„Schadensbericht“ – Bilanz der Angriffe von Nazis und Polizeiaktionen für Linke und alternative Projekte
20. Februar 2010 - 00:02 Uhr - Eine Ergänzung
Aufgrund der Vielzahl von Vorkommnissen und der entsprechenden Gerüchte dazu, haben wir uns die Zeit genommen, allen Vorfällen auf den Grund zu gehen und eine Auflistung darüber zu erstellen. Wir hoffen, damit die zahllosen Nachfragen zu diesen Themen beantworten zu können.
Darüberhinaus zeigt die Auflistung, mit welchen Mitteln die Nazis bereits vor dem 13. begonnen haben ihre Rache zu üben und gibt einen Ausblick auf die zu erwartenden weiteren Angriffe. Denn es ist zu befürchten, dass die Liste mit dem Brandanschlag in der Nacht zum 18.2. in Pirna nicht zu Ende sein wird.
Angriffe auf Linke und alternative Projekte im Zusammenhang mit dem 13. Februar 2010
Nacht zum 12.2.: linkes Hausprojekt Robert-Matzke-Str. in Dresden-Pieschen
Ein Fenster in der zweiten Etage wurde mit einer leeren Bierflasche komplett durchgeschossen. Zwei Schwarzkapuzen rannten weg und stiegen an der nächsten Kreuzung in ein Auto mit zwei weiteren Nazis. Es wurde Anzeige erstattet.
Nacht zum 13.2.: alternatives Kulturprojekt „Die Praxis“ in Dresden-Löbtau
20-30 Nazis vermummt mit Schlagwerkzeugen, flankiert von 2 Autos mit abgeschraubten Nummerschildern kommen auf „Die Praxis“ zu. Glücklicherweise wurden sie bemerkt und BewohnerInnen und Gäste rannten ihnen trotz Unterzahl sofort entgegen, woraufhin die Nazis, wohl von der Reaktion überrascht, „wie die Hasen gerannt sind“. Niemand wurde verletzt.
Nacht zum 13.2.: Jugendhaus Roter Baum in Dresden-Pieschen
Ein Sprengkörper wurde aus einem Auto auf das Gelände geworfen.
13.2. früher Nachmittag: Chemiefabrik
Zwei Reisebusse mit Nazis die auf der Hansastraße nicht zum Bahnhof durchgekommen sind, steigen aus und laufen die Großenhainer Straße zurück, drücken am Großenhainer Platz ein Tor mit einem Aufkleber der Linken auf, gelangen so in das Gelände der Chemiefabrik und greifen auf dem Hof, wo sich auch eine Vokü befindet, Leute an. Schlimmeres durch Gegenwehr und die Polizei verhindert.
13.2. während der Blockaden: Äußere Neustadt und Hechtviertel mit AZ Conni
siehe Extra-Abschnitt
Am Abend des 13.2.: Pirna, Innenstadt
Nazispontandemo mit mehreren hundert Nazis entglasen und verwüsten ein SPD-Büro, ein Mitarbeiter war anwesend und konnte sich in den hinteren Bereich zurückziehen.
Nacht zum 14.2.: alternatives Kulturprojekt „Die Praxis“ in Dresden-Löbtau
Weiterer Angriff von Nazis mit Steinen. Angreifer wurden nach kurzer Auseinandersetzung in die Flucht geschlagen, keine Schäden an der Praxis.
Nacht zum 17.2.: Pirna, Innenstadt
Ein Jugendlicher wird als „Zecke“ beschimpft und von Nazis erheblich im Gesicht verletzt.
Nacht zum 18.2.: Pirna
Das Auto eines bekannten Linken wird mit einem Stoffballen unterhalb des Tankdeckels in Brand gesteckt und brennt vollständig aus. Es entstanden 7000 Euro Schaden. Bereits am 12.2. machte ein bekannter Nazis Fotos von dem Auto und spionierte das Grundstück aus.
Situation in der Äußeren Neustadt und im Hechtviertel am 13. Februar 2010
Die beiden aktivsten Viertel, in denen sich das alternative Leben in Dresden abspielt, sind die Äußere Neustadt und das Hechtviertel. Beide Viertel befinden sich in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs Neustadt. Die Strategie der Dresdner „Sicherheit“sbehörden, den Naziaufmarsch dort beginnen zu lassen, lief also wissentlich darauf hinaus, genau die Menschen und Projekte in diesen Vierteln zu gefährden. Und es kam wie es kommen musste.
Durch die Blockade der Hansastraße / Großenhainer Straße waren die großen Autobahnzubringer dicht. Die Nazis stiegen am Wilden Mann aus den Bussen, es bildete sich mit der Zeit ein 2000er Nazimob, der zum Bahnhof geleitet werden sollte – doch wo entlang?
Am Bischofsweg/Ecke Königsbrücker Straße (Schauburg) befand sich zu diesem Zeitpunkt mit nur einigen hundert TeilnehmerInnen die kleinste Blockade, die ohnehin bereits seit Mittag Stress mit angreifenden Nazis hatte. Immer wieder gelangten Nazibusse direkt an die Blockade, deren Insassen die Auseinandersetzung suchten, beispielsweise drei fehlgeleitete Nazibusse aus Schmalkalden und Brandis. Gezielt griffen die Nazis Menschen an, die auf der Straße saßen oder dorthin wollten. Im Zuge der Verteidigung gegen die Nazis, konnte der friedliche Aktionskonsens nicht weiter eingehalten werden.
Dennoch bildete sich wieder ein harter Kern verketteter Sitzblockierer auf der Kreuzung vor der Schauburg. Doch als nächstes wurde diese Blockade nun von der Polizei angegriffen – mit Gewalt, Pfefferspray und schließlich Wasserwerfern geräumt – bei Minusgraden! Die Lage eskalierte. AnwohnerInnen, die den Nazis dennoch den Weg versperren wollten, räumten ihre Mülltonnen auf die Straße, die teilweise Feuer fingen, die Auseinandersetzungen mit der Polizei zogen sich bis weit in die Äußere Neustadt hinein.
Dann kamen die 2000 Nazis die Hechtstraße herunter – eine Parallelstraße entfernt vom Alternativen Zentrum. Natürlich blieben die Nazis nicht zusammen, sondern kleinere und größere Gruppen bewegten sich im Umfeld, immer wieder kam es zu Zusammenstößen zwischen Nazis und Linken. Auch in der direkten Nähe des AZ Conni kam es zu Auseinandersetzungen, Schaden am AZ selbst konnte jedoch verhindert werden. Im Zusammenhang mit diesen Vorfällen kam es auch zu Informationen über einen Schwerverletzten. Das ist darauf zurückzuführen, dass eine Person durch einen Schlag auf den Kopf das Bewusstsein verloren hatte und ins Krankenhaus gebracht werden musste. Die Person wurde aber bald wieder entlassen.
BewohnerInnen des Hechtviertels, darunter viele Hippies, aber auch linke AktivistInnen, stellten sich immer wieder mit dem Mut der Verzweiflung gegen die Nazis. Es wurden Parolen gerufen, Haushaltsgegenstände aus den Fenstern geworfen, Aschekästen auf die Nazis entleert, etc. Aber auch wenn sie von den Nazigruppen zum Rückzug gezwungen wurden, kamen sie wieder – „bekifft aber beharrlich“ wie ein Anwohner beschrieb – nahmen, was ihnen in die Finger kam, um zu verhindern, dass die Nazis ungehindert in ihrem Viertel Menschen angreifen und zum alternativen Zentrum ziehen.
Ja, es bot sich den Nazis, die durch das Hechtviertel zogen ein Bild der Verwüstung, da es an etlichen Stellen brannte. Doch wer hätte die Nazis sonst im Zaum gehalten? Ein Polizist, in dieser Situation im Hechtviertel darauf angesprochen, wo die Polizeibegleitung für die Nazis ist, antwortete nur: „Wer sich in die Hölle begibt, muss damit rechnen, zu sterben.“
Statistik vom Ermittlungsausschuss zum 13. Februar 2010
Der EA hat sich um 24 Festnahmen/Gewahrsamsnahmen gekümmert. Darunter war vereinzelt Körperverletzung, Landsfriedensbruch und Sachbeschädigung.
Quelle: AK Antifa Dresden (19.02.10)
Veröffentlicht am 20. Februar 2010 um 00:02 Uhr von Redaktion in Freiräume, Nazis, News