu haben. Nach einer Kontrolle aufgrund eines Hitlergrußes am rand einer Trauerveranstaltung in Dresden, sind Beteiligte auf addn.me zugekommen und werfen der Polizei erneut vor, bewusst Falschdarstellungen in der Pressemitteilung verbreitet zu haben.
Anfang Januar übernahmen mehrere Dresdner Zeitungen eine Pressemitteilung der Polizei, wonach eine „illegale-Party“ in einer Wohnung im Rudolfstraßenkiez Anlass für einen Polizeieinsatz gewesen wäre. Gegenüber addn.me kritisierten damals Anwohner:innen die Maßnahme und erklärten, dass keine Party stattgefunden habe. Stattdessen gab es eine Kontrolle vor einem lokalen Spätshop. Auf eine parlamentarische Anfrage der Linkspartei Abgeordneten Juliane Nagel bestätigte das Sächsische Innenministerium (SMI) im Nachgang den von den Anwohner:innen geschilderten Sachverhalt. Anlass für die Maßnahme wäre demnach ein Mitteilung über eine „Alkohol konsumierende Gruppe in der Lößnitzstraße“ gewesen.
Im Rahmen einer Polizeikontrolle am rande der Trauerkundgebung für den verstorbenen Halil Sen, soll sich jetzt ähnliches ereignet haben. Dort hatte die Polizei die Personalien eines 47-Jährigen aufgenommen, der zuvor einen Hitlergruß gezeigt hatte. In der Pressemitteilung heißt es dazu: „Der Mann hatte am rande einer Versammlung an der Oschatzer Straße den Arm zum Hitlergruß erhoben, was von Polizeibeamten gesehen und im Weiteren unterbunden wurde“. Eine Reihe von Medien übernahmen den Vorfall anschließend im Wortlaut.
Mehrere Beteiligte der Kundgebung, die anonym bleiben wollen, schildern nun einen anderen Hergang des Vorfalls. Gegenüber addn.me erklärten sie, dass nicht die Polizei den Hitlergruß bemerkte, sondern sie die Beamten darauf hinweisen mussten. „Da war nichts mit selber sehen, auch wenn die Person im direkten Sichtfeld der Polizei kurzzeitig den Hitlergruß machte. Als wir einen Beamten darauf hinwiesen, sagte dieser, nichts gesehen zu haben“, beschreiben die Beteiligten die Situation. Erst nach mehrmaligen beteuern, den Vorfall beobachtet zu haben und Anzeige aufgeben zu wollen, wurden die Beamten aktiv und kontrollierten den Mann. Auch hätten die eingesetzten Beamt:innen den Hitlergruß nicht unterbunden, da dieser nur kurzzeitig gezeigt wurde.
Die Beteiligten waren schockiert, als sie im Nachgang die Darstellung der Polizei in der Pressemitteilung lasen. „Es sieht jetzt so aus, als hätten die Beamt:innen von selber gehandelt. Aber dem war ja nicht so. Wären wir nicht eingeschritten, wäre gar nichts passiert. So wird ein völlig falsches Bild vermittelt.“ Für die Augenzeug:innen sei der Vorfall ein weitere Beweis dafür, dass die Außendarstellung polizeilichen Handelns, nicht immer der Realität entspricht. „Hier ist es die Aufgabe von Journalist:innen, kritisch nachzufragen und sich nicht nur mit Pressemitteilungen abspeisen zu lassen. Auch wenn es natürlich in unserem Fall keine größere Relevanz hat“.
Kritik fand auch das offenbar unsensible Vorgehen eines Beamten. Nachdem die Personalien der Zeug:innen des Vorfalles aufgenommen wurden, soll sich der Polizist mit den Worten „viel Spaß ihnen noch“ verabschiedet haben. „Ich empfand das als sehr despektierlich und es hat mir gezeigt, dass der Polizist nicht im Ansatz Empathie für die Situation hatte. Immerhin befanden wir uns auf einer Trauerveranstaltung, für einen verstorbenen Freund. Ich bezweifel, dass er das auch gesagt hätte, wäre er auf einer Beerdigung für einen Deutschen gewesen“, erklärte einer der Beteiligten gegenüber addn.me.
Auch der Journalistenverband (DJV) ruft seit geraumer Zeit dazu auf, Presseberichte der Polizei kritisch zu hinterfragen. Insbesondere im Rahmen von Demonstrationsgeschehen sei die Polizei „Partei [..] und nicht unparteiischer Beobachter“, wie einem Beitrage des DJV zu entnehmen ist. „Das müssen wir Journalisten immer im Hinterkopf haben, wenn wir den Polizeibericht lesen“, erklärte der DJV-Vorsitzende Frank Überall bereits im Juli 2019. Auch im vorliegenden Fall liegt die Vermutung nahe, dass polizeiliches Handeln besser dastehen soll, als es sich in der Realität abgespielt habe.
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Veröffentlicht am 9. März 2021 um 17:40 Uhr von Redaktion in Soziales