Gerichtsstreit um Hörsaalbesetzung endet bevor überhaupt begonnen
9. September 2020 - 11:01 Uhr - Eine Ergänzung
Im letzten Jahr besetzten Aktivist:innen den zentralen Hörsaal der TU Dresden. Unter dem Motto „HSZ fürs Klima“ wollten sie mit der Aktion eine stärkere Thematisierung und konkrete Umsetzung von Klimapolitik in der Hochschule erreichen. Parallel zur Besetzung wurde der Universität ein entsprechend ausgearbeiteter Forderungskatalog vorgelegt. Nach wenigen Tagen Besetzung wurde der Hörsaal durch Beamt:innen der Dresdner Polizei geräumt. Die Hochschulleitung stellte im Nachgang Anzeigen gegen einzelne Aktivist:innen, die sich an der Aktion beteiligt hatten. Kurz vor Prozessbeginn an vergangenen Montag teilte das Rektorat der TU-Dresden jedoch mit, die Anzeigen nicht aufrecht erhalten zu wollen.
Die Nachricht, dass das Rektorat der TU-Dresden den Strafantrag gegen einzelne Besetzer:innen des HSZ fallengelassen hat, dürfte die rund 50 Aktivist:innen, welche sich am vergangen Montag vor dem Amtsgericht versammelt hatten, beruhigt haben. Auch wenn der Prozess kurzzeitig aufgenommen wurde, war klar, dass mit der Rücknahme der Anzeigen, die Aktivist:innen keinerlei strafrechtliche Konsequenzen befürchten mussten. So wurde das Verfahren auch nach rund 10 Minuten Verhandlung eingestellt. In ihrer Pressemitteilung erklärte die Leitung der größten Hochschule Dresdens zuvor, dass dies auch als Zeichen eines Neuanfang gesehen werden soll: „Diese Entscheidung ist keine Wertung der Vergangenheit – sie ist ein Signal für die Zukunft und die Einladung zu einer offenen und respektvollen Diskussion“, erklärte die im März neu gewählte Rektorin Ursula M. Staudinger. Die Anzeigen waren noch unter der alten Leitung Hans Müller-Steinhagen gestellt worden.
Das Rektorat sendete damit auch ein Zeichen an die Aktivist:innen, sich auch künftig mit klimapolitischen Fragen an der Hochschule zu beschäftigen. Unter Führung von Ursula M. Staudinger soll in den kommenden fünf Jahren ein Dialog „mit allen Mitgliedern der Universität sowie mit der Stadt Dresden, dem Land Sachsen und der Zivilgesellschaft“ gestartet werden, die den „Herausforderungen des Klimawandels einen noch größeren Stellenwert geben“, wie es aus dem Rektorat heißt. Ein deutliches Signal sendete das Rektorat schon zuvor, in dem sie Vertreter:innen der Initiative „HSZ fürs Klima“ zu einem gemeinsamen Gespräch im Vorfeld des Prozesses einlud. Erst daraufhin hatten die Aktivist:innen die Hochschulleitung aufgefordert, zuvor die Anzeigen fallen zu lassen. Auch die Hochschulgruppe „WHAT“ zeigte sich erfreut über Entwicklung: „Wir freuen uns, dass die Strafanzeigen gegenüber den studentischen Aktivist*innen zurückgezogen wurden. Das neue Rektorat wird sich ab sofort an den vielversprechenden Ankündigungen in Bezug auf Klimaschutz messen lassen müssen“, erklärten die Aktivist:innen gegenüber addn.me.
Nach dem positiven Ausgang des Prozesses zog ein Teil der Aktivist*innen weiter zum aktuell vor der Dreikönigskirche errichteten Klimacamp, um vor Ort weiter über Perspektiven der Klimapolitik zu diskutieren. Nach der Auflösung der Besetzung des Hörsaales im Dezember 2019 engagierten sich zahlreiche daran Beteiligte weiter. Vor allem das Projekt „Überflutung“ ist maßgeblich aus den Aktivitäten des letzten Jahr heraus entstanden. Die Gruppe hat mehrere Forderungen erarbeitet, die weit über das Thema Umweltschutz hinausgehen. So werden neben Umweltthemen auch Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit oder Gender und feministische Aspekte angesprochen.
Veröffentlicht am 9. September 2020 um 11:01 Uhr von Redaktion in Ökologie
Darf ich wegen juristischer Ungenauigkeiten pöbeln?
Eine Anzeige kann nicht zurückgenommen werden, wohl aber der Strafantrag, ohne den bei Hausfriedensbruch (und sehr wenigen anderen Tatbeständen) keine Strafverfolgung möglich ist. Bei den allermeisten Vorwürfen ist eine derartige Beendigung des Verfahrens nicht möglich.
/G