Kultur | Nazis

Rassistenfasching in der sächsischen Provinz

19. März 2015 - 11:12 Uhr

Ein Faschingsumzug sorgt einen Monat später für Unruhe im sächsischen Blätterwald, was war geschehen? In Reinhardtsdorf-Schöna, einer kleinen Gemeinde in der Tourismusregion Sächsische Schweiz, hatten es einige Jecken mit der Kostümierung etwas übertrieben. Eine Gemeinde, in der die NPD auch in der jüngsten Vergangenheit mit Wahlergebnissen jenseits der 20% Marke glänzte, stand auf einmal unter dem Verdacht, bei der alljährlichen Faschingsparade rassistische Vorturteile gegen Asylsuchende propagiert zu haben. Skandalisiert wurde das Thema ausgerechnet von einer der Tageszeitungen, welche an anderer Stelle häufig selbst mit billigem Populismus auf der Jagd nach der nächsten Schlagzeile ist. Unter dem diesjährigen Motto „Der RKC ist originell, eröffnet sein 5 Sterne-Hotel“ waren am 14. Februar mehrere Wägen durch Reinhardtsdorf gezogen. Während ein Wagen durch Männer und Frauen mit schwarz angemalten Gesichtern gezogen wurde, die mitsamt Koffern eine Gruppe „reisefreudiger Afrikaner“ darstellen sollte, posierten auf einem zweiten Wagen mehrere Personen mit Turban und Gewändern als „Reisegruppe Aladin“. Zudem war im Fenster eines Wohnwagens zu lesen: „Rollende Asylantenherberge – staatlich gestützt“.

Faschingsumzug in Reinhardtsdorf-Schöna am 14. Februar

Die wenig später ebenfalls veröffentlichten Bilder von einem Faschingsumzug am 15. Februar im erzgebirgischen Geising, bei dem mit Affen-, Schweine-, und Rindermasken maskierte Menschen ein Transparent mit der Aufschrift „Asyl für alle!?“ getragen hatten, lassen vermuten, dass der im Dezember durch seine rassistischen Äußerungen über Sachsens Grenzen hinaus bekannt gewordenen Unternehmer Winfried Stöcker in seinem Interview mit der Sächsischen Zeitung scheinbar nur das ausgesprochen hatte, was viele Menschen hierzulande denken. Darin hatte er aus Afrika geflohenen Menschen unterstellt, hier das Asylrecht zu missbrauchen. „Die reisefreudigen Afrikaner sollen sich dafür einsetzen, dass der Lebensstandard in ihrem Afrika gehoben wird, anstelle bei uns betteln zu gehen.“ Nach mehreren Strafanzeigen hat mittlweile die Görlitzer Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung gegen den Mann eingeleitet, der sein Geld im medizinischen Sektor verdient.

Olaf Ehrlich, der nicht nur parteiloser Bürgermeister, sondern gleichzeitig auch Präsident des Reinhardtsdorfer Karnevalsclubs ist, wies die im Raum stehenden Rassismusvorwürfe zurück: „Das ist Gesellschaftskritik und Satire. Die Leute hier haben Probleme und machen so ihrem Ärger Luft. Das ist völlig normal.“ „Sicherlich“, so der Gemeindevorsteher weiter, „war das bitterböser Humor auf Kosten der Asylbewerber. Aber wer will zensieren, was als Satire gerade noch erlaubt ist und was nicht?“. Insgesamt seien aus seiner Sicht lediglich zwei oder drei der vom Umzug auf der Seite seines Vereins veröffentlichten Bilder „grenzwertig“ gewesen. Ebenso uneinsichtig zeigte sich Uwe Richter, der „Minister für Öffentlichkeit“ des Karnevalvereins; gegenüber dem Tagesspiegel sagte er: „Der eine läuft als Clown rum, der andere als Afrikaner“. Klare Kritik kam hingegen vom Präsidenten des Sächsischen Carneval Vereins (VSC), Günter Bührichen: „So etwas gehört nicht in den Karneval! Rechte Tendenzen haben bei uns keinen Platz.“ In einer Vorstandssitzung am Wochenende sollte darüber beraten werden, ob der Reinhardtsdorfer Verein damit womöglich gegen die Ethik-Charta des Verbandes verstoßen habe.

Erst 2011 hatte ein Blackface-Werbeplakat des Ba-Hu-Elferrats der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) für einen Skandal gesorgt. Damals war vom Elferrat für eine Faschingsverantaltung am 11.11.2010 mit einem schwarz angemalten Weißen geworben worden, der Schlagersänger Roberto Blanco parodieren sollte. Daraufhin hatten sich mehrere Vereine in einem offenen Brief gegen die Praxis des „Blackfacing“ gewandt: „Es ist rassistisch, weil das Plakat auf Stereotype zurückgreift, die von Weißen geschaffen wurden, um Schwarze als einfältig herabzuwürdigen und auf diese Weise eine weiße Identität als rational und überlegen zu erfinden. Das Plakat ist rassistisch, weil es Schwarze entmenschlicht, nämlich aus ihnen Figuren macht, über die Weiße jederzeit verfügen können, um sich und andere Weiße zu bespaßen.“ Blackfacing und das Zurschaustellen rassistischer Klischees ist also keine Erfindung aus der Sächsischen Schweiz. Neben dem Beispiel aus Leipzig kam es selbst in Karnevalshochburgen wie dem Rheinland in der Vergangenheit immer wieder zur Kritik an der Abwertung bestimmter Gruppen von Menschen. Dass es auch anders gehen kann, zeigen die Umzüge in benachbarten Gemeinden. Dort, so scheint es, kommen Faschingsumzüge offenbar auch ohne unverhohlenen Rassismus aus.


Veröffentlicht am 19. März 2015 um 11:12 Uhr von Redaktion in Kultur, Nazis

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