Skiweltcup: Tourismusmarketing auf Kosten der Umwelt
16. Dezember 2021 - 16:04 Uhr
Während sich die Infektionen mit dem Coronavirus in Dresden weiterhin auf einem konstant hohen Niveau bewegen und der Kunst- und Kulturbetrieb nahezu eingestellt werden musste, wird am kommenden Wochenende auf den Elbwiesen zum dritten Mal der Skilanglauf-Weltcup in Dresden ausgerichtet. Nach längerem hin und her wird die Veranstaltung nun zwar doch ohne Publikum stattfinden, dafür mit gleichbleibender Kritik von Umweltverbänden.
Zum fünften und vorerst letzten Mal macht die Skiwelt halt in Dresden. Damit läuft der 2017 geschlossene Vertrag über die Ausrichtung des FIS-Weltcups aus. Die Organisator:innen sind jedoch in Verhandlungen über weitere Wettkämpfe in Dresden. Im Frühjahr 2022 will der Internationale Ski-Verband (FIS) einen Entscheidung darüber treffen, ob im Jahr 2023 erneut ein Rennwochenende stattfindet. Der Weltcup wurde vom Freistaat Sachsen und der Stadt Dresden mit mehr als 300.000 Euro jährlich unterstützt.
Zwar versucht die Veranstaltung sich mit dem Programm „Schulsport auf Ski“ bürgernah zu geben, jedoch stellten sie vor allem eins dar: ein großes Marketing-Event für die Stadt. Im diesjährigen Programmheft wird damit geworben, dass über 50 Million Zuschauer an den Fernsehbildschirmen die Veranstaltungen schauen. Die Veranstalter:innen seien nach eigener Aussage „stolz und dankbar, ein weiteres Mal Gastgeber eines fantastischen Langlauf-Weltcups sein zu dürfen, der mit seiner Professionalität und seiner traumhaften Kulisse weit über die Grenzen Deutschlands hinaus strahlt“.
Der Stadt dürfte es gefallen. Bereits 2018 erklärte Stadtsprecher Kai Schulze gegenüber dem Deutschlandfunk, dass Sendezeit im Grunde genommen mit Geld nicht zu bezahlen sei. Im gleichen Jahr erhielt der Skiweltcup den Marketingpreis Dresden, welcher jährlich im Hotel Taschenbergpalais vergeben wird. Die „hervorragende Grundidee“ habe sich „als hervorragendes Marketinginstrument für die Stadt Dresden und den Freistaat Sachsen erwiesen“, so die Begründung des Juryvorsitzenden und Universitätsprofessors Lutz Hagen zur Verleihung des Preises an den Ski Weltcup. Der Preis ist nur zwangsläufig. So erklärte Veranstalter René Kindermann 2019 gegenüber der DNN, dass sie das Ereignis neben dem Wettkampfaspekt von Anfang an als Instrument für den Tourismus in der Stadt betrachtet hätten, um damit positive Bilder aus Dresden in die Welt zu senden.
Neben großen Werbepartner:innen wie Mercedes und Coop ist es vor allem die Dresdner Tourismusbranche, die den Weltcup unterstützt. So stellt das „Athleten Hotel“ Bilderberg Bellevue in diesem Jahr die neue Marketingoffensive „Gemeinsam ist besser“ vor. Demnach sei die Vermarktung des Dresdner Elblands „die gemeinsame Aufgabe aller touristischen Partner, Unternehmen und Institutionen. Nur auf diesem Weg machen wir das große Potential Dresdens als attraktiven Gastgeber für touristische sowie geschäftliche Reisen und Kongresse über Grenzenhinweg sichtbar“. Beeindruckende Aufnahmen von bekannten Sehenswürdigkeiten würden demnach ein positives Signal senden. Ungeachtet der jüngsten Negativschlagzeilen mit denen Sachsen im Rahmen der Querdenker:innen-Proteste derzeit bundesweit von sich Reden macht, dürfte sich der Freistaat darüber freuen, „sich erneut als weltoffener Gastgeber präsentieren“ zu können.
Derweil erntet der Weltcup von unterschiedlichster Seite Kritik. Vom Stadtrat und Fraktionsvorsitzenden der Linken André Schollbach wird die Ausrichtung einer solchen Veranstaltung inmitten der größten Pandemie der letzten Jahrzehnte kritisiert. Während andere Veranstaltungen wie der traditionelle Dresdner Striezelmarkt wie im vergangenen Jahr abgesagt werden mussten, darf der Skiweltcup an der Elbe stattfinden. „Das ist Realsatire. Diesen Irrsinn versteht kein Mensch. Für jene Menschen, welche die vielen Einschränkungen akzeptieren und sich an die Corona-Regeln halten, ist das ein Schlag ins Gesicht“, erklärte Schollbach. Es drohe, so Schollbach weiter, das „Vertrauen und die Bereitschaft des gutwilligen Teils der Bevölkerung verspielt zu werden“.
Für Kritik sorgt auch die zweiwöchige Sperrung des Elberadweges. Die Wahl des Ortes, so die Initiative Verkehrswende gegenüber addn.me zeige, „wie bestimmte Verkehrsinfrastrukturen zugunsten von anderen Belangen abgewägt werden“. Damit würde ein Bild konstruiert, welches Radfahren als lustige, nicht ernstzunehmende und übergehbare Freizeitaktivität frame. „Und nicht als das, was das Fahrrad in der Stadt wirklich ist: der günstigste Beitrag zu einer nachhaltig entwickelten lebenswerten Stadt für alle“, so die Initiative weiter. Es zeige erneut, wie ungleich die Politik eigentlich gleichberechtigte Verkehrsmittel behandelt. Der Dresdner Abschnitt des Elberadwegs wird auch in den Wintermonaten stark von Radfahrer:innen, Jogger:innen und Fußgänger:innen frequentiert. Im letzten Jahr bezeichnete der ADFC die Umleitungen als teilweise „gefährlich“.
Schlussendlich stellt gerade die enorme Umweltbelastung der Veranstaltung für viele ein Problem dar. Auch in diesem Jahr ist bis zum Wochenende nicht mit Naturschnee zu rechnen. So dass erneut um die 4.500 Kubikmeter Kunstschnee am Dresdner Flughafen produziert und an die Elbe gebracht werden müssen. Umweltverbände kritisierten gegenüber dem MDR das Event als „Energieverschwendung“. Bereits 2020 protestierten Klimaaktivist:innen vor dem Gelände mit einem Banner mit der Aufschrift „Unsere Zukunft – Schnee von gestern“. „Durch die Klimakrise fehlt nicht nur in Dresden immer öfter der Schnee und das Einzige, was den Leuten einfällt, ist Kunstschnee, dessen Produktion die Klimakrise noch weiter anheizt“, erklärten die Organisator:innen des Protestes damals gegenüber addn.me.
Auch im Profisport sind die Debatten um Nachhaltigkeit, Umweltzerstörung und Klimawandel in den vergangenen Jahren angekommen. In der ARD Dokumentation „Profisport – ein riesen Geschäft auf Kosten der Natur“ wird der Frage nachgegangen: Was tut der Profisport für mehr Nachhaltigkeit? Dabei wird auch der Wintersport beleuchtet, der immer häufiger aufgrund des Klimawandels auch in ehemaligen Skisportgebieten auf Kunstschnee umstellen muss. Dass der Internationale Skiverband noch weit von einer nachhaltigen Praxis entfernt ist, zeigen auch die neuesten Pläne des Verbandes: in den kommenden Jahren will die FIS ihr Augenmerk in der Ausrichtung der Weltcups auf Lateinamerika legen. Mit Mailand sollen dazu schon im nächsten Jahr erneut Wettkämpfe in einer nicht schneesicheren Stadt stattfinden.
Bildquelle: FFF-Dresden
Veröffentlicht am 16. Dezember 2021 um 16:04 Uhr von Redaktion in Ökologie