NPD-Grüppchen bestreift Dresdner Stadtfest
19. August 2019 - 18:11 Uhr
Am Wochenende fand das Canaletto-Stadtfest in der Dresdner Innenstadt statt. Die Veranstaltung lockt jedes Jahr hunderttausende Besucherinnen und Besucher an. In der Vergangenheit kam es dabei immer wieder zu Übergriffen durch Nazis. Auch an diesen Wochenende war die NPD mit mehreren Personen vor Ort, bestreifte das Festgelände und machte Werbung für die Landtagswahl. Die NPD tritt in diesem Jahr mit dem „Deutsche Stimme“-Chefredakteur Peter Schreiber als Spitzenkandidat zur Landtagswahl am 1. September an. Anders als noch in der Vergangenheit, als die NPD in Fraktionsstärke in den Sächsischen Landtag einziehen konnte, wird die Partei in aktuellen Umfragen gerade einmal unter Sonstiges gelistet. Ein Wiedereinzug sollte daher fraglich sein. Während die NPD noch vor fünf Jahren mit 0,1% Prozent nur denkbar knapp an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, dürfte das Erstarken der AfD mittlerweile dazu geführt haben, dass die Partei mit Sachsen auch ihre letzte größere Basis verloren hat.
Einigen Besuchern des Dresdner Stadtfestes sollte am Freitagnachmittag dennoch eine ungewöhnliche Gruppe aufgefallen sein. Die fünf Männer trugen rote Warnwesten, auf denen „Schutzzone“ zu lesen war. Ein Blick auf Facebook bringt Klärung. Unter dem Slogan „Schutzzonen schaffen“ findet sich eine Kampagnenseite, die seit über einem Jahr von der NPD betrieben wird. Laut Aussage der Partei soll „die massive Zunahme von Gewaltkriminalität und Einbrüchen und der gleichzeitige Abbau von Polizeistellen […] zur weitgehenden Kapitulation des Rechtsstaats geführt“ haben. Mit „Bürgerwehren“, „Telefonketten“ oder „Schulwegwachen“ werden auf der Seite Beispiele genannt, wie eine Schutzzone aussehen kann. In Dresden gab es bisher vor allem in Prohlis und Gorbitz Aktionen im Rahmen der Kampagne. Eine weitere Schwerpunktregion ist Döbeln-Roßwein, wo der mehrfach wegen Diebstahls und Drogenschmuggels verurteilte NPD-Stadtrat Stefan Trautmann regelmäßige Patrouillen organisiert.Bisher haben die Aktivitäten allerdings wenig Aufmerksamkeit erzeugt. Durch die personellen Probleme der NPD, sind die sogenannten Schutzzonen häufig nicht mehr als Fototermine.
Auch die Bilder der Stadtfestgruppe fanden sich schnell auf der Facebookseite der sächsischen NPD wieder. Unter anderem ist darauf der Landesvorsitzende der NPD Jens Baur zusehen. Baur tritt für die Partei zur anstehenden Landtagswahl am 1. September auf Listenplatz eins an. Es war nicht das erste Mal, dass der 40-Jährige an einer Streife der Schutzzone teilnahm. Nach mehreren Ankündigungen, im Sommer 2018 durch Dresden Gorbitz patrouillieren zu wollen, musste Jens Baur im Polizeirevier Schießgasse vorstellig werden. Dort erhielt der ehemalige Landtagsmitarbeiter eine Gefährderansprache, da die geplanten Patrouillen „Schutzzonen“ von den sächsischen Behörden als Gründung einer Bürgerwehr gewertet wurde. Ebenso wurde das vermutete Gewaltpotential der Aktionen als Anlass für die Ansprache genannt: „Aus polizeilicher Erfahrung mit Gruppen von bürgerwehrähnlichem Charakter sind gruppendynamische Prozesse möglich, in deren Folge Gewalt entsteht“, so Dresdens Polizeipräsident Horst Kretzschmar damals in einer Pressemitteilung.
Ob die Polizei Sachsen auch ein Jahr später bei der Gruppe zum Stadtfest aktiv wurde, ist nicht bekannt. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses gab es keinerlei Informationen seitens der Pressestelle. Auf mehrere an die Polizei Sachsen gerichtete Kommentare in sozialen Netzwerken reagierte diese nur, in dem sie darauf verwies, sich künftig direkt an die 110 zu wenden, da alles andere nur unnötig verzögern würde.
In den vergangenen Jahren gab es während des Stadtfestes immer wieder Übergriffe gegenüber Geflüchteten sowie alternative Menschen. 2016 griff eine Gruppe Nazis mindestens vier Menschen aus rassistischen Motiven heraus an und verletzte diese schwer. Besondere Brisanz hatte der Fall damals durch das Verhalten der Dresdner Polizei bekommen, die zunächst von einer „Schlägerei unter Nordafrikanern“ gesprochen hatte. Erst als einige Tage später das Operative Abwehrzentrum (OAZ) die Ermittlungen übernahm, korrigierte sie die Meldung und ermittelte in Richtung eines „fremdenfeindlichen Hintergrunds“. Im Nachgang stellte sich heraus, dass eine bis zu 20 Mann starke Gruppe am Abend regelrecht Jagd auf Geflüchtete gemacht haben soll. Bei den Männern handelte es sich um Teile der Freien Kameradschaft Dresden, die besonders 2015 für eine Vielzahl für rassistischer Straftaten verantwortlich war. Zur Zeit werden die Taten vor dem Landgericht Dresden verhandelt. Besonders für den stadtbekannten Nazi Christian Leister könnten die Vorwürfe erhebliche Haftstrafen zur Folge haben. Der 29-Jährige wurde wegen versuchten Mordes angeklagt.
Titelbild: @Moothen
Veröffentlicht am 19. August 2019 um 18:11 Uhr von Redaktion in Nazis