HÖRT DIE SIGNALE. Eine Ausstellung an der HfBK Dresden über die Situation an der Hochschule 1933 – aber nicht nur!
5. September 2019 - 17:23 Uhr
Gastbeitrag von Hélène Distel
Die Kunstakademie in Dresden machte diesen Sommer dank einer erfreulich engagierten Studierendenschaft schon auf sich aufmerksam: Wochenlange Proteste, ausgelöst durch die Kandidatur der Bibliotheksleiterin auf einer Liste der AfD und eine breite Diskussion über die kulturpolitischen Position ebendieser Partei erfuhren bundesweite Aufmerksamkeit. Die Ausstellung „Hört die Signale„, die Studierende in einem Seminar erarbeiteten, beschäftigt sich zwar in erster Linie mit historischen Ereignissen, beweist aber deren Aktualität und die Relevanz zeitgenössischen, politischen Engagements gegen rechte Kulturpolitik und dererlei Positionen im Ganzen.
Kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im März 1933 soll auch an der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) die Hakenkreuzflagge bei einer feierlichen Zeremonie gehisst werden. Die Zeitung Der Freiheitskampf kommentiert begeistert: „Ein dreifaches, weit über das Elbtal hinhallendes Sieg-Heil auf den Führer und das Horst-Wessel-Lied schlossen die Feiern ab.“ Was an der Brühlschen Terrasse noch als Propagandaveranstaltung erfolgreich durchgeführt wird, wird am nächsten Tag am Standort Güntzstraße durch den Protest von Studierenden gestört: Im Treppenhaus stimmen einige Studierende und zwei Ehemalige die Internationale an. Dieser Akt des Widerstandes ist Ausgangspunkt für die aktuelle Ausstellung. In Archiven und alten Immatrikulationsbüchern versuchten die Seminarteilnehmerinnen und Teilnehmer dieses Sommersemesters herauszufinden, wer die widerständigen Studierenden waren und welche Konsequenzen ihnen drohten. Aber die Ausstellung geht weit darüber hinaus: Sie nimmt in den Blick, wie sich die kulturpolitische Situation in den 1930er Jahren darstellte, dass in der keinesfalls unschuldigen „Kunst- und Kulturstadt“ Dresden schon weit vorher völkische Kunstbünde ihr Unwesen trieben und stellt die Frage, wie den widerständigen Studierenden und allen anderen, vom NS-Regime Verfolgten und Ermordeten, angemessen gedacht werden kann.
Erste Schritte sind an der HfBK schon getan. Am Tag der Eröffnung hissten die Studiernden an der Güntzstraße zwei Flaggen: „In Gedenken an alle Studierenden der Kunst- und Kunstgewerbeakademie, die der nationalsozialistischen Politik zum Opfer gefallen sind“ und „In Gedenken an alle Studierenden der Kunst- und Kunstgewerbeakademie, die sich der nationalsozialistischen Politik widersetzt haben“. Zudem sind auch nach Ausstellungsende in den Treppenhäusern von Güntzstraße und Brühl die handschriftlichen Namen der Studierenden zu lesen, die sich damals zu der Aktion bekannt hatten. Eine entsprechende Akte wurde im Hauptstaatsarchiv Dresden entdeckt.
Einige dieser Studierenden gehörten progressiven Künstlervereinigungen der Zeit wie der ASSO (Assoziation revolutionärer Bildender Künstler), der Dresdner Sezession 1919 und der Brücke an. Dennoch kam die rasche Faschisierung der Hochschule nicht von ungefähr: Schon seit der Weimarer Republik konnten sich in Dresden rechte und völkische Kunstbünde etablieren. An der Wand der Ausstellung ist zu lesen: „Dix nervt“ und „Keine Sau braucht Hellerau“ – eine Anspielung und zeitgenössische Interpretation damaliger völkischer Umtriebe. Figuren wie die rechte Kunsthistorikerin Bettina Feistel-Rohmeder oder der spätere Rektor der HfBK, Richard Müller, wollten mit der „Deutschen Kunstgesellschaft“ (DKG) dem „Verfall deutscher Kunst“ entgegenwirken. Später folgte eine der ersten Ausstellungen „entarteter Kunst“, die am 23. September 1933 im Lichthof des Neuen Rathauses eröffnet wurde. Richard Müller war an deren Organisation genauso beteiligt wie der damalige Oberbürgermeister Ernst Zörner und die Künstler Walter Gasch und Willy Waldapfel. In der Ausstellung lässt sich anhand von Akten auch nachvollziehen, wie die Umstrukturierung der HfBK intern ablief, wie Professorinnen und Professoren denunziert wurden, Studierende wegen „marxistischer Tätigkeiten“ unter Verdacht standen – und nicht zuletzt, wie sich 18 der widerständigen Studierenden schließlich auf Druck der Hochschule freiwillig meldeten, an der Widerstandsaktion beteiligt gewesen zu sein: Hans Hagen, Gerhart Wendisch, Fritz Hinze, Kurz Straube, Herbert Zehrer, Alberts Zschaber, Gudrun Landsberger, Rudolf Faulian, Kurt Röthig, Rudi Reuther, Helmut Schuhmann, Walter Rietschel, Richard Warnack, Herbert Edler, Werner Raue und Hans Schreiber. Herzstück der Ausstellung bildet eine Gedenkwand, welche die Rechercheergebnisse von über 200 Biografien dokumentiert. Es handelte sich dabei um jene Studierenden, die aus unterschiedlichen Gründen von der Kunsthochschule im Jahr 1933/34 verschwanden. Unterschiedlich weit ragen deren Namenstäfelchen in den Raum, je nach Kenntnisstand über die Gründe der Exmatrikulation.
Nicht zufällig findet die Ausstellung im Senatsaal statt – dem Raum, in dem die NS-Dekoration unter der heutigen Farbe erst in den 1990er Jahren noch einmal zum Vorschein kam, als der Künstler Olaf Holzapfel nach einer Ausstellung die Wand abspachtelte. Rektor Rainer Hirsig organisierte 1994 eine Ausstellung mit dem Fokus auf Otto Dix, als bei der Renovierung die alten Symbole zum Vorschein kamen. Seitdem beschäftigte sich die Hochschule im Rahmen des 250-jährigen Jubiläums sowie aktuell im Rahmen des Projektes „Körper und Malerei“ mit ihrer Vergangenheit und den Ungereimtheiten der NS-Jahre, etwa in Hinblick auf die anatomische Sammlung. In Interviews innerhalb der Ausstellung kommen auch die Archivarin der HfBK, Dr. Simone Fugger, und die Studierenden selbst zu Wort: „Ich gehe jetzt ganz anders durch die Räumlichkeiten“ sagt eine Studentin. Eine andere betont die zeitgenössische Relevanz dieser historischen Auseinandersetzung. Nicht nur das übervolle Gästebuch mit begeisterten Kommentaren zeugt davon, dass diese Ausstellung ein wichtiges Puzzleteil Dresdner Geschichte ist. Indem erschreckend deutlich die Parallelen zur kulturpolitischen Position der AfD erkennbar sind, bezieht diese Ausstellung Position in Hinblick auf heutige Fragen. Im Faltblatt zur Ausstellung schreiben die Seminarleiterinnen (Irène Mélix/Friederike Sigler): „Mit Erschrecken müssen wir feststellen, dass heute wieder von (kultur-)politischen Veränderungen die Rede ist, deren Parallelen zum NS-Regime nicht zu übersehen sind. Die Geschichte lehrt uns, dass rechte und völkische Kunstanschauungen immer Ausdruck rassistischer und faschistischer Politiken sind. Die Freiheit der Kunst hingegen war in der Geschichte stets nur in Gesellschaften gegeben, die für ein solidarisches Miteinander und gegen Ausgrenzung stehen. Und nur in einer solchen Gesellschaft wollen wir leben“.
Veröffentlicht am 5. September 2019 um 17:23 Uhr von Redaktion in Kultur, Nazis