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Sachsen: “Interne Differenzen” zwischen NPD und “Freies Netz” eskalieren

24. Februar 2012 - 23:16 Uhr - Eine Ergänzung

Übernommen vom Portal „Gamma – antifaschistischer Newsflyer für Leipzig und Umgebung“


Interne Dokumente belegen: Das militante Neonazi-Netzwerk “Freies Netz” ist enger mit der NPD verwoben als gedacht. Doch für die Partei werden die radikalen Aktivisten, die an der “Unsterblichen”-Kampagne mitwirken, zur Last. Durch Austrittsdrohungen spielt das “Freie Netz” nun seine letzten Trümpfe aus, führende Aktivisten treten schon den Rückzug an.

Mit “seriöser Radikalität” und einem “positiven Erscheinungsbild” will die NPD wieder punkten. Das hat sie auch nötig, denn neben dem aktuellen Trend zur Erfolgslosigkeit gehen auch die Mitgliederzahlen nach unten. Etwa 5900 Mitglieder hat die Partei derzeit, inklusive “Karteileichen”. Innerhalb von vier Jahren ist ihr ein Fünftel der Mitglieder abhanden gekommen – trotz Fusion mit der DVU, die zuletzt 3000 Mitglieder zählte. Im rechten Kernland Sachsen zeichnet sich die Entwicklung noch deutlicher ab. Beim jüngsten NPD-Landesparteitag am 21. Januar waren fast ein Drittel der angeblich 800 sächsischen Mitglieder nicht durch Delegierte repräsentiert, mehrere Kreisverbände liegen offenbar brach.

Mit der Pflege der Außendarstellung ist der Misere nicht beizukommen, die NPD sucht den Feind denn auch in den eigenen Reihen. Insider wissen von mehreren Krisentreffen der Parteispitze, einzelne Aktivisten des “Freien Netzes” (FN) wurden zum Rapport bestellt. Insbesondere in Sachsen ist das FN für die NPD ein personelles Pfund an der Basis. Die “freien” Aktivisten unterstützen Wahlkämpfe – und greifen zugleich nach Spitzenpositionen. Viele Indizien sprechen dafür, dass diese Kooperation nach fünf Jahren zur Disposition steht.

Thomas Gerlach: auf Tuchfühlung mit der Parteispitze

Das “Freie Netz” war von Anfang an eng mit der NPD verwoben, wenn auch hinterrücks. Ein Beispiel dafür ist einer der FN-Mitbegründer, der Altenburger Thomas Gerlach. Der frühere Aktivist des “Thüringer Heimatschutzes” (THS), der zeitweilig eine Beziehung mit der NSU-Helferin Mandy Struck führte, ist der Partei heute unangenehm: “Der umstrittene frühere nationale Aktivist Gerlach” sei niemals NPD-Mitglied gewesen, teilte der sächsische Landesvorstand der Partei im Januar mit. Gerlach gelte vielmehr “als Gegner der Nationaldemokraten”, und das “seit jeher”.

Aber so ist es nicht. Anno 2007 tauschte sich Gerlach beispielsweise mit dem NPD-Bundesvorstandsmitglied Frank Schwerdt – mittlerweile ist er stellvertretender Bundesvorsitzender – per E-Mail aus. Auch im Erfurter Kreisverband steht Schwerdt an der Spitze. “NS: Wegen der KV [Kreisverbands-] Sitzung melde ich mich noch bei dir”, schrieb er am 6. August 2007 an Gerlach. Als angebliches Nichtmitglied hätte Gerlach das gar nicht tangieren dürfen. Der aber mischte gleich in mehreren Kreisverbänden mit, arbeitete mit den Erfurtern genauso zusammen wie mit dem Kreisverband im Altenburger Land und dem in Zwickau.

Viele Interna der Parteispitze erhielt Gerlach auch durch Jens Pühse, den Bundesorganisationsleiter der NPD. Er ist seit Jahren der Chef-Planer in der Partei und sitzt dem NPD-Präsidium als Geschäftsführer vor. Auch Pühse korrespondierte mit Gerlach, besonders rege im August 2007. Zu der Zeit erarbeitete das Parteipräsidium gerade eine Grundsatzerklärung mit dem Titel“Unsere Fahnen sind schwarz – unsere Blöcke nicht”, Thema: der Umgang mit “freien Kräften” und “autonomen Nationalisten”, die partout nicht auf Parteilinie zu bringen waren und als “Bürgerschreck” galten. Gerlach erhielt den Text von Pühse – vorab als Entwurf. Das geschah wohlgemerkt, bevor das Präsidium darüber abgestimmt hatte. “Bitte dieses Schreiben und die Inhalte nicht weitergeben”, hatte Pühse vorsorglich in einer E-Mail vermerkt.

Gerlach gab prompt seinen Senf dazu: Die Grundintention sei “völlig richtig”, der Text berge aber “natürlich ne Menge ‘Sprengstoff’” und sei “nicht unerheblich gefährlich”, denn “viele unterstützen die Idee des militanten Auftretens auch in Mitteldeutschland!” Zum Beispiel das von Gerlach und Maik Scheffler angeleitete “Freie Netz”, das da noch kein Jahr alt war. Gerlachs Vorschlag: “Sollte man dann nicht lieber wirklich den Vorschlag (intern) unterbreiten das man getrennte Wege geht, wenn es um öffentlichkeitswirksame Sachen geht?”

Das ist seit je der doppelbödige Kurs des “Freien Netzes”. Zum “Gegner der Nationaldemokraten” wurde dadurch noch niemand.

Maik Scheffler: doppeltes Spiel mit der NPD

Wie sich die weitere Zusammenarbeit mit der NPD anbahnte, ist im internen Forum des “Freien Netzes” en detail dokumentiert. Gerlach gründete 2008 gar eine “Arbeitsgruppe Wahlkampf”, um FN-Kandidaten im Folgejahr auf Parteiticket in die Parlamente zu bugsieren. In Sachsen war dieses Manöver erfolgreich, in Thüringen nicht. Am 31.12.2008 schrieben Gerlach, der mittlerweile verhaftete Jenaer NPD-Aktivist und NSU-Helfer Ralf Wohlleben und dessen Adlatus André Kapke eine E-Mail mit dem Betreff “Sauladen beschissener” an ihre NPD-Landesführung. “Wir sind kein Kaninchenzüchterverein sondern wir wollen eine Weltanschauungsbewegung sein”, hieß es da. Mit den eigenen Vorstellungen und Kandidaten war das “Freie Netz” in Thüringen offenbar abgeblitzt.

Gerlachs Gegenpart in Sachsen, der Delitzscher Maik Scheffler, war da erfolgreicher. Er ist Ende 2008 zum zweiten Mal in die NPD eingetreten und wurde in Windeseile NPD-Stadtrat in Delitzsch, Kreisvorsitzender in Nordsachsen, Landesorganisationsleiter NPD Sachsen, Mitarbeiter der Landtagsfraktion und schließlich, 2011, sogar stellvertretender Landesvorsitzender. Das ist rasant für jemanden, der sich selbst als “geistigen Vater des Freien Netzes” bezeichnet und hinter den Kulissen nicht knausert, wenn es um Kritik an der NPD geht (“Für die Partei erhebe ich meine Stimme nicht, da ich mich ihr nicht verbunden fühle”). Der Karrierist Scheffler verdammte im internen Forum des “Freien Netzes” die Führungsspitze der NPD sogleich als – Karrieristen.

Mittlerweile äußert er sich ganz anders. In einem Interview mit der NPD-nahen Website “DeutschlandEcho” sagte er Anfang Dezember 2011, sein Ziel sei “nicht die Unterwanderung oder die Radikalisierung der NPD, sondern eine gemeinsame Ausrichtung auf Augenhöhe”. Das interne FN-Forum, in dem Scheffler beispielsweise das “Abstechen” eines Polizisten empfohlen hatte, habe überdies “nicht einmal ein halbes Jahr” existiert und sei “bereits Anfang 2009 für immer geschlossen” worden. Alles Schnee von vorvorgestern?

Höhepunkt: “Freies Netz” initiiert “Die Unsterblichen”

Es klingt, als spräche der 37-jährige Scheffler von Jugendsünden. Er gibt stets nur das zu, was man ihm beweisen kann, und will dies als Beleg von Aufrichtigkeit und klugem Taktieren gewertet haben. Dokumente, die der GAMMA-Redaktion vorliegen, sprechen eine andere Sprache:

Anfang Juli 2009 beispielsweise – fünf Monate, nachdemdas FN-Forum angeblich “für immer” geschlossen worden sei – lud der User “sibelius” alias Scheffler “alle Kader hier im Forum” zu einem internen Treffen im Raum Dresden ein. Allein die Tagesordnung spricht Bände: Es sollte um die“Wahlkampfunterstützung” der NPD zur damaligen Landtags- und Bundestagswahl gehen. Und um Gegenleistungen der Partei, nämlich“Förderprojektvorschläge bei Wiedereinzug der Fraktion”. Scheffler kündigte auch einen “Vorschlag zur Verhinderung der Verantwortlichenermittlung des VS [Verfassungsschutzes] betreffs des FN” an. Eigentlicher Anlass des Treffens war aber ein anderer:

“Wie ihr ja alle wisst, war die Zusammenarbeit mit der großen Gruppe Lausitz/Ostsachsen in den letzten Jahren nicht überall so funktionabel wie mit Lpz [Leipzig] oder Chemnitz. In einem längeren Gespräch mit Tony Beger habe ich alte Quelerein ausräumen können, sodass es nun zum ersten FN-überregionalen Treffen kommen kann.”

Beger gilt als Strippenzieher der sächsischen Naziszene. Das Ergebnis des Kadertreffen am 26. Juli war für das FN ein Meilenstein: ein “gemeinsames Projekt ‘Volkstot’ [sic!] mit den Ostsachsen”. Nach einer kurzen Anlaufphase ist dieses Projekt mittlerweile, in Zusammenarbeit mit brandenburgischen Neonazis namens “Spreelichter”, als “Die Unsterblichen” bekannt geworden. Maskiert, ohne Anmeldung und in einem stilistischen Mix aus Agitprop und nationalsozialistischem Fackelmarsch sind “Die Unsterblichen” bundesweit durch mehrere Ortschaften gezogen, zuerst am 1. Mai 2011 in Bautzen. Das zugehörige Propagandavideo hat der Leipziger FN-Aktivist Patrick Fischer, der mittlerweile in Chemnitz lebt, ins Internet gestellt. Der Aufmarsch-Serie vorangegangen waren kleinere “Volkstod”-Aktionen. Vor zwei Jahren etwa mischten sich Leipziger FN-Aktivisten unter den hiesigen Faschingsumzug und spannten ein Transparent auf: “Die Demokraten bringen uns den Volkstod”.

Wegen eines “Unsterblichen”-Marsches in Stolpen, bei dem mehrere Teilnehmer identifiziert werden konnten, hatte die Soko Rex des LKA Sachsen am 12. Januar insgesamt 44 Wohnungen in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg durchsuchen lassen. Davon betroffen waren auch regional führende FN-Aktivisten wie Manuel Tripp, der im Geithainer Stadtrat sitzt. Natürlich für die NPD.

Im Abwind: Tommy Naumann verlässt das sinkende Schiff

Mittlerweile ist die “Erfolgsgeschichte” des FN ins Stocken geraten. Vor gut einer Woche soll der Leipziger FN-Kader Tommy Naumann intern angekündigt haben, seinen Posten als Landeschef der “Jungen Nationaldemokraten” (JN) niederzulegen – “aus Protest”, wie Insider berichten. In Neonazi-Kreisen wird seitdem kolportiert, dass die NPD-Landtagsfraktion Naumann daraufhin gefeuert habe. Eine offizielle Stellungnahme liegt dazu nicht vor, würde aber sowieso nichts mehr kitten.

Denn ein Teil der Leipziger Aktivisten hatte sich bereits im Herbst abgespalten: Neonazis wie der Hooligan Enrico Böhm, der zur Kommunalwahl 2009 noch für die NPD in den hiesigen Stadtrat einziehen wollte und zeitweilig bei der Landtagsfraktion angestellt war, haben Scheffler und Naumann den Rücken gekehrt und sind zur Kameradschaft “Heimattreues Leipzig” übergelaufen. Naumann wiederum hatte Böhm und seinen Kumpanen Nils Larisch, der sich als “Bodyguard” für Holger Apfel verdingte, im FN-Forum als “Flachzange” und“Menschenmüll” beschimpft. “Normal müsste man selbst dazwischen knüppeln”, drohte damals Scheffler. Seit der Veröffentlichung dieser Konversationen geht man getrennte Wege.

Tatsächlich verliert das FN gerade in seiner Hochburg Leipzig an Einfluss und Bedeutung. Der regionale FN-Ableger – das von Naumann geleitete “Aktionsbündnis Leipzig” – hat seit Wochen keine eigene Website mehr. Dabei zielte auch Naumanns Engagement darauf, an die Spitze zu rücken: Im Jahr 2008 hatte er den Vorsitz des bis dahin bedeutungslosen NPD-Nachwuchsverbandes “Junge Nationaldemokaten” (JN) in Sachsen übernommen. Intern prahlte das FN fortan mit “erfolgreichen Masseneintritten”ihrer Aktivisten. Wirkliche Massen waren gar nicht nötig für den Plan, innerhalb der NPD-Strukturen eine “NS-Ersatzorganisation” aufzubauen. Beim „3. JN-Sachsentag“ am 5. Juni 2010 im ostsächsischen Niesky hatte Naumann die nationalsozialistische Ausrichtung öffentlich bekräftigt:

“Nur wenn es uns gelingt, eine Art Staat im Staat zu bilden und eigene Alternativen zum System zu schaffen, werden wir letztendlich den Sieg davontragen können. […] Wir finden ein unübersichtliches Netz von organisationsgebundenen und freien Kräften […] von Vorteil – Solange ein Wille befiehlt, der uns zur Tat antreibt, solange eine Leitlinie unser Handeln bestimmt. Und diese Leitlinie, daran lässt sich nicht rütteln, ist unsere nationale und sozialistische Weltanschauung.”

Zumindest nach außen gab es keinen Widerspruch durch die Partei, zumal der radikale Nachwuchs auch das Parteibüro (“Nationales Zentrum”) in der Leipziger Odermannstraße belebt hat. Auch das droht nun zu verwaisen. Nach dem Tod des NPD-Landtagsabgeordneten Winfried Petzold im Dezember vergangenen Jahres wurde zwar prompt nach einem Nachfolger gesucht, der das Anwesen, wo es desöfteren zu Schlägereien unter “Kameraden” gekommen war, weiter nutzen möchte. Doch augenscheinlich hat kein NPD-Landtagsmitglied Interesse daran. Nun soll das Leipziger NPD-Haus – der Besitzer ist Petzolds Sohn – als Büro für Rudi Gerhardt und Klaus Ufer herhalten. Gerhardt und Ufer sitzen für die NPD im Leipziger Stadtrat und sind zwei der inaktivisten Mandatsträger der Partei überhaupt. Gerhardt gilt als “begriffsstutzig”. Ufer verlässt seine Wohnung in Leipzig-Althen selten und wird als unsicherer Kantonist gehandelt.

Parteiaustritte: letztes Druckmittel des “Freien Netzes”

Nicht anders ist es im Umland. Erst kürzlich hatte sich die sächsische NPD-Landesspitze von einigen ihrer Gefolgsleute im Landkreis Leipzig distanziert: Das Kreistagsmitglied Sven Tautermann (Nerchau) ist ausgetreten. Unklar ist, ob das freiwillig geschah. Auch mit seinem parteilosen Kollegen Gerd Fritzsche aus Borsdorf bei Leipzig will die Sachsen-NPD nichts mehr zu tun haben. Ihnen und weiteren Neonazis werden “parteifeindliche Ansichten” vorgeworfen. Fritzsche, ein Stammtischfreund Klaus Ufers, hielt auch gute Kontakte zum “Freien Netz”. Anfang des Jahres ist außerdem der Rothenburger Stadtrat und Organisator von Neonazikonzerten Steffen Hentschel (Oberlausitz) aus der NPD ausgetreten. Gegenüber der Presse sprach Hentschel nachher von “internen Differenzen”, ohne ins Detail zu gehen.

Die aktuellen Differenzen im sächsischen Landesverband dürften im Wesentlichen auf das Verhältnis der NPD zum “Freien Netz” zurückgehen. Die Partei ist ihrem militanten Arm im Laufe des vergangenen Jahres gleich mehrfach in die Parade gefahren, distanzierte sich etwa nachdrücklich von führenden “freien” Aktivisten wie Axel Reitz (“Hitler von Köln”) und erteilte den Rechtsterroristen Martin Wiese und Karl-Heinz Hoffmann ein Redeverbot bei Parteiveranstaltungen. Hoffmann, Gründer der nach ihm benannten Wehrsportgruppe, sollte am 26. November 2011 im Leipziger NPD-Zentrum sprechen. Die Veranstaltung wurde infolge öffentlichen Drucks aber kurzfristig durch die NPD abgeblasen.

Partei-intern wurde die Hoffmann-Episode zum Politikum – denn eingeladen wurde der Militarist, der in Kohren-Sahlis in ehemaliges Rittergut besitzt und mit Geldern des Freistaats Sachsen herrichtet, ausgerechnet durch den sächsischen JN-Chef Tommy Naumann. Sein FN-Kamerad Maik Scheffler hat die Veranstaltung abgesegnet, obwohl er sie als NPD-Landesorganisationsleiter hätte unterbinden müssen. Rechtsterroristen bei der NPD, kurz nach Auffliegen der NSU-Terrorzelle? Damit sorgte Schefflers FN einmal mehr für schlechte PR. Und verschlechterte die eigene Position in der NPD: Scheffler durfte im Januar weder, wie zunächst angedacht, zur Wahl des neuen Landesvorsitzenden der sächsischen NPD antreten, noch einen weiteren Gefolgsmann zum Stellvertreter machen.

Der neue Landeschef Mario Löffler war sogleich heftigen Anwürfen durch das FN ausgesetzt. Es ist ein verbaler Stellvertreter-Krieg, den Scheffler nun gegen seine Dienstherren führt. Freilich ohne selbst das Wort zu ergreifen: Direkt nach Abschluss des Landesparteitags veröffentlichte Patrick Fischer, der von Chemnitz aus die Neonazi-Websites “Mauerblümchen” und “Wetterleuchten” betreibt, einen Artikel, der u.a. den Austritt mehrerer Chemnitzer NPD-Mitglieder, darunter des Kreisvorsitzenden, bekannt gab – und weitere Verluste in Aussicht stellte. Stefan Hartung, ein Löffler-treuer NPD-Gemeinderat aus Bad Schlema, beschwert sich jüngst bei Scheffler über den Vorstoß aus Chemnitz:

“…jeder Versuch mit bornierten Leuten wie beispielsweise Herrn Fischer ins Gespräch zu kommen (…) endet in Ausführungen, die man vor einigen Jahrzehnten als ‘jüdische Rabulistik’ klassifiziert hätte.”

Bis zum bitteren Ende: zwei Linien

Der Ton wird rauher, aber der Ausgang der sächsischen Fehde ist noch offen. Scheffler und Gefolgschaft können trotzdem nicht mehr mit Schonung rechnen. Denn offenbar sind in Sachsen noch mehrere Parteiausschlussverfahren gegen NPD-Dissidenten anhängig. Teile des FN gehen ungeachtet dessen weiter auf Konfrontation und teilen verbale Haken gegen die NPD, aber auch gegen Scheffler aus. Das “Freie Netz Erzgebirge” und das Dresdner “Netzwerk Mitte” veröffentlichten Anfang Februar einen Text von Axel Reitz, der in dem Vorwurf gipelt, Parteichef Apfel gehe es nur um “das Fortkommen seiner Partei und seiner eigenen Person”. Scheffler habe sich dabei von Apfel “vereinnahmen lassen”.

Die Spitze gegen Scheffler mag eher strategisch bedingt sein. Sie wirkt jedenfalls wie eine Rochade Schefflers, zumal im offiziellen Twitter-Account des FN wohlwollend gerade auf solche Texte verwiesen wird. Aber deutlich wird allemal die akute Zuspitzung des Konflikts. Noch Anfang des Jahres hatte sich der“parteifreie Aktivist” Maik Müller, der den “Trauermarsch” am 13. Februar in Dresden angemeldet hatte und unter dem politischen Dach des FN die Webseite “Netzwerk Mitte” betreibt, in der NPD-Zeitung “Deutsche Stimme” als Partei-Freund präsentiert und frühere Angriffe auf die NPD kleinlaut relativiert. Nun beteiligt sich derselbe Müller an der Anti-NPD-Kampagne des FN. An Doppelzüngigkeit ist das kaum zu überbieten, und in diesem Sinne bleiben sich die Scheffler-Leute treu.

Folgenlos sind diese Spielchen nicht, am wenigsten für das FN. So hat sich das bayrische “Freie Netz Süd” nun scheinbar vom eigenen Vorbild, dem Schefflerschen FN, distanziert – beide verweisen jedenfalls nicht mehr aufeinander. Auf der FN-Website wird stattdessen auf die Konkurrenz-Gruppe “Division Franken” verlinkt. Diese Kameradschaft ist identisch mit einer örtlichen JN-Gruppe und freute sich neulich ob einer “Materialspende” des FN-nahen “Nordsachsen-Versandes” des Eilenburger NPD-Stadtrats und FN-Aktivisten Kai Rzehaczek. Das “FN Süd” hat wohl aus Trotz im Gegenzug Mitglieder der “Division Franken” regelrecht “geoutet”.

Die neue Unübersichtlichkeit der Naziszene wächst damit über Sachsen hinaus und liefert Material für das laufende Machtspiel. So bewirbt Schefflers FN-Website “Aktionsbündnis Nordsachsen” auch eine neue Kampagne der “Division Franken” mit den Worten: “Am 30.01 ist um 19:33 Uhr die Kampagnenseite ‘Freies Deutschland’ ins Netz gegangen!”

Das liest sich so irre wie der Kampagnenaufruf selbst und kann als gezielte Provokation verstanden werden – denn die NPD ruft seit Monaten ihren “NS-Narrensaum” zur Zurückhaltung auf. Die Partei will dazu in naher Zukunft ein Machtwort sprechen, derzeit wird ein “Handlungsrahmen für die Zusammenarbeit mit freien Kräften” getippt. Vorgestellt werden soll der “Leitfaden” Mitte März, bei insgesamt drei “Regionalkonferenzen”, die vom Parteivorstand anberaumt wurden. Den Tenor hat Udo Pastörs schon vorgegeben: “Unwürdiges ‚NS-Gekasper‘ ist eine Musik, die niemand hören will.”

Und Holger Apfel gab in einem Interview mit der “Deutschen Stimme” bereits die Konsequenzen zu bedenken. Notfalls müsse man sich “auch mal von Leuten trennen, die die NPD nur instrumentalisieren oder Politik mit einem Abenteuerspielplatz verwechseln.” Gegen die Abenteurer des “Freien Netzes” und der “Unsterblichen” ermittelt bereits das Landeskriminalamt.

Mehr zum “Freien Netz”, der Kooperation mit der NPD und der “Unsterblichen”-Kampagne:


Veröffentlicht am 24. Februar 2012 um 23:16 Uhr von Redaktion in Nazis

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