„Freie Kameradschaft Dresden“ vor Gericht geht in die erste Runde
20. Juni 2017 - 22:41 Uhr - Eine Ergänzung
Gastartikel des Antifa Recherche Team (ART) Dresden
Am Freitag, den 23. Juni 2017 beginnt vor dem Landgericht Dresden die erste Verhandlung gegen mutmaßliche Mitglieder der „Freien Kameradschaft Dresden“ (FKD). Angeklagt sind Robert Stanelle (19) und Florian Neumann (27), beide sitzen seit 30. November 2016 in Untersuchungshaft. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft ihnen laut Presseberichten neben der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung vor. Sie sollen „seit August 2015 in Heidenau, Pirna und Dresden Asylbewerber und andere Menschen bedroht, drangsaliert und angegriffen haben“, für „regelrechte Hetzjagden“ sollen sie verantwortlich sein. Stanelle und Neumann sollen mit weiteren Mitgliedern der Kameradschaft u.a. an den rassistischen Ausschreitungen im August 2015 in Heidenau beteiligt gewesen sein, ebenso wie am Anschlag auf das Hausprojekt „Mangelwirtschaft“ in Dresden-Übigau im Oktober 2015 gemeinsam mit der „Gruppe Freital“, an den Ausschreitungen im Januar 2016 in Leipzig-Connewitz und an Angriffen einer „Kleine Bürgerwehr“ auf Migrant_innen zum Stadtfest im August 2016 in Dresden.
Robert Stanelle, obwohl noch jung an Jahren, verbringt seine Zeit seit Dezember 2015 zum Großteil hinter Gittern. Denn sechs Monate, bis Mai 2016, saß er in Untersuchungshaft wegen seiner Beteiligung an einem Angriff auf die Asylunterkunft in Dresden-Stetzsch am 23. August 2015. Wie im Mai 2016 im Prozess am Amtsgericht Dresden deutlich wurde, hatte er gemeinsam mit Dominik Peukert, Timo Schulz („Gruppe Freital“), Jeanette Polley und weiteren Personen u.a. aus Leipzig das Gebäude attackiert. Im Zimmer, in dem Steine und Feuerwerkskörper einschlugen, befanden sich zwei Personen, verletzt wurde glücklicherweise niemand. Ein Beamter, der Timo Schulz vernommen hatte, berichtete vor Gericht aus dessen ausführlicher Aussage bei der Polizei. Ursprünglich sei eine „konzertierte Aktion mit 40 bis 50 Personen aus Dresden, Leipzig und Halle“ geplant gewesen. Neben dem Lindenhof sollten weitere Unterkünfte, u.a. die Zeltstadt in der Bremer Straße angegriffen werden. Außerdem wurde Stanelle die Beteiligung an einem Angriff im Juni 2015 auf eine Gruppe Jugendlicher im Alaunpark vorgeworfen. Im Prozess gegen ihn, Dominik Peukert, Benjamin Röcker und Marcel Wolf erhielt er am 1. Juni 2016 eine Bewährungsstrafe, er zeigte sich reumütig und hatte angekündigt, sich von der Freien Kameradschaft Dresden zu lösen. Doch kaum wieder auf freiem Fuß nahm er an rassistischen Demonstrationen teil, so am 8. Juni 2016 in Dresden-Laubegast, und posierte auf Facebook mit den „alten“ Kameraden. Auch Peukert und Röcker kassierten Bewährungsstrafen, Wolf, dem keine Beteiligung nachgewiesen werden konnte, wurde freigesprochen. Röcker und Wolf mussten sich allein wegen dem Überfall im Alaunpark verantworten.
Auf freiem Fuß blieb Stanelle jedoch nicht lange. Am 30. November 2016 wurde er als einer von zunächst sechs Personen erneut in Untersuchungshaft genommen. In den Morgenstunden durchsuchten ca. 200 Polizeibeamte 18 Wohnungen und ein weiteres Objekt in Dresden und Heidenau im Zuge der Ermittlungen gegen die „Freie Kameradschaft Dresden“. Im Zentrum der Ermittlungen stehen 17 Personen, 15 Männer und zwei Frauen zwischen 16 und 30 Jahren. Der Gruppe „Freie Kameradschaft Dresden“ wird vorgeworfen 14 Straftaten zwischen Juni 2015 und August 2016 begangen zu haben, vor allem Angriffe auf Geflüchtete und politische Gegner_innen, darunter schwerer Landfriedensbruch, versuchte Brandstiftung, Beteiligung an der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, mehrere Körperverletzungs- und Sachbeschädigungsdelikte. Als „Kleine Bürgerwehr“ sollen sie zuletzt im August 2016 auf dem Dresdner Stadtfest Migrant_innen angegriffen haben.
Auch Florian Neumann befindet sich seit 30. November 2016 in Untersuchungshaft. Sein Name fiel ebenso wie der Stanelles bereits mehrfach im Verfahren gegen die „Gruppe Freital“. Beide pflegten laut der Aussage Patrick Festings regelmäßigen Kontakt zu Festing selbst und Timo Schulz, „man kannte sich“. Man habe sich am Abend des Angriffs auf die „Mangelwirtschaft“ auf dem Protestcamp in Dresden-Übigau getroffen, das Vorgehen besprochen und das Hausprojekt ausgespäht. Stanelle, Neumann und Festing hätten hinter dem Haus in der Overbeckstraße einen Zaun ausgehangen, um leichter Zugang zum Grundstück zu bekommen. Danach hätten Neumann und Festing das weitere Vorgehen mit Timo Schulz und Franz Richter diskutiert. So sei der Plan entstanden, dass FKD die Vorderseite des Hauses angreift, während die Freitaler die Rückseite übernehmen. Drei Monate später, am 11. Januar 2016, soll Florian Neumann dann auch am Angriff von 215 Neonazis und rechten Hooligans auf den Leipziger Stadtteil Connewitz beteiligt gewesen sein.
Neben Robert Stanelle und Florian Neumann sitzen seit November 2016 Nick Fischer, Benjamin Zein, Rene Hinzer und Robert Hürrig in U-Haft.
Robert Hürrig (31) steht bereits seit 18. Mai 2017 vor dem Amtsgericht Dresden. Der 31-Jährige ist unter anderem wegen besonders schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Nötigung und Volksverhetzung angeklagt. Ihm wird vorgeworfen am Rande der Antiasyldemonstration am 8. Juni 2016 in Laubegast Polizisten angegriffen zu haben, weil er sich weigerte die Straßenseite zu wechseln, um so genug Abstand zur gleichzeitig stattfindenden Antifademonstration zu halten. Im August 2016 soll er vor dem dortigen Spätverkauf mit anderen einen Asylbewerber und zwei Frauen angegriffen haben. Und auch eine Beteiligung an den schweren Angriffen auf dem Dresdner Stadtfest in der Nacht zum 21. August 2016 wird ihm vorgeworfen. In dieser Sache mussten weitere mutmaßliche Beteiligte als Zeugen aussagen. Rene Hinzer, Robert Stanelle und Stanley Beyer schwiegen und beriefen sich auf ihr Aussageverweigerungsrecht, da gegen sie selbst ermittelt werde. Nick Fischer hingegen begann zu erzählen, nachdem ihn der Staatsanwalt mit TKÜ-Protokollen konfrontierte. In denen hieß es, dass sie zu acht losgelaufen seien und dann immer mehr Leute mitgemacht hätten und man „einfach auf die erste Gruppe von den Kanaken drauf“ sei. Die „Hölle“ sei los gewesen, man habe „mit 40 Leuten Kanaken weggeklatscht“. Es soll am Tag zuvor sogar ein Vorbereitungstreffen gegeben haben. Fischer stritt seine Beteiligung an dem Angriff ab, er sei in der Nacht in der Reisstraße gewesen. Der Prozess am Amtsgericht Dresden ist mit bisher fünf Verhandlungstagen noch nicht abgeschlossen. Ein Urteil wird Ende Juni erwartet.
Es ist nicht der erste rechtsmotivierte Angriff für den sich Hürrig vor Gericht verantworten muss. Bereits 2009 wurde er vor dem Amtsgericht Dresden zu einer zweineinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt, was 2010 vom Landgericht in der Berufung bestätigt wurde. Zum „Männertag“ am 1. Mai 2008 war er in einer Gruppe von 20 bis 30 Nazis, darunter unter anderem Toni Beger, zu einem Ausflug im Dresdner Keppgrund unterwegs. Dort attackierten sie eine Gruppe Studierender und verletzten diese mit Schlägen und Tritten teils erheblich.
Aktuell sitzen acht der Beschuldigten im Verfahren gegen FKD in Untersuchungshaft und erwarten eine Anklage im Zusammenhang mit der „Freien Kameradschaft Dresden“ und deren Taten. Zuletzt wurde Franz Richter Anfang Mai 2017 verhaftet.
Franz Richter (22) ließ sich seit 2015 kaum ein Ereignis entgehen, vor allem wenn es sich um Angriffe auf den politischen Gegner handelte. So war er am 26. Juni 2015 in Freital ebenso dabei, als sich den fünften Tag in Folge Rassist_innen und Nazis vor der Asylsuchendenunterkunft im ehemaligen Hotel Leonardo sammelten, wie auch am 24. Juli 2015 in der Bremer Straße gemeinsam mit zahlreichen anderen FKDlern. Am 21. Dezember 2015 war er am Versuch beteiligt, parallel zum PEGIDA Weihnachtssingen die Dresdner Neustadt anzugreifen. Was hier noch nicht wie geplant gelang, konnte Franz Richter dann wenig später in Leipzig-Connewitz ausleben. Auch er soll an dem Angriff am 11. Januar 2016 beteiligt gewesen sein.
Vermutlich der achte im Bunde der U-Häftlinge ist Maik Krautz (29). Wie seine Schwester auf Facebook bekannt gab, erhielt er am 30. November 2016 Besuch von der Polizei, verhaftet wurde er da aber noch nicht. Laut Sächsischer Zeitung stand er am 18. Mai gemeinsam mit seiner Schwester vor Gericht wegen Besitzes illegaler Pyrotechnik. Im Dezember 2015 fand die Polizei rund 2.000 illegale Sprengkörper, darunter „La Bomba“, „Crazy Robots“, Kugelbomben, und Cobra. Auf dieses Lager illegaler Pyrotechnik aufmerksam geworden, ist die Polizei bezeichnender Weise im Zusammenhang mit dem bereits erwähnten Angriff auf Jugendliche im Alaunpark im Juni 2015. Im Zuge dieses Ermittlungsverfahrens fanden die Beamten auf dem Handy eines Beschuldigten ein Foto der massenweise gestapelten Pyrotechnik. Ein Sachverständiger des Landeskriminalamt (LKA) für Pyrotechnik wies im Prozess gegen Stanelle und Co. auf den Zusammenhang hin, denn solche Böller wurden auch bei dem Angriff in Dresden-Stetzsch verwendet.
17 Beschuldigte, acht davon in Untersuchungshaft, und zwei Anklagen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Die erste gegen Robert Stanelle und Florian Neumann wird ab Freitag verhandelt. Die zweite Anklage gegen sechs weitere Beschuldigte, fünf Männer und eine Frau zwischen 22 und 29, liegt ebenfalls beim Landgericht. Wann der Prozess stattfinden wird, ist noch unklar.
Die Prozesstermine:
23. Juni, 27. Juni, 30. Juni, 4. Juli, 5. Juli, 11. Juli jeweils 9:00 Uhr
Veröffentlicht am 20. Juni 2017 um 22:41 Uhr von Redaktion in News