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Berufung zurück gewiesen – Querdenker erneut verurteilt

11. Dezember 2023 - 12:06 Uhr

Im November 2022 wurde Marcus Carsten Fuchs vom Amtsgericht Dresden zu einer Geldstrafe verurteilt. Hintergrund war der Vorwurf, dass Fuchs eine nicht angemeldete Demonstration mit rund 300 Teilnehmer:innen (laut Polizei, laut Querdenken über 600) am 6. Februar 2022 in Dresden-Laubegast angeleitet habe. Einen vorausgegangenen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft hatte Fuchs nicht akzeptieren wollen. Erst dadurch kam es zu einer öffentlichen Hauptverhandlung. Gegen das ergangene Urteil aus dem letzten Jahr legten sowohl Fuchs als auch die Staatsanwaltschaft, die eine höhere Strafe forderte, Berufung ein. Beide Berufungen wurden am 16. November nach zweitägiger Verhandlung durch das Landgericht Dresden verworfen. Es bleibt bei der Geldstrafe von insgesamt 1.500 € (50 Tagessätze zu je 30 Euro), die das Amtsgerichts im letzten Jahr ausgesprochen hatte. Fuchs hat nun nur noch die Möglichkeit, das Urteil über das Rechtsmittel der Revision anzugreifen. Das habe er zusammen mit seinem Dresdner Anwalt Bruno Strauch bereits getan, behauptet er über seinen Telegram-Kanal. Das interessante an diesem Prozess war weniger der juristische Sachverhalt als das Verhalten und die gewählte Verteidigungsstrategie der Führungsfigur der lokalen Querdenken-Szene.

Fuchs informierte seine Anhänger:innen auf Telegram.

Juristischer Hintergrund

Man mag zum aktuell gültigen Versammlungsrecht stehen, wie man möchte. Die eine oder andere Einschränkung kann sicher auch komplett gestrichen und einige Restriktionen heraus genommen werden. Aktuelle juristische Sachlage ist allerdings, dass Versammlungen unter freiem Himmel vorab bei der Versammlungsbehörde 48 Stunden vorab angezeigt werden müssen. Geschieht dies nicht, machen sich Versammlungsleiter:innen – nicht aber reine Teilnehmer:innen –  nach §27 Absatz 2 des Sächsischen Versammlungsgesetzes strafbar. Dabei ist faktischer Versammlungsleiter, wer auf die Versammlung in deren Verlauf erkennbar auf sie einwirkt.

Prozessverlauf

Die erneute Beweisaufnahme im Berufungsprozess hat insgesamt fünf Situationen ergeben, für die ein Einwirken von Fuchs auf die Versammlung mehr oder weniger deutlich dokumentiert werden konnte. Mal war im aufgezeichneten Stream, den „Querdenken Dresden“ selbst angefertigt und verbreitet hatte, klar zu vernehmen, wie Fuchs u.a. mit der Parole „Auf die Straße!“ erreichen wollte, dass sich die Versammlung in Bewegung setzt. Zudem verstärkte er dies noch mit einer auffordernden, großräumigen Bewegung, die ebenfalls zum Losmarschieren animieren sollte. An anderer Stelle ist von ihm nur kurz eine Handbewegung in eine Richtung zu erkennen, bevor die Kamera in eine andere Richtung schwenkte. Die Versammlung scheint darauf zu reagieren und biegt in eine kleinere Nebenstraße ein. Im Video finden sich insgesamt drei Stellen, an denen Fuchs Einfluss nimmt, zwei weitere Handlungen von Fuchs wurden von Polizeibeamt:innen dokumentiert und bezeugt. Von den Situationen im Video kann sich jede:r selbst ein Bild machen. Die fraglichen Stellen finden sich bei ca. 12:15, 13:30 und 24:45 [min:sec].

Auch wenn die einzelnen Situationen unterschiedliche Aussage- und Beweiskraft haben, dürfte nicht nur der Kammer sondern auch dem:der unvoreingenommenen Beobachter:in klar sein, dass Fuchs sowohl die Absicht hatte, die Versammlung zu beeinflussen als auch, dass ihm dies ein ganzes Stück gelungen ist. Hier wäre also höchstens noch die Frage gewesen, ob seine Handlungen ausreichen, um ihn auch als formalen Versammlungsleiter zu sehen. Das haben zumindest das Amtsgericht wie nun auch die Berufungsinstanz so gesehen.

Leugnen, tarnen, täuschen – Verteidigungsstrategien eines Querdenkers

Interessant ist, dass Fuchs die Vorwürfe trotz relativ klarer Beweise bis zuletzt vehement bestritten hat. Zudem echauffiert er sich im Nachgang über seinen Telegram-Kanal über ein angebliches ‚Skandalurteil‘. Seine Verteidigungsstrategie bestand darin, gleich mehrere Nebelkerzen zu werfen, um dem Gericht so möglichst einen Bären aufzubinden. Dabei machte ihn gerade auch die Fülle seiner verschiedenen Ausreden eher unglaubwürdig. Im Einzelnen:

1. Keine Kundgebungsmittel und fehlende Ortskenntnis

Beitrag auf Social Media von Marcus Fuchs kurz vor dem Prozess.

Unmittelbar vor Prozessbeginn machte Fuchs ein Posting über seine Kanäle, auf denen er verschiedene Dinge zeigte, die ein formaler Versammlungsleiter braucht, um eine Versammlung zu leiten. Im Prozess gab er bekannt, dass er die Versammlung zudem weder eröffnet, noch Auflagen verlesen oder die Demonstration beendet habe. Seine Verteidigungsstrategie war hierbei zu behaupten, er könne gar kein Versammlungsleiter gewesen sein, da er all die Dinge, wie ein Megafon, Warnwesten, Ordnerbinden, etc. gar nicht dabei gehabt und die Dinge, die ein formaler Versammlungsleiter tut, gar nicht getan habe. Zudem brachte er an, ohne Megafon habe er bei der Größe der Versammlung überhaupt nicht die Möglichkeit gehabt, sich auch nur ansatzweise mit Ansagen durchzusetzen. Auch kenne er sich bis heute kaum in Dresden-Laubegast aus wodurch ihm die Leitung der Versammlung gar nicht möglich gewesen sei.

Fuchs hebt hier darauf ab, dass er all die Dinge, die ein formaler Versammlungsleiter im Normalfall als Hilfsmittel dabei hat, um seine Versammlung abzusichern und anzuleiten nicht dabei hatte. Nur ging es gar nicht darum, dass Fuchs unangemeldet eine formale Versammlungsleitung übernahm. Es ging darum, dass er als faktischer Versammlungsleiter einzelne Handlungen ausführte, die Einfluss auf die Versammlung nehmen sollten. Ob er dabei erfolgreich war oder nicht, mag eine gewisse Rolle spielen. Im vorliegenden Fall soll dies gegeben gewesen sein, da er sich mehrfach an die Spitze setzte und von dort aus versuchte die Menge zu dirigieren.

Dass er sich in Laubegast nicht auskennt ist relativ wahrscheinlich, bleibt aber irrelevant. Seine Aufforderungen, die Menge am Anfang in Bewegung zu versetzen sind von seiner Ortskenntnis unabhängig. Seine Unkenntnis zeigte sich später als es ihm anscheinend darum ging, den Demonstrationszug von der vorausfahrenden Polizei zu lösen. Er gestikulierte worauf die Menge von der Österreicher Straße auf einen Parkplatz abbog. Ein nicht so geschickter Zug, da die Menge dort nur über ungünstige Wege weiter kam. Fuchs weitere Behauptung er hätte die Versammlung als Leiter ganz sicher nicht an diese Stelle geführt, lässt sich eben genau mit seiner fehlenden Ortskenntnis begründen. Er wusste schlicht nicht, dass er die Menschen nahezu in eine Sackgasse führte.

2. Leiter eines ‚Presseteams‘ und ‚neutraler Beobachter’ – kein Teilnehmer oder Leiter

Ein weiterer Verteidigungsstrang von Fuchs war, zu behaupten er sei als Pressevertreter und Beobachter vor Ort gewesen, um den ‚Spaziergang‘ zu dokumentieren. Großspurig behauptete er zudem dein oder sein? ganzes Presseteam angeleitet zu haben. Wenn er gestikuliert haben sollte, so hätten seine Gesten wohl den Teammitgliedern gegolten.

Natürlich ist Marcus Fuchs kein Journalist und hat mit Pressearbeit herzlich wenig am Hut. Zur Demonstration erschienen war er in einer auffälligen weißen Jacke mit der Aufschrift „Querdenken 351“ – dem lokalen Querdenken-Ableger. Die Behauptung dass ein ganzes ‚Pressteam‘ vor Ort gewesen sei, das ausgerechnet er anleitete, dürfte wohl auch seinem starken Hang zur Selbstdarstellung geschuldet sein. Vielmehr war es wohl so, dass er dem befreundeten Querdenker Hagen K. (51) eine Kamera in die Hand gedrückt hatte, vor die er zwischenzeitlich immer mal wieder trat, um kurze Kommentare abzugeben. Auf weitere Akteure bei dieser Pseudopressearbeit gibt es keinerlei Hinweise. Fuchs konnte auch keine weiteren Personen aus dem Team benennen und meinte er habe keine Erinnerung mehr daran, wer damals alles dabei gewesen sei. Er behauptete gar, dass es jedes mal wenn er ein neues Team angeleitet habe, Veränderungen gegeben habe – ganz so als sei er wirklich ‚professioneller Journalist‘, der tatsächlich regelmäßig neue Leute anlernt. Dass seine Gesten dem Mann an der Kamera oder anderen vermeintlichen ‚Redakteur:innen‘ gegolten haben sollen, scheint genauso wie die komplette Presse-Story somit komplett an den Haaren herbei gezogen.

3. Wahlkampf als OB-Kandidat

Als letztes Argument, brachte Fuchs dem Gericht gegenüber vor, er sei ebenfalls in der Funktion eines Kandidaten für die anstehende Oberbürgermeisterwahl in Laubegast gewesen. Er habe dort mit den Menschen ins Gespräch kommen, sich bekannt machen und für sich werben wollen. Dabei habe er auch Material als Werbemittel verteilt.

Dieser fantastischen Geschichte, folgte das Gericht nicht und verwarf sie als Schutzbehauptung. Fuchs hat sich mutmaßlich mit Menschen dort unterhalten, die er eh schon kannte. Einem Menschen hat er eine Trillerpfeife übergeben. Hierzu erklärte er altklug das wäre ‚ein sogenanntes Giveaway‘ im Rahmen seines OB-Wahlkampfes gewesen – ganz so als wäre die Kammermitglieder ihm gegenüber die reinen Hinterwäldler:innen. Unklar ließ er dagegen, warum ein OB-Kandidat ausgerechnet Trillerpfeifen verteilen sollte.

Fazit

Statt einfach klar und deutlich zu erklären was war, hat Marcus Fuchs lieber gleich einen ganzen Strauß von an den Haaren herbei gezogenen und mit vielen Übertreibungen ausgeschmückten Geschichten präsentiert. Das Vertrauen des Gerichtes konnte er sich mit seinen absurden Geschichten folglich nicht erarbeiten und machte sich im Gegenteil eher unglaubwürdig. Für Beobachter:innen dürfte klar sein, Marcus Fuchs hat nachweislich mehrfach versucht auf den Versammlungsverlauf Einfluss zu nehmen und dass ist ihm wohl auch gelungen. Die einzig offene Frage war nur, ob die Handlungen von Fuchs ausreichen, um ihn als faktischen Leiter der Versammlung zu verurteilen. Eine sinnvolle Verteidigungsstrategie hätte wohl eher hier angesetzt.

Auch die zuständige Staatsanwältin sprach von „abstrusen Einlassungen“, die Fuchs präsentiert habe und attestierte ihm keinerlei Einsichtvermögen. Zudem stellte sie zu recht fest, dass man noch lange keine Journalist ist, nur weil man einen Querdenker-Kanal betreibt. Dadurch dürfte sie sich beim geltungssüchtigen Angeklagten mit einer auffälligen narzisstischen Persönlichkeitsakzentuierung wenig beliebt gemacht haben.

Auch nach dem Urteil postete Fuch auf Telegram.

Nach dem Urteil bezeichnete Fuchs es über seine sozialen Kanäle umgehend als großen Skandal und stellte es als großes Unrecht dar. Seine Beschreibungen von angeblichen Widersprüchen in den Zeugenaussagen, ‚Kaffeesatzleserei‘ bei der Videoanalyse und von Willkür entsprechen nicht der Wahrheit. Dass seine Entlastungszeugen nicht gehört worden seien, ist so auch nicht richtig. Fuchs unterschlägt dabei nämlich die Tatsache, dass es sich um lediglich einen Zeugen, Hagen K., handelte. Dieser war bereits im Verfahren am Amtsgericht vernommen worden. Der Vorsitzende lehnte zwar den Antrag der Verteidigung auf erneute Ladung des Zeugen ab. Das Protokoll der ersten Einlassung am Amtsgericht wurde allerdings verlesen. Zudem hätte die Verteidigung noch die Möglichkeit gehabt einen Gerichtsbeschuss über den Antrag zu erwirken. All dies unterschlägt Fuchs.

Wenn Fuchs tatsächlich Revision gegen das Urteil eingelegt hat, erlangt das Urteil bis zu einer Entscheidung darüber keine Rechtskraft. Dass eine Revision gegen das Urteil erfolgreich ist, ist allerdings eher unwahrscheinlich.

Beitragsbild von Vue Critique


Veröffentlicht am 11. Dezember 2023 um 12:06 Uhr von Redaktion in Antifa, News

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