Soziales

15. März: Internationaler Tag gegen Polizeigewalt in Dresden

18. März 2023 - 17:00 Uhr

Um die 100 Demonstrant:innen fanden sich am frühen Abend des 15. März auf dem Dresdner Alaunplatz ein, um gegen Polizeigewalt auf die Straße zu gehen. Nach einer kurzen Kundgebung zog die Demonstration durch die Neustadt zur Elbe und bis vor die Schießgasse, dem Sitz der Polizeidirektion Dresden. Im Aufruf der Kooperation gegen Polizeigewalt heißt es: „Aufgrund von diskriminierenden Vorurteilen von Polizist*innen erfahren bestimmte Personengruppen wie People of Color, Obdachlose oder Menschen in psychischen Krisensituationen häufig Kontrollen.“

Um Betroffene zu unterstützen hat die Gruppe eine Karte veröffentlicht, auf der sogenannte Gefährliche Orte eingezeichnet sind. In diesen hat die Polizei, wie auch an Bahnhöfen, das Recht, anlasslos Kontrollen durchzuführen. Die rechtliche Grundlage für die Einführung solcher Kontrollzonen wurde durch die seit 2019 in Kraft befindliche Novellierung des Sächsischen Polizeigesetzes geschaffen. 

Besonders Schwarze Menschen leiden unter den vorgeblich anlasslosen Kontrollen durch Polizeibeamt:innen. Denn anders als von Polizei und Politik regelmäßig behauptet, ist Racial Profiling weiterhin eine gängige Praxis des polizeilichen Alltags. Betroffene sind gezwungen, ihren Alltag danach auszurichten, regelmäßig kontrolliert zu werden und dadurch Züge zu verpassen, Termine nicht einhalten zu können und haben mit Folgeklagen durch Polizeibeamt:innen wegen beispielsweise Widerstandes zu rechnen. 

Die Demonstration auf der Görlitzer Straße.

Darüber hinaus führen Polizeieinsätze regelmäßig auch zu Todesopfern. Besondere Aufmerksamkeit erfuhr dieses Thema im vergangenen Jahr, als bei einem Einsatz Dortmunder Polizist:innen den 16jährigen Mohammed Dramé erschossen. Auf Grund des großen öffentlichen Drucks wurde inzwischen gegen fünf der beteiligten 16 Beamt:innen im Februar 2023 Anklage wegen Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und Anstiftung zu selbiger erhoben. Der Tod des Jugendlichen stand in einer Reihe von Fällen, bei denen die Polizei in Deutschland innerhalb von nur einer Woche vier Menschen tötete.

Einer Recherche von Zeit Online zu Folge erheben die meisten Bundesländer keine Zahlen zu Todesfällen in Folge von polizeilichen Maßnahmen. Zwar würden standardmäßig Ermittlungen geführt, wenn es zu Schusswaffengebrauch mit Todesfolge komme. Todesfälle ohne Schusswaffengebrauch bleiben aber undokumentiert. Der Freistaat Sachsen konnte, laut der Recherche, keinerlei Zahlen zu Todesfällen bei oder nach Polizeieinsätzen vorlegen. Das ist ein massives Problem, denn die Kontrolle über die staatliche Gewaltausübung wird so unmöglich gemacht. Dem begegnen derzeit nur Medien und Teile der Zivilgesellschaft. 

Seit 2019 recherchiert die Initiative Death in Custody zu Todesfällen Schwarzer Menschen und People of Colour in Polizeigewahrsam seit 1990, entweder durch Suizid oder durch Polizeigewalt. Auf der zugehörigen Website dokumentiert eine Karte alle Fälle und bietet Material zu den Todesumständen und juristischer Aufarbeitung. Die Zeitung für Bürgerrechte & Polizei/Cilip wiederum erstellt seit 1976 eine Chronik aller polizeilichen Todesschüsse. Demnach starben mindestens 475 Menschen.

Doch polizeiliche Gewalt hat viele Facetten und beginnt lange vor dem Griff zur Schusswaffe. Vor der Schießgasse berichteten mehrere politische Gruppen von ihren Erfahrungen im Demonstrationsalltag in der Landeshauptstadt Dresden. Auch hier komme es regelmäßig zu gewalttätigen Übergriffen durch Beamt:innen, die sich vor allem gegenüber linken Protesten legitimiert fühlten, hart durchzugreifen. 

Das Komitee für Grundrechte veröffentlichte eine Studie zur Polizeistrategie in Lützerath.

Rechte und faschistische Einstellungen bei der Polizei sorgen regelmäßig für Skandale, jüngst in Sachsen-Anhalt. Im Interview mit der Zeitung konkret sagte die Linken-Politikerin Martina Renner angesichts der zahlreichen aufgeflogenen rechten Netzwerke in deutschen Sicherheitsbehörden, es handele sich nicht um einen „Angriff auf die Behörden“. Stattdessen komme der Angriff auf die Demokratie längst aus den Behörden selbst.

Der 15. März wird international als Tag begangen, an dem gegen Gewalt, Racial Profiling und Machtmissbrauch durch die Polizei protestiert wird. Das Datum geht auf einen Übergriff durch Schweizer Beamt:innen gegen zwei Minderjährige am 15. März 1996 zurück.

Die Initiative Kooperation gegen Polizeigewalt Sachsen ruft in Dresden seit einigen Jahren jeden März zu diesem Gedenktag auf. Sie versteht sich als Unterstützungsstruktur für Betroffene und Kontrollorgan der Polizei, da es bisher keine von Polizeibehörden unabhängige Instanzen gibt, die Polizeigewalt, Übergriffe und rechtswidriges Verhalten systematisch erfassen. Die Initiative bittet Betroffene darum, sich zu melden. Sie bietet Beratung und Unterstützung nach Diskriminierung oder Übergriffen durch die Polizei an und hat für anonyme Meldungen ein Formular auf ihrer Webseite eingerichtet.


Veröffentlicht am 18. März 2023 um 17:00 Uhr von Redaktion in Soziales

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