Elsterwerda: „Kameraden. Wir sterben aus.“
18. Mai 2010 - 09:31 Uhr
„Kamerad Felix von der JN Leipzig“ muss es wissen. Seinem Redebeitrag auf dem Denkmalsplatz in Elsterwerda, den er so dramatisch begann, lauschen nur knapp 70 Neonazis und weitere AnwohnerInnen. Erwartet hatten die Organisatoren der Demonstration, die NPD Lausitz, 200 TeilnehmerInnen.
Unter dem Motto „Arbeit statt Abwanderung! Gegen Globalisierung und Kapitalismus!“ wollten der lokale NPD- und JN- Kreisverband anknüpfen an die derzeit in der neonazistischen Szene laufende „Volkstod-Kampagne“. Für die in weiten Teilen Ostdeutschlands verbreitete Situation, gekennzeichnet von Abwanderung, Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit, haben die Neonazis die Schuldigen ausgemacht: „Die Demokraten bringen uns den Volkstod!“ lautet die Kernparole der so genannten Kampagne.
In Sachsen besetzen Neonazis das Thema erfolgreich mit einer starken Wirkung in die Szene. Zuletzt zogen am 1. Mai knapp 400 Neonazis durch Hoyerswerda mit der Parole „Volkstod stoppen“. Währenddessen zeigen ihre südbrandenburgischen Kameraden deutlich weniger Interesse am Thema. Nicht einmal mit der Hälfte der erwarteten TeilnehmerInnen konnte der Veranstaltungsleiter und NPD Kreisverbandsvorsitzende Ronny Zasowk in Elsterwerda aufwarten. Unter den Angereisten reiht sich eine Vielzahl Neonazis aus anderen Bundesländern ein. Neben den „Freien Aktivisten Bautzen“ sind auch NPD-Kader aus Ostsachsen gekommen, genauso wie Neonazis aus Dresden und Leipzig. Selbst aus Bayern hat der „Nationale Stammtisch a.d. Regnitz“ VertreterInnen um den NPD-Kader Ralf Ollert gesandt.
Sie lauschen den Reden von Ronny Zasowk, Felix S. aus Leipzig und Pierre Dornbrach, dem regionalen „Stützpunktleiter“ der JN Lausitz. Der ursprünglich als Redner angekündigte sächsische Landtagsabgeordnete der NPD, Jürgen W. Gansel, war gar nicht erst erschienen.
Ein Aktionsbündnis gegen den Neonaziaufmarsch hatte sich im Vorfeld dafür ausgesprochen, die Neonazis mit Ignoranz zu strafen und ihnen die „kalte Schulter“ zu zeigen. Mit mäßigen Erfolg. Gleich Dutzende BürgerInnen, die am Rand gewartet haben, begleiten den Aufzug durch weitgehend unsanierte Nebenstraßen. Bei der ersten Kundgebung eilt ein Neonazi aus der Demonstration zu einer Frau am Rand. Er begrüßt sie mit Kuss auf die Wange und führt ein kurzes Gespräch mit ihr. Dann reiht er sich wieder in der Kundgebung ein. Die PassantInnen, vielfach junge Frauen mit Kindern, machen weniger den Eindruck, als wären sie „interessierte Anwohner“, wie die NPD sie sich gerne wünscht. Vielmehr wirken sie wie SympathisantInnen, die „ihre Männer“ in der Demonstration „kämpfen“ lassen, während sie die Zaungäste bilden.
Ein zeitgleich auf dem Marktplatz stattfindender Skatercontest einer „Innovativen Jugend Elsterwerda“ hatte immerhin verhindert, dass die Neonazis durch die Innenstadt von Elsterwerda, wie ursprünglich geplant, ziehen konnten.
Quelle: Recherche Ost (15.05.10)
Veröffentlicht am 18. Mai 2010 um 09:31 Uhr von Redaktion in Nazis