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Schreiben für das Kapital: DNN gegen die Vier-Tage-Woche

20. April 2024 - 15:53 Uhr

Die Firma Gett Gerätetechnik GmbH testet in ihrem Werk in Treuen bei Chemnitz die Vier-Tage-Woche. Im Interview mit der Freien Presse zeigen sich die Geschäftsführer zufrieden. Bundes- und europaweit gibt es derzeit Testphasen und politische Initiativen für die Vier-Tage-Woche. Auswertungen zeigen, dass ihre Einführung vieler Orts positive Effekte zeitigen. Das Hauptstadtbüro des Redaktionsnetzwerk Deutschland hingegen steht Gewehr bei Fuß für die Arbeitgeber:innen und veröffentlicht einen Leitartikel, der die Arbeitszeitverkürzung diskreditiert. Dieser wird auf allen der 28 untergeordneten Nachrichtenseiten publiziert, auch bei den Dresdner Neuesten Nachrichten.

Aktuell läuft bundesweit eine Studie zur Vier-Tage-Woche, an der 45 Unternehmen teilnehmen. Fairerweise sei gesagt, auch hierzu veröffentlichte das Redaktionsnetzwerk Deutschland einen Hintergrundartikel. Die Erfahrungen entsprechen in etwa dem Bericht in der Freien Presse zum Werk der Firma Gett in Treuen. Der zusätzliche freie Tag mache sich für die Arbeiter:innen bezahlt und schaffe eine bessere Balance zwischen Arbeit und Freizeit. Gleichzeitig arbeiten die Angestellten an den anderen Tagen eine Stunde mehr. Größere Zufriedenheit, gestiegene Arbeitsproduktivität und etwa gleich bleibende Umsätze sind die Folgen. Glaubt man den Umfragen, wäre der Wirtschaftsstandort Deutschland nicht sonderlich gefährdet. 

Das sieht der Leitartikel von Kristina Dunz, immerhin stellvertretende Leiterin des Hauptstadtbüros des RND, ganz anders. Es mache sich eine unbegründete Anspruchshaltung bei Beschäftigten in Deutschland breit. Arbeiter:innen wöllten auf der faulen Haut liegen, bei vollem Lohnausgleich. Niemand setze sich mehr für die Gesellschaft ein und alle ignorierten das Problem des Fachkräftemangels, der gerade die Erfolge der letzten Jahrzehnte deutscher Wirtschaft auffresse. Das sind die Thesen des Artikels.

Dunz verdreht damit in beeindruckender Weise Tatsachen. Die letzten Jahrzente sind geprägt worden von einem sozialpolitischen Kahlschlag sondersgleichen. Der Wirtschaftsstandort Deutschland wurde auf Kosten der Arbeiter:innen erfolgreich gemacht. Die Anspruchshaltung war jahrzentelang „mehr arbeiten gehen für weniger Lohn“ und wurde von sogenannten Arbeitgeber:innen, Politik und Wirtschaftsverbänden formuliert. Moralisch aufgeladen wird dieser Vorwurf mit der Unterstellung, niemand wolle sich mehr in der Gesellschaft einsetzen, sondern mache nur noch Sachen, die dem Persönlichen dienten. 

Zunächst einmal ist Arbeit unter kapitalistischen Bedingungen kein Einsatz für die Gesellschaft, sondern befördert zunächst einzig und allein den Profit von Kapitalist:innen, die heute als Arbeitgeber:innen verniedlicht werden. 40 Stunden Lohnarbeit in der Woche verhindern nachgewiesenermaßen eher den Einsatz für die Gesellschaft, als dass sie ihm förderlich sind. Wer Vereinsarbeit und politische Betätigung nach acht Stunden Arbeit am Tag noch erfolgreich integriert, vernachlässigt wahlweise freundschaftliche Beziehungen oder das eigene Schlafpensum. Der Spieß lässt sich drehen: mehr Arbeit ist ein nützliches Werkzeug, um Menschen von anderen Tätigkeiten fern zu halten. Ein weiterer freier Tag hilft demgegenüber sowohl im Viertel, in Parlamenten, Gewerkschaften oder Vereinen ehrenamtlich aktiv zu sein. 

Noch ein Wort zum Fachkräftemangel. Ihn scheint es tatsächlich zu geben, in zahlreichen Branchen und in massivem Ausmaß. Das stellt auch Dunz in Rechnung. Doch auch hier werden Ursache und Wirkung verzerrt. Wer lässt sich den freiwillig auf eine Ausbildung ein, um danach zum Mindestlohn eingestellt zu werden? Wer gönnt sich die Arbeitsbelastung in der Gastronomie, wenn sie:er weiß, dass anderswo leichtere Arbeit besser bezahlt wird? Wer buckelt gerne bis zum Umfallen in der Pflege, in der Landwirtschaft oder im Bildungssystem? Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen muss elementarer Bestandteil einer politischen Strategie zur Aufhebung des Fachkräftemangels sein. 

Zuletzt ein ketzerischer Gedanke, was ist denn so schlimm daran, wenn bestimmte Betriebe einen weiteren Tag in der Woche geschlossen haben? An vielen Stellen wäre das nicht der Untergang des Abendlandes, sondern ein erfreulicher Zugewinn an Lebensqualität. Jeder Tag an dem kein Auto produziert und verkauft wird, ist ein guter Tag gegen den Klimawandel. Schrumpfen muss die Wirtschaft hier eh, um der Klimakatatstrophe effektiv zu begegnen, umso besser, wenn die Arbeiter:innen dabei zufrieden sind. 

Wer dafür streiten möchte, kann sich seit neuestem in Dresden bei der 4-Stunden-Liga engagieren. Vergangenen Mittwoch hielt die bundesweite Kampagne ein Gründungs- und Kennenlerntreffen in Dresden ab.


Titelbild: Demonstration der Linksjugend Dresden im Jahr 2010


Veröffentlicht am 20. April 2024 um 15:53 Uhr von Redaktion in Ökologie, Presse, Soziales

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