Gruppe Freital – Was wusste der Sächsische Verfassungsschutz?
19. November 2016 - 00:14 Uhr - 3 Ergänzungen
Nach der Berichterstattung in der vergangenen Woche hat die Generalbundesanwaltschaft am Dienstag in einer Pressemitteilung die Anklageschrift gegen die „Gruppe Freital“ veröffentlicht. Den insgesamt acht Mitgliedern wird darin vorgeworfen, spätestens im Juli 2015 eine rechtsterroristische Vereinigung gegründet zu haben. Nach Auffassung der Generalbundesanwaltschaft war es das Ziel der Gruppierung, mit Sprengstoffanschlägen auf Asylunterkünfte, sowie Wohnungen, Büros und Fahrzeuge politisch Andersdenkender ein „Klima der Angst“ zu erzeugen. Den für die Anschläge notwendigen Sprengstoff hatte sich die Gruppe zuvor in Form von pyrotechnischen Erzeugnissen in Tschechien besorgt und illegal nach Deutschland gebracht. Die sieben Männer und eine Frau sitzen noch immer in Untersuchungshaft und warten derzeit auf ihren Prozessbeginn.
Nachdem innerhalb der Gruppe im September 2015 darüber nachgedacht wurde, Rohrbomben zu bauen, hatte einer der mutmaßlichen Rädelsführer, Patrick Festing, bereits zwei Monate später die dafür notwendigen Bauteile beschafft. Gemeinsam mit Timo Schulz soll Festing „maßgeblich für die Planung und Organisation der von der ‚Gruppe Freital‘ verübten Anschläge verantwortlich“ gewesen sein. Neben dem Überfall auf ein alternatives Wohnprojekt in Dresden-Übigau und einem Sprengstoffanschlag auf eine Asylunterkunft in Freital-Zauckerode wird die Gruppe für drei weitere Anschläge verantwortlich gemacht. Wenige Tage nach dem Sprengstoffanschlag, bei dem in der Nacht auf den 1. November 2015 ein 26 Jahre alter Mann durch Glassplitter im Gesicht und Auge verletzt worden war, hatten Ermittler neun Wohnungen in Freital und Dresden durchsucht und drei Verdächtige festgenommen.
Bei ihrem ersten Anschlag sollen drei der Angeklagten gemeinsam mit zwei weiteren Beschuldigten in der Nacht des 27. Juli das Auto des Fraktionsvorsitzenden der Linken im Freitaler Stadtrat mit Sprengstoff schwer beschädigt haben. Durch die Explosion war auch an zwei daneben geparkten Fahrzeugen erheblicher Sachschaden entstanden. Knapp zwei Monate später soll Patrick Festing gemeinsam mit einer weiteren bislang nicht identifizierten Person aus der Vereinigung das Küchenfenster und den Rahmen einer mit Geflüchteten bewohnten Unterkunft mit Sprengstoff zerstört haben. Wenige Stunden darauf detonierten in den Abendstunden des 20. Septembers pyrotechnische Sprengkörper vor einem Bürgerbüro der Linken in Freital und zerstörten eine Fensterscheibe.
Liebe @PolizeiSachsen
Bürgerwehr Freital rufen wiederholt zu Gewalt auf. Hinter der BW stecken Philli Wendlin und Timo Schulz. #servicetweet— Diana (@B_Kedvesem) 23. August 2015
Für Aufregung sorgten in den zurückliegenden Wochen Berichte des Spiegels, wonach staatliche Behörden schon zwei Tage nach dem Angriff auf das Wohnprojekt in Übigau einen Informanten im Umfeld der Gruppe gehabt haben sollen. Das zumindest habe die Auswertung eines Handys durch das Bundeskriminalamt (BKA) ergeben. Nachdem der Sächsische Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) am 28. April in einer Sondersitzung des Verfassungs- und Rechtsausschusses im Sächsischen Landtag mitteilte, dass es keinen Informanten aus den Reihen des Verfassungsschutzes gegeben habe, wurde nach den neuen Hinweisen am Donnerstag auf Antrag der Linken erneut eine Sondersitzung einberufen.
In der Sondersitzung musste die Landesregierung schließlich doch einräumen, dass der Sächsische Verfassungsschutz (LfV) im Oktober 2015 Kontakt zu einer Person im Umfeld der Gruppe hatte. Demnach soll der Hinweisgeber zunächst als Zeuge für den Überfall über die Polizei mit dem Verfassungsschutz zusammengebracht worden sein. Im Gegenzug war ihm durch Polizei und Staatsanwaltschaft Vertraulichkeit zugesichert worden. Da der Zeuge, wie sich später herausstellte, allerdings auch Mittäter sein soll, war dieses Zugeständnis im Juli 2016 durch die Generalbundesanwaltschaft wieder aufgehoben worden. Hätte also möglicherweise der folgenschwerste Anschlag in Zauckerode verhindern werden können? Mit der Beantwortung dieser und weiterer offener Fragen will sich der Ausschuss in der kommenden Woche noch einmal beschäftigen.
Veröffentlicht am 19. November 2016 um 00:14 Uhr von Redaktion in Nazis
Es ist erstaunlich, dass in Sachsen insgesamt immer wieder von Polizisten als Mitglieder dieser Gruppen die Rede ist, aber diese Beamten dann nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Es ist allgemein bekannt, dass es solche Polizisten tatsächlich gibt.