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Rassistische Proteste Reloaded: Demonstrationen gegen Unterkunft in Dresden

30. November 2022 - 17:30 Uhr

In einer Pressemitteilung erklärte die Stadt Dresden am 18. November, dass im Stadteil Sporbitz demnächst eine temporäre Unterkunft für Geflüchtete errichtet werden soll. Ab Januar 2023 sollen dort 52 Menschen in 13 Wohncontainern leben können. Kaum war die Meldung veröffentlicht, mobilisierten rassistische Gruppierungen wie etwa EinProzent, die Freien Sachsen und die AfD gegen die Aufnahme von Geflüchteten vor Ort.

Auf einer ersten Demonstration fanden sich am 23. November rund 150 Teilnehmer:innen ein, die ausgestattet mit Trommeln, Trillerpfeifen und Sachsen-Fahnen durch die Straßen des im Dresdner Osten liegenden Stadtteils zogen, wo das Lager entstehen soll. Für die Demonstration verantwortlich zeigte sich Max Schreiber, ein ehemaliges NPD-Mitglied aus Heidenau. Mittlerweile ist Schreiber bei den Freien Sachsen angekommen und organisierte in den Monaten zuvor bereits wöchentlich die Montagsdemonstrationen in Heidenau, sowie jeden Mittwoch Demonstration gegen einen Umweltschule im nahegelegenen Stadtteil Kleinschachwitz. 

Wie das Antifa Rechercheteam Anfang des Jahres berichtete, war Schreiber zusammen mit seinen Bruder Moritz, maßgeblich am Angriff auf die Fotograf:innen von Vue.Critique bei einer unangemeldeten Demonstration in Dresden-Laubegast im Februar beteiligt. Wie Max Schreiber in sozialen Medien verlauten ließ, sollen die Demonstrationen in Sporbitz nun wöchentlich stattfinden. Für weitere Orte, an denen die Stadt temporäre Lager plane, wurden ebenfalls Proteste angekündigt.

Anstieg rassistischer Mobilisierungen und Gewalt

Flankiert wird die rassistische Mobilisierung von der rechten „Widerstandsplattform“ EinProzent. In ihrem Online-Auftritt finden sich zahlreiche aktuelle Beiträge zu Einwanderung und Migration in die Bundesrepublik. In der rassistischen Deutung wird von einem „Ansturm“ auf Städte und Dörfer im Jahr 2023 schwadroniert. Bewusst ziehen die Beiträge eine Parallele zum Sommer der Migration im Jahr 2015, in dem bis zu eine Million Geflüchtete die europäischen Außengrenzen überwinden und nach Deutschland kommen konnten. Allein angesichts der aktuellen Zahlen, welche die Stadt Dresden in ihrer Pressemitteilung bekannt gab, sind solche Gleichsetzungen weit hergeholt. Darin rechnet die Stadt bis zum Ende des Jahres mit circa 500 Geflüchteten.

Auch andernorts fanden schon Demonstrationen gegen geplante Unterbringungen für Geflüchtete statt. In Naunhof (Ebersbach) kamen über 1.000 Menschen zu einer Veranstaltung beworben durch die Bürgerinitivative Naunhof und die Freien Sachsen. Das linke Medienprojekt VueCritique berichtete, dass es dabei zu Rufen wie „Nein zum Heim“ und „Abschieben“ sowie mehreren Böllerwürfen gekommen sei. Ein Redner sagte: „Es stellt sich mittlerweile nicht mehr die Frage ob etwas passiert, sondern wann und in welchem Ausmaß“. Die Parallele zum Jahr 2015 besteht vor allem in einem Punkt: Rechte und radikalisierte Bürger:innen versuchen ein Bedrohungsszenario zu konstruieren, um damit gewalttätige Übergriffe auf Menschen auf der Flucht legitimieren zu können.

Neben Demonstrationen ist auch ein Anstieg von Gewalttaten gegenüber Geflüchtetenunterkünften zu verzeichnen. So kam es in jüngster Vergangenheit neben dem Brandanschlag auf das geplante Heim in Bautzen, auch zu einer Sachbeschädigung an einem Wohnheim für Geflüchtete in Dresden-Naußlitz. Unbekannte hatten dabei die Briefkastenanlage der kurz zuvor wieder in Betrieb genommenen Unterkunft mutmaßlich mit Pyrotechnik beschädigt. Die Polizei ermittelt in Zusammenhang mit der Tat wegen Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und Sachbeschädigung.

„Sachsen braucht ein Landesaufnahmeprogramm!“

Die Initiative Seebrücke Dresden veranstaltete am 27. November eine Kundgebung auf dem Schlossplatz, bei der sie über ihr neu gesetztes Ziel, ein Landesaufnahmeprogramm für Sachsen, informierte. Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich die rechtliche Möglichkeit, dass Bundesländer nach eigenen Kriterien zusätzliche Geflüchtete aufnehmen. Nachdem die Seebrücke in diesem Jahr ihr Ziel, Dresden zum sicheren Hafen erklären zu lassen, erreicht hatte, strebt sie nun ein solches Programm an.

Nach dem Königsteiner Schlüssel werden in der Bundesrepublik ankommende Asylsuchende anteilig auf die Bundesländer verteilt. Der Anteil berechnet sich zu zwei Dritteln anhand des Steueraufkommens und zu einem Drittel an der Bevölkerungszahl. Die aktuell gültige Quote weist dem Freistaat Sachsen rund 5 % aller Asylsuchenden zur Unterbringung zu. 

Ein Landesaufnahmeprogramm ermöglicht es Bundesländern eigeninitativ weitere Menschen aufzunehmen, wenn das Bundesinnenministerium (BMI) hierfür eine Genehmigung erteilt. In der Vergangenheit hatte das CSU-geführte Ministerium beispielsweise die Aufnahme von 300 Menschen aus dem abgebrannten Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos verhindert. Die Stadt Berlin hatte die Menschen über ein Aufnahmeprogramm in die BRD holen wollen.

Angesichts von Klimakrise, Krieg und weltweitem Hunger täte sowohl das Land Sachsen als auch die Stadt Dresden gut daran, gute und lebenswürdige Unterbringungen für Geflüchtete proaktiv zu schaffen. Für Antifaschist:innen stellt sich hingegen die Frage, wie den neuerlichen rassistischen Mobilisierungen in nächster Zeit zu begegnen ist.


Veröffentlicht am 30. November 2022 um 17:30 Uhr von Redaktion in Antifa, Nazis, News

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