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Querdenken floppt in Dresden – Polizei in der Kritik

16. Januar 2022 - 18:21 Uhr - Eine Ergänzung

Einen Tag vor in Kraft treten der neuen Corona-Schutz-Verordnung, mobilisierte das Coronaleugner-Spektrum am 13. Januar 2022 erneut zu einer nicht angemeldeten Demonstration in die sächsische Landeshauptstadt.Der Startpunkt sollte diesmal direkt neben dem hiesigen Universitätsklinikum liegen. Was als großangelegte, „vereinte“ Aktion geplant war, blieb in der Realität weit unter den Erwartungen. Weniger als 1.000 Demonstrierende fanden den Weg an den Rand der Dresdner Innenstadt, wo sie von einem starken Polizeiaufgebot in Empfang genommen wurden. Laut Polizei Sachsen leiteten die insgesamt 1.083 eingesetzten Beamt:innen im Laufe des Tages über 200 Ordnungswidrigkeitsverfahren ein. Davon betroffen waren auch mindestens 22 Medizinstudent:innen, die vor dem Uniklinikum ein „stilles Zeichen gegen Wissenschaftsleugnung und rechte Hetze“ setzen wollten. Im Nachgang erntete der Polizeieinsatz gegen die Studierenden sowohl in den sozialen Medien als auch von Seiten der Regierungsparteien Kritik.

Nachdem in den letzten Wochen immer wieder dezentrale Demonstrationen in unterschiedlichen Stadtteilen der Landeshauptstadt gegen die Corona-Schutzmaßnahmen stattfanden, war am vergangenen Donnerstag das erklärte Ziel, den Protest unter dem Motto „Dresden vereint“ zu bündeln. Die ambitionierten Pläne scheiterten jedoch nicht nur am massiven Polizeiaufgebot, sondern vor allem auch an einer geringen Resonanz. Schon am Startpunkt war die Polizei mit vielen Einsatzkräften präsent, sprach Gruppen, die sich zum Uniklinikum bewegten an und schickte sie teilweise mit Platzverweisen weg. Gruppen von Protestierenden, unter denen sich auch immer wieder stadtbekannte Nazis befanden, bewegten sich schließlich in Richtung Großer Garten bzw. Straßburger Platz und von dort weiter in die Dresdner Innenstadt. Die eingesetzten Beamt:innen beschränkten sich zunächst darauf, sich immer wieder in den Weg der Demonstrierenden zu stellen. Diese wichen anschließend in Nebenstraßen aus und versuchten, sich dort neu zusammenzufinden.

Koordiniert wurden die Gruppen dabei über einen kurz zuvor gegründeten Telegramkanal, dem innerhalb von kürzester Zeit über dreieinhalb tausend Menschen folgten und in dem im Laufe des Abends immer wieder neue Treffpunkte bekannt gegeben wurden. Nichtsdestotrotz wirkte das Vorgehen der Teilnehmer:innen unentschlossen. Die Gruppen ließen sich immer wieder von den eingesetzten Beamt:innen stoppen, kehrten um und lösten sich in kleinere Gruppen auf. Am Pirnaischen Platz und auf der Wilsdruffer Straße kesselte die Polizei zwei Gruppen von Demonstrierenden. Am Postplatz schließlich fand das  Katz- und Mausspiel zwischen Demonstrierenden und der Polizei dann schnell ein Ende, nachdem ein Großteil der Protestierenden nach einem erneuten Versuch der Kesselung auf der Wallstraße sich in die Innenstadt verteilte.

Entgegen der Berichte in den (sozialen) Medien war für die Beobachter:innen von addn.me an dem Tag keine Eskalation in der Innenstadt zu beobachten. Abgesehen von kleineren Widerstandshandlungen gegen Beamt:innen und Verstößen gegen die Corona-Schutz-Verordnung, verlief der Tag weitgehend ruhig und ohne Zwischenfälle. Zwar waren einzelne Nazigruppen in der Innenstadt unterwegs, doch diese konnten sich nicht wie in Magdeburg, Rostock oder Bautzen als „Speerspitze“ der Proteste inszenieren. Der Tag zeigte erneut, dass die lokale Dresdner Naziszene zur Zeit nicht die organisatorischen Fähigkeiten für eine größere Mobilisierung hat.

Kritischer zu sehen war hingegen der gewählte Auftaktkundgebungsort der maßgeblich von den „Freien Sachsen“ beworbenen Demonstration. Mit dem Uniklinikum im Stadtteil Johannstadt wurde nicht zum ersten Mal eine medizinische Einrichtung als Protestort gewählt. Bereits im Zuge der Proteste am 13. Dezember gelangten mehrere Dutzend Teilnehmer:innen einer Querdenken-Demonstration vor das Krankenhaus Friedrichstadt. Am vergangenen Donnerstag bestand jedoch eine erheblich größere Gefahr für den reibungslosen Ablauf des Krankenhausbetriebes. Als Reaktion auf die Ankündigung hatte der Stadtratsabgeordnete der „Dissidenten“, Johannes Lichdi, im Vorfeld eine Bannmeile für Demonstrationen um die Dresdner Krankenhäuser gefordert.

Gegen die Demonstration der Querdenker:innen regte sich auch Widerspruch aus der Studierendenschaft des Uniklinikums. Einem spontan vom Fachschaftsrat organisierten Protest schlossen sich einige Dutzend Studierende an. Diese positionierten sich in Zehnergruppen in Kitteln und mit Schildern vor dem Uniklinikum, um es symbolisch gegen die Demonstration zu schützen. Im Laufe des Abends kam es dabei immer wieder zu verbalen Anfeindungen gegenüber den Studierenden. Die eingesetzten Beamt:innen beendeten schließlich den Gegenprotest, kesselten mehrere Personen ein und leiteten nach eigenen Angaben gegen insgesamt 22 Studierende Verfahren wegen Verstößen gegen die Corona-Schutz-Verordnung ein. Im Nachgang zeigten sich die Organisator:innen des Gegenprotestes empört über das Vorgehen der Beamt:innen. Es wurde sich bewusst in Zehnergruppen aufgeteilt und zuvor erklärt, dass den Anweisungen der Polizei Folge zu leisten sei, wie Beteiligte im Nachgang erklärten.

Das Vorgehen der Beamt:innen gegen die Student:innen löste bundesweit Empörung aus, überregionale Medien berichteten und insbesondere in den sozialen Medien erfolgten zahlreiche Solidaritätsbekundungen, Wortmeldungen und Spendenangebote. Vor allem auf den Widerspruch zu der kürzlich durch Innenminister Wöller eingeforderten Zivilcourage gegen die Coronaleugner:innenproteste und die als sehr einseitig wahrgenommene Repression gegenüber der Gegenproteste wurde aufmerksam gemacht. Ungeachtet der Aussagen des Dresdner Polizeipräsidenten Jörg Kubiessa, welcher die Maßnahmen auf Grund des „dynamischen Einsatzes“ im Nachgang verteidigte, reagierten im Laufe des Folgetages sowohl Michael Kretschmer als auch Sachsens Innenminister Roland Wöller (beide CDU) auf den medialen Shitstorm mit einer Danksagung an die Studierenden. 

Ob die Anzeigen gegen die Studierenden Folgen haben werden, bleibt abzuwarten. Für den Fall, dass doch Bußgelder fällig werden, hat der Fachschaftsrat Medizin/Zahnmedizin bereits eine Spendensammlung ins Leben gerufen. Bereits nach wenigen Stunden war das Spendenziel übertroffen.

Bildquelle: vue critique


Veröffentlicht am 16. Januar 2022 um 18:21 Uhr von Redaktion in Nazis

Ergänzungen

  • Querdenken floppt? Nur ein Blinder sollte doch noch erkennen, daß die ursprüngliche Querdenken Bewegung aus Baden-Würtemberg kaum noch eine Bedeutung hat.

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