Sachsens ganz eigenes Versammlungsrecht
5. Dezember 2015 - 00:31 Uhr - 3 Ergänzungen
Mit einer abenteuerlich anmutenden Erklärung hat Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf die Kritik an den mehrfach von der Polizei ignorierten rechten Versammlungen in Einsiedel und Laubegast reagiert. Seit mehreren Wochen kommt es im Chemnitzer Stadtteil Einsiedel immer wieder zu Protesten von Bürgerinnen und Bürgern, die sich gegen die Unterbringung von bis zu 550 Asylsuchenden in einem ehemaligen Pionierferienlager zur Wehr setzen. Auch in dem zu Dresden gehörenden elbnahen Stadtteil Laubegast wird seit Ende Oktober fast im Wochenrhythmus ungestört protestiert. Der Hintergrund sind Pläne, in einem bislang als Hotel genutzten Gebäude ab Jahresende ebenfalls Asylsuchende unterzubringen. In beiden Fällen hatte die Staatsregierung aber auch die Stadtverwaltung auf Nachfrage einen Versammlungscharakter der Veranstaltungen zurückgewiesen und stattdessen lediglich von Ansammlungen gesprochen.
In ihrer Kleinen Anfrage wollte die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke) wissen, worin die Staatsregierung den Unterschied zwischen einer Versammlung und einer Ansammlung sieht. Demnach ist von einer „Ansammlung“ sowohl im §113 des Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), als auch im §32 des Sächsischen Polizeigesetz (SächsPolG) die Rede. In beiden Gesetzestexten bleibt jedoch offen, was genau unter dem juristisch offenbar wenig diskutierten Begriff überhaupt verstanden werden kann. Für Ulbig setzt eine Ansammlung „eine größere Zahl von Menschen“ voraus, bei denen es nicht darauf ankommt, ob einzelne Personen hinzukommen oder gehen. In seinen Augen spielt es dabei auch keine Rolle, „welchen Zweck oder welche gemeinschaftlichen Interessen die Menschen verbindet“. Für seine Begründung bezieht er sich auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtes in Schleswig, wo im Februar 2005 entschieden worden war, dass die Blockade einer Bahnstrecke durch Umweltaktivisten, eine Versammlung nach Artikel 8 des Grundgesetzes darstellte.
.@PolizeiSachsen hält Aufzüge in #Dresden #Laubegast nicht auf die Teilhabe an öffentl. Meinungsbildung gerichtet.. pic.twitter.com/FbxEK2Qpox
— Straßengezwitscher (@streetcoverage) 13. November 2015
In Abgrenzung zum Begriff der Ansammlung liegt eine Versammlung dann vor, wenn sich „mindestens zwei/drei Personen“ an einem Ort mit dem Ziel einer „Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung“ zusammenfinden. Obwohl sowohl in Einsiedel, als auch in Laubegast genau diese für eine Versammlung charakteristischen Merkmale zutreffend waren, handelte es sich nach Auffassung von Sachsens Innenminister in beiden Fällen lediglich um Ansammlungen. Dabei ignoriert Ulbig die Tatsache, dass an beiden Orten im öffentlichen Raum nicht nur Transparente gezeigt und Reden mit einem thematischen Bezug gehalten wurden, sondern durch Demonstrationen und Blockaden teilweise auch der Verkehr zum Erliegen kam. Auch von einem zufälligen Zusammentreffen kann keine Rede sein, da zu jeder dieser Veranstaltungen im Vorfeld aufgerufen worden war. Im Unterschied dazu werden unter Ansammlungen zufällige Zusammenkünfte verstanden, denen eine gemeinsame Zweckbildung fehlt (etwa Schaulustige bei einem Verkehrsunfall oder Wartende an einer Bushaltestelle). Auf Grund der derzeit angespannten Einsatzlage dürften diese juristischen Feinheiten zumindest bei der Polizei wohlwollend zur Kenntnis genommen worden sein.
Veröffentlicht am 5. Dezember 2015 um 00:31 Uhr von Redaktion in Nazis
Irgendwie versteh ich nicht, für was genau das jetzt eine Begründung sein soll. Der Unterschied zwischen einer Versammlung und einer Ansammlung ist doch, dass erstere unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit steht, während zweitere ganz einfach (zum Beispiel, wenn sie den Verkehr behindert) augelöst werden kann.
Wenn das ein Versuch sein soll, diesen Fascho-Bürgerversammlungen ihren politischen Charakter abzusprechen (es kann ja nicht sein, was nicht sein darf, die Sachsen sind immun, blabla), dann ist das mit Abstand der peinlichste, den ich jemals gesehen habe.