Nazis

Akzeptanz und Zugeständnisse für PEGIDA

17. Dezember 2014 - 18:06 Uhr - 4 Ergänzungen

Während in der Dresdner Innenstadt wieder tausende Menschen demonstrierten, zogen am Montagabend mehr als 50 Menschen mit Flugblättern durch den Stadtteil Gorbitz, wo es in der jüngeren Vergangenheit mehrfach zu gewalttätigen Angriffen auf Asylsuchende gekommen war. Auslöser des Stadtteilspaziergangs war ein Brandanschlag auf drei Hauseingänge in der Sanddornstraße am vergangenen Wochenende. In den betroffenen Eingängen wohnen zum Teil Asylsuchende, weshalb eine rassistische Motivation der Tat nicht ausgeschlossen werden darf. Vor allem die gefühlte Bedrohung für die geflüchteten Menschen dürfte sich nach einem durch einen 20-Jährigen versendeten Drohbrief im November und den vorangegangenen Hakenkreuzspühereien mit den Bränden noch einmal drastisch verschärft haben. Am Rande des Spaziergangs wurden mehrere tausend Handzettel in die Briefkästen der Gorbitzer Wohnblöcke verteilt, um die Anwohnerinnen und Anwohner über die jüngsten rassistischen Vorfälle in ihrem Stadtteil zu informieren und zur praktischen Solidarität mit den Betroffenen anzuhalten. Der überwiegende Teil der angesprochenen Passantinnen und Passanten zeigte sich offen und interessiert am Geschehen und schockiert über die Vorfälle. Vor allem in Zeiten immer größer werdender rassistischer Mobilisierungen im Stadtzentrum, kann eine lebendige Stadtteilkultur, in Form von gemeinsamen Veranstaltungen und Treffen, ein wichtiges Beispiel für gelebte Solidarität geben.

Zum gleichen Zeitpunkt waren wie schon in der Woche zuvor etwa 1.500 Menschen einem Aufruf von „Dresden Nazifrei“ gefolgt und hatten sich auf dem Schlesischen Platz vor dem Neustädter Bahnhof versammelt, um anschließend gemeinsam bis zur Kundgebung von „Dresden für alle“ auf dem Theaterplatz zu laufen (Bilder 1 | 2 | 3). Nach mehreren Redebeiträgen ging es weiter über den Postplatz und von dort bis vor das Neue Rathaus in unmittelbarer Entfernung zur hermetisch von der Polizei abgeriegelten Auftaktkundgebung der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Mit rund 7.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern beteiligten sich am Montag allerdings deutlich weniger Menschen an den Protesten, als noch in der Woche zuvor. Dennoch gab zumindest die personelle Zusammensetzung der Demonstration auch ein wenig Anlass zur Hoffnung. Im Unterschied zu der überwiegend männlich dominierten PEGIDA-Veranstaltung nahmen neben kleinen Teilen der Zivilgesellschaft und Studierenden auch zahlreiche Schülerinnen und Schüler an dem bunten Aufzug durch die Innenstadt teil. Nach kurzem Protest in Hör- und Sichtweite endete der Abend schließlich mit einer großen Abschlusskundgebung auf dem Dresdner Theaterplatz.

Bei PEGIDA selbst war das gewohnte Bild zu sehen. So dürfte nicht zuletzt die bundesweite Diskussion in der letzten Woche über den richtigen Umgang mit den selbsternannten Rettern des Abendlandes für den Mobilisierungserfolg eine tragende Rolle gespielt haben. An den Redebeiträgen jedenfalls sollte es nicht gelegen haben. Nach der an diesem Montag etwas kürzer ausgefallenen Ansprache des mehrfach vorbestraften Mitveranstalters Lutz Bachmann, in dem er über seinen Traum von einer Übernahme der Macht durch das Volk in ganz Europa redete und mit dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine erneut ein neues Thema aufmachte, begeisterte Kathrin Oertel vom Organisationsteam mehr schlecht als recht mit verbalen Angriffen auf Medien, etablierte Parteien und eine, ihrer Ansicht nach, zu lasche Asylpraxis die nach Polizeiangaben rund 15.000 Menschen. Das einst zentrale Thema Glaubenskriege jedoch, wurde in den Reden nur am Rande erwähnt. Auch die von Bachmann zu Beginn erwähnten „durch Störer eingeschmuggelten verfassungsfeindlichen Plakate“, konnten nicht ausgemacht werden. Vielmehr dominierten Deutschlandfahnen und selbstgemalte Transparente die gespenstische Szenerie. In den Redebeiträgen wurde immer wieder unter dem tosenden Applaus der Menge mit klaren Feindbildern gegen all jene Menschen gehetzt, welche nicht in das Weltbild der Veranstalter passen. Der Aufzug endete schließlich gegen 20.30 Uhr ohne besondere Vorkommnisse in einem Polizeikessel auf der Lennéstraße.

Obwohl die Verantwortlichen von PEGIDA in den letzten Wochen immer wieder gegen die Politik im Land hetzten, dürften sie mit der seit August im Sächsischen Landtag vertretenen rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“ (AfD) inzwischen einen parlamentarischen Ableger gefunden haben der bereit ist, nun auch offen ihre Positionen zu vertreten. So sprangen in medialen Talkrunden sowohl Parteichef Bernd Lucke als auch die Fraktionsvorsitzende der sächsischen AfD, Frauke Petry, als Ersatz für PEGIDA ein, die es noch immer vorziehen, jeder öffentlichen Debatte aus dem Weg zu gehen. Es verwundert also kaum, wenn Petry mittlerweile das zwölfköpfige Organisationsteam für Januar zu einem Gespräch in die Räumlichkeiten des Sächsischen Landtag eingeladen hat. Während Petry die „Überparteilichkeit“ von PEGIDA als Grund dafür nannte, nicht an der Demonstration teilzunehmen, zeigte sich am Montag zum ersten Mal auch ein Landtagsabgeordneter ihrer Partei auf der Veranstaltung. „Von der Dresdner Demonstration habe ich einen sehr guten Eindruck.“ äußerte sich das langjährige Mitglied der CDU, Alexander Gauland. „Nazis in Nadelstreifen“ habe er, im Gegensatz zu Niedersachsens Innenminister Ralf Jäger (SPD), jedoch keine gesehen. Neben Gauland und zahlreicher NPD-Parteiprominenz beteiligte sich auch der FDP-Stadtratsabgeordnete Jens Genschmar an der Demonstration.

Zur Frage des Dialogs hatten sich in der vergangenen Woche mehrere Positionen erkennen lassen, die zugleich auch ein Beleg für die Hilflosigkeit der Politik im Umgang mit PEGIDA sind. Nachdem der Leiter der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (SLpB), Frank Richter, ebenso wie der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt schon seit Wochen gebetsmühlenartig Dialogbereitschaft signalisieren, sind inzwischen vermehrt aus den Reihen der Unionsparteien Stimmen laut geworden, die das Gespräch mit PEGIDA suchen wollen. Ganz anders hingegen verhalten sich die Grünen. Ihr Bundesvorsitzender Cem Özdemir rief in einem Interview mit dem ARD-Morgenmagazin die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von PEGIDA dazu auf, sich mit den Initiatoren der islamfeindlichen Proteste auseinanderzusetzen und warnte vor einer Instrumentalisierung der Proteste. Bachmann hatte bei Facebook zuvor die „standrechtliche Erschießung“ der Grünen-Politikerin Claudia Roth gefordert. Für Aiman Mazyek, dem Vorstandsvorsitzenden des Zentralrates der Muslime in Deutschland, zeigen die allwöchentlichen Veranstaltungen, dass viele Menschen Angst um ihre Zukunft hätten und nun nach Sündenböcken suchen.

„Die Menschen im Osten haben sehr wenige Erfahrungen mit Menschen anderer Kulturen und anderer Religionen. Da entstehen Ängste umso leichter. Die Bevölkerung antizipiert durch ihre Proteste eine Problemwelle, die vermeintlich auf sie zukommt. Außerdem sehen die Sachsen ja, wie es in Kreuzberg oder in einigen Ruhrgebietsstädten aussieht. Sie befürchten jetzt, dass ähnliche Zustände in Sachsen drohen.“ Frank Richter (SLpB) gegenüber der Tagesschau

Die Position von „Dresden Nazifrei“ hingegen ist klar. Das Bündnis sprach sich in einer Stellungnahme für einen Dialog als wesentlichen Bestandteil demokratischer Diskussionskultur aus und forderte die Politik dazu auf, sich zunächst mit Asylsuchenden darüber auszutauschen, wie die Situation in der Stadt besser zu Gunsten einer Willkommenskultur verändert und was konkret für geflüchtete Menschen getan werden kann. Wenngleich das Bündnis einen Dialog mit den auch an diesem Montag wieder zahlreich vertretenen Nazis und Hooligans sächsischer Fußballvereine ablehnte, setzten sie sich für einen Dialog mit „besorgten Bürgerinnen und Bürgern“ ein. „Ein Dialog, der versucht aufzuklären, Relationen zurechtzurücken, Unwahrheiten richtigzustellen und Vorurteile abzubauen [kann] nicht in einem großen, öffentlichen Rahmen stattfinden“, sondern muss dort geführt werden, „wo wir auf diese Menschen treffen: auf Arbeit, im Verein, in der Schule, an der Käsetheke oder auf der Parkbank“. Zuguterletzt legte Marko Schmidt vom Sächsischen Flüchtlingsrat im MDR insgesamt drei Stufen des Dialogs dar: 1) Gespräche mit den von Ausgrenzung betroffenen Menschen 2) Beantwortung von Fragen, um damit Menschen Unsicherheiten und Ängste zu nehmen 3) Dialog mit PEGIDA-Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Als mögliche Orte des Dialogs kämen beispielsweise Dresdner Kirchen in Frage.

Zeitgleich mit PEGIDA kamen ebenfalls am Montag im 30 Kilometer von Dresden entfernten Großröhrsdorf etwa 400 Menschen zu einer durch den ehemaligen Radeberger NPD-Stadtrat Simon Richter angemeldeten rassistischen Kundgebung. Nach einem Redebeitrag von Richter äußerten sich Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt einmal mehr in diesen Tagen besorgt über die Zustände in einer als Unterkunft für Asylsuchende umfunktionierte ehemalige Turnhalle. Parallel dazu versammelten sich Bürgermeisterin Kerstin Ternes und Pfarrer Stefan Schwarzenberg gemeinsam mit rund 100 Menschen mit einer Lichterkette zu einer Mahnwache (Video). Erst in der letzten Woche hatte der Ort von sich reden gemacht, nachdem sich ein Übergriff durch einen Asylsuchenden auf einen 23jährigen Einwohner der Stadt als erfunden herausgestellt hatte. Die Reihe rassistischer Mobilisierungen setzte sich indes auch am Dienstag fort. So zogen am Dienstag fast 100 Menschen durch das westlich von Dresden gelegene Wilsdruff, um damit ein Zeichen gegen die ihrer Meinung nach „völlig verfehlte Einwanderungspolitik“ zu setzen.

Weiterer Artikel: Pegida passt nach Sachsen


Veröffentlicht am 17. Dezember 2014 um 18:06 Uhr von Redaktion in Nazis

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