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»Silicon Saxony« wächst: TSMC bestätigt Ansiedlung
5. September 2023 - 10:42 Uhr
Das Unternehmen Taiwan Semiconductur Manufacturing Company (TSMC) hat Anfang August offiziell bekannt gegeben, einen Produktionsstandort bei Dresden ab 2024 zu bauen und im Jahr 2027 zu eröffnen. Man investiere inklusive Förderungen etwa 10 Milliarden Euro in den Standort, der zusammen mit drei weiteren Chipherstellern als Joint Venture betrieben werden soll. 2.000 Arbeitsplätze würden so geschaffen. Die Bundesregierung trägt den größten Einzelanteil der Finanzierung mit etwa 5 Milliarden Euro, der sich einreiht in mehrere ähnliche Subventionszusagen des letzten Jahres. Kritik an diesem Vorgehen kommt nicht nur von Konservativen, die den Sozialismus heraufbeschwören.
Dem Hype um die deutsche Halbleiterindustrie liegen zwei Ursachen zu Grunde. Einerseits strauchelte die Automobilindustrie hierzulande während der Corona-Pandemie, da Lieferketten nicht aufrecht erhalten werden konnten und auch Zulieferunternehmen die Produktion zum Schutz der Arbeiter:innen teilweise zurückfahren mussten. Andererseits propagiert die Bundesregierung angesichts von Spannungen zwischen den USA und der Volksrepublik China und angesichts des Ukrainekrieges die stärkere Unabhängigkeit der Schlüsselindustrien in Europa.
Unrealistische Ziele und hohes Risiko
Wie die Subventionen für die Ansiedlung eines Chipwerkes der Firma Intel in Magdeburg sollen auch die 5 Milliarden Euro für TSMC in Dresden aus dem Sondervermögen des Klima- und Transformationsfonds gestemmt werden. Dieser ist eigentlich dazu da, Maßnahmen des nationalen Klima- und Umweltschutzes, der energetischen Gebäudesanierung und Investitionen in erneuerbare Energien zu tätigen. Chipfabriken dürften durch den Fonds nur über den Umweg der ebenfalls zulässigen Förderung der Elektromobilität förderbar sein. Mit Tesla in Grünheide, BMW und Porsche in Leipzig und VW in Zwickau gibt es vier Standorte der E-Auto Produktion in unmittelbarer Nähe. Die mit weiterer Flächenversiegelung und hohem Rohstoffverbrauch einhergehende Umstellung auf E-Autos als Klimainvestition zu maskieren, ist absurd.
Der Präsident des Leibniz Institutes für Wirtschaftsforschung Halle, Professor Reint E. Gropp, kritisierte im Interview mit der Tagesschau das Vorhaben der Bundesregierung, in der BRD eine Massenproduktion für Halbleiter aufzubauen. Angesichts hoher Energie- und Lohnkosten hierzulande, sei das ein unrealistisches Vorhaben. Investitionen sollten an anderer Stelle getätigt werden, dort, wo die deutsche Industrie jetzt schon führend sei, in Forschung und Entwicklung. Große Kritik gibt es außerdem an der Methode der Einzelförderung großer Unternehmen. Zum einen ist strittig, ob in Folge einzelner Ansiedlungen weitere Unternehmen nachzögen und so langfristiges Wachstum entstünde. Zum anderen trägt der Staat das Risiko, falls Produktionsstandorte früher als erwartet wieder geschlossen werden.
Zuletzt ist eine auch nur halbwegs unabhängige Halbleiterproduktion in Europa kaum realisierbar. Wichtige Ressourcen wie Seltene Erden müssen zu großen Teilen aus China bezogen werden. Außerdem basiert der Wohlstand hierzulande nicht zuletzt auf der Ausbeutung gering entlohnter Arbeiter:innen in anderen Regionen der Welt. Eben jenen Regionen, in denen die großen Chipfabriken derzeit stehen. Arbeiter:innen in der BRD würden sich zukünftig mit Arbeiter:innen in Taiwan oder den USA messen müssen und so einen massiven Lohndruck riskieren. Anders herum ist sowohl der Konzern TSMC als auch die deutsche Autoindustrie von der Entwicklung der chinesischen Konjunktur abhängig. Die Volksrepublik ist schlicht und ergreifend der größte Absatzmarkt für Autos, Handys und andere Produkte, in denen wiederum Halbleiter verbaut sind.
Chancen für Widerstand?
Der sogenannte Green New Deal in dessen Folge europäische Staaten, allen voran die BRD, massiv in sogenanntes grünes Wachstum investieren, ist eine große Herausforderung für linke Bewegungen. Klimazerstörung und Sozialabbau werden hiermit kaschiert. Angesichts der versprochenen Milliardengewinne und Arbeitsplätze bleibt der Widerspruch bisher verhalten. In Magdeburg, dem zukünftigen Standort einer Intel-Chipfabrik, hat sich vor einem Jahr das Sozialkombinat Ost gegründet.
Das Ziel der Gruppe ist nichts geringeres als die Überwindung des kapitalistischen Wirtschaftens. Doch zunächst fordert sie die Einrichtung eines Sozialfonds für Magdeburg, der als Gegenstück zu den massiven Investitionen in wirtschaftliche Infrastruktur armutsgefährdete Menschen vor Kälte, Hunger und Obdachlosigkeit schützen soll. Mit dieser Forderung will die Initiative die Widersprüchlichkeit der Industriepolitik aufzeigen, die auf der einen Seite Gelder für Infrastruktur oder geringere Strompreise für Unternehmen bereit stellt, auf der anderen Seite aber Menschen in Armut im Stich lässt: „Diese Logik entspricht der Rationalität des Kapitals, offenbart jedoch zugleich deutlich seine inneren Widersprüche. Solche Zusammenhänge öffentlichkeitswirksam zu thematisieren und eigene Forderungen abzuleiten, bleibt eine wichtige Aufgabe der Linken.“
Die Stadt Dresden rechnet derzeit mit notwendigen Investitionen im dreistelligen Millionenbereich. Einerseits handelt es sich dabei sicherlich um eine weitere Maßnahmen neben dem bereits angefangenen Brunnenbau zur Gewinnung von Industriewasser an der Saloppe. Andererseits sollen Gelder auch in den Ausbau städtischer Infrastruktur wie Kitaplätze und den Nahverkehr investiert werden. Sehr konkret scheinen die Pläne für ein Sächsisches Ausbildungszentrum für Mikroelektronik zu sein, in dem mit staatlicher Unterstützung ab 2025 jährlich 1.000 Menschen fort- und ausgebildet werden sollen.
Mit der Ansiedlung weiterer Chipfabriken in Dresden wird sich auch die Stadt verändern. Die Firmen Bosch, Infineon und TSMC suchen nach rund 3.000 weiteren Fachkräften für ihre Produktion. Angesichts des erwartbaren und erwünschten Zuzugs kritisiert die Initiative Mietenwahnsinn Stoppen die Planlosigkeit der Stadt in puncto Wohnungsbau. Die aktuell getätigten Investitionen müssten dringend von politischen Maßnahmen flankiert werden, um
Mietpreissteigerungen zu verhindern. Die Bereitschaft riesige Fördersummen zu Gunsten der Industrie zu vergeben, stehe in einem starken Kontrast zum Unwillen in sozialen Wohnungsbau zu investieren.
Wenn der Staat das Risiko der Unternehmen durch Investitionen mitträgt, müssen anders herum auch die Unternehmen eine sozial-ökologische Verantwortung tragen, sei es die Trinkwasserversorgung, sei es Wohnraum, sei es die Verwendung der produzierten Halbleiter.
Titelbild: Briáxis F. Mendes
Veröffentlicht am 5. September 2023 um 10:42 Uhr von Redaktion in International, News, Ökologie