Sprengstoffanschläge in Dresden offenbar aufgeklärt
13. Dezember 2016 - 00:50 Uhr
Die beiden Sprengstoffanschläge vor den Feierlichkeiten zum 3. Oktober in Dresden sind offenbar aufgeklärt. Das teilte die Polizei am vergangenen Freitag mit. Am Vortag hatte die Polizei in Dresden zwei Objekte durchsucht und parallel dazu einen 30 Jahre alten Mann auf einer Baustelle in Hessen vorläufig festgenommen. Bei den Durchsuchungen konnten nach Polizeiangaben Gegenstände sichergestellt werden, die zur Herstellung von Spreng- und Brandvorrichtungen verwendet werden. Der nicht weit vom ersten Tatort in Cotta entfernt wohnende mutmaßliche Täter hatte sich ein Jahr zuvor bei einer Versammlung von PEGIDA auf der Bühne als Nino Köhler vorgestellt und in einem offenen Brief gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gehetzt.
Die an beiden Tatorten bei kriminaltechnischen Untersuchungen gesicherten DNA-Spuren stimmten demnach mit der DNA des Beschuldigten überein, so die Polizei weiter. Neben den Anschlägen auf die Fatih Camiine-Moschee und das Internationale Congress Center (ICC) am Jahrestag des Oktoberfestattentats, soll der 30-Jährige auch für die drei Tage später an einem Pfeiler der Marienbrücke von einem privaten Sicherheitsdienst gefundenen Bombenattrappen verantwortlich sein. Der mutmaßliche Täter muss sich nun wegen Verdachts des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion verantworten.
Zwar distanzierte sich Lutz Bachmann kurz darauf in sozialen Netzwerken von Köhler, dennoch zeigen die beiden Anschläge deutlich, welche gefährliche Dynamik sich inzwischen bei den seit zwei Jahren andauernden Protesten von PEGIDA entfaltet. Während der Sächsische Verfassungsschutz (LfV) auch in seinem aktuellen Jahresbericht eine Beobachtung von PEGIDA ablehnte, hatten in der Vergangenheit nicht nur die Politik im Freistaat, sondern auch Institutionen wie die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung (SLpB) oder der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt (CDU) immer wieder mit Gesprächsangeboten und Diskussionsrunden für PEGIDA Partei ergriffen.
Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) zeigte sich in einer ersten Stellungnahme erleichtert und kündigte im gleichen Atemzug an, auch in Zukunft „gegen jegliche Form der politischen Kriminalität vor[zu]gehen“. Bereits kurz nach den Anschlägen hatte Ulbig im ZDF morgenmagazin nach der Veröffentlichung eines offensichtlich gefälschten Bekennerschreibens Linke als mögliche Tatbeteiligte ins Gespräch gebracht. Auch Parteikollege und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte nach den Sprengstoffanschlägen davor gewarnt, voreilig von Rechtsterrorismus zu sprechen.
Nach dem Ermittlungserfolg kritisierte Kerstin Köditz (Die Linke) die Arbeit des Sächsischen Verfassungsschutzes. In ihren Augen habe die Verhaftung gezeigt, „wie wenig Substanz die vom sächsischen „Verfassungsschutz“ eigens zur Verhätschelung Pegidas eingeführte Unterscheidung von „asylkritischem“ und „asylfeindlichem“ Protest hat. […] Vor dem Hintergrund muss ich mich wundern, dass die Dresdner Anschläge in der offiziellen Straftaten-Statistik, die ich monatlich beim Innenminister abfrage, bislang nicht als politisch motivierte gezählt werden. Solche anhaltende Betriebsblindheit erschwert die Bekämpfung der extremen Rechten seit vielen Jahren.“
So sei es zwar bei Pegida zu einigen „ressentimentbehafteten Redebeiträgen oder Sprechchören“ gekommen, auch zeige ein Teil der Sympathisanten „ein Misstrauen bis hin zur Feindschaft gegenüber etablierten Parteien und Politikern, Medien sowie gegenüber Flüchtlingen“. Ausreichende Anhaltspunkte für eine „verfassungsfeindliche Bestrebung“ lägen „in der Gesamtschau“ aber nicht vor, so der Verfassungsschutz. Im Gegenteil: Dass sich einige Gruppen radikalisiert und abgespalten hätten, zeige, „dass die Abgrenzung zwischen bürgerlichem und offen extremistischem asylbezogenen Protest nach wie vor überwiegend besteht“. PEGIDA-Einschätzung des Sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz (LfV)
Der Landtagsabgeordnete der Grünen, Valentin Lippmann, zeigte sich zunächst erfreut über die Festnahme. Angesichts des Erfolges forderte er, dass Sachsens Polizei und Justiz „den Verfolgungsdruck auf die rechte Szene weiter erhöhen und Straftäter zügig vor Gericht bringen müssen, damit derartige Straftaten bereits im Keim erstickt werden“. Zugleich richtete er einen Appell an „diejenigen, die in dieser sog. Bewegung ein legitimes Anliegen sehen oder diese verharmlost haben“. Diese sollten sich „endlich bewusst machen, dass aus Hass und Worten auch schlimmste Straftaten entstehen können“.
Lesenswerter Artikel: Wer ist Nino K.?
Veröffentlicht am 13. Dezember 2016 um 00:50 Uhr von Redaktion in Nazis