Kultur

Sächsische Zeitung verharmlost rechte Gewalt

1. September 2010 - 06:11 Uhr - Eine Ergänzung

In der Dienstagsausgabe der Sächsischen Zeitung erschien ein Artikel, der eine polizeiinterne Statistik von rechten und linken Straftaten auswertete. Das Fazit war, dass Linke in Dresden gewaltbereiter seien. Im aktuellen Kontext, nachdem es innerhalb von zwei Wochen drei Brandanschläge, sowie Übergriffe Rechter auf Andersdenkende gegeben hat, ein fatales Signal. „Davon zu sprechen, dass Linke tendenziell gewaltbereiter wären, entspricht nicht der Realität, mit der wir als Opferberatung tagtäglich konfrontiert sind. Es widerspricht auch Studien, in denen die besondere Tatschwere, die brutale und lebensbedrohliche Vorgehensweise rechter Täter festgestellt wird.“ so die Opferberatung der RAA Sachsen in einer eigenen Pressemitteilung.

Es ist schon erstaunlich, dass es lokal nicht wie in anderen Städten üblich zu Forderungen nach einer Aufklärung der Anschläge kommt, sondern stattdessen von SZ-Autor Denni Klein die in Sachsen beliebte Extremismusthese hervorgekramt wird. So bezeichnet er die Landeshauptstadt in seiner Auflistung nach einer Reihe von rechten Brandanschlägen als so wörtlich „Kampfplatz der Desorientierten“. Er leugnet damit nicht nur die tödliche Gefahr, die hinter der menschenfeindlichen Ideologie der Nazis steht, sondern setzt die von Parteien und Initiativen organisierten Aktivitäten, wie etwa die Blockaden tausender Menschen am 13. Februar, mit der flächendeckenden Bedrohung durch rechte Gewalt in Sachsen gleich. Anstatt sich mit den Opfern der Anschläge zu solidarisieren, wirkt es bei ihm so als hätten Linke „zunehmend Freude daran, sich auf [dem] Dresdner Flur auszutoben“ und als wäre ein versuchter Mord an den Bewohnerinnen und Bewohnern der betroffenen Häuser ein Bagatelldelikt. Linke Wohnprojekte, und spätestens da verlässt Klein demokratisches Terrain, sind keine Bereicherung für eine Stadt wie Dresden, sondern ein legitimes Angriffsziel unter politisch „desorientierten“ Jugendlichen.

Wenn es in einer sich nach Außen weltoffenen gebenden Stadt wie Dresden fast zwei Wochen dauert, bis sich die Oberbürgermeisterin zu den Brandanschlägen äußert, dann sollte klar sein, dass die Verantwortlichen in der Stadt seit dem rassistischen Mord an Marwa El-Sherbini im vergangenen Jahr nichts gelernt haben. Damals hatte ein 28jähriger bekennender NPD-Sympathisant im Gerichtssaal des Landgerichtes die schwangere Frau mit 18 Messerstichen buchstäblich hingerichtet. Die Stadt hatte erst Tage später und nach internationalen Protesten auf den Mord reagiert.

In einem abschließenden Kommentar kommt Autor Denni Klein zur kühnen Behauptung, dass die Mehrheit der Dresdner Bevölkerung nicht ausländerfeindlich, nicht rassistisch und nicht antisemitisch sei. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Wahlerfolge rechter Parteien in der jüngsten Vergangenheit, bei der im Superwahljahr 2009 immerhin 100.000 Menschen ihr Kreuz in Sachsen bei der NPD machten. Gleichzeitig wird in wissenschaftlichen Studien zum Beispiel zur „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ des Bielefelder Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung immer wieder auf die verbreiteten Vorurteile und Ressentiments in weiten Teilen der Bevölkerung hingewiesen. In der so genannten „Heitmeyer-Studie“ kamen die Wissenschaftler für Sachsen zu dem Ergebnis, dass mehr als 65% der befragten Personen der These zustimmen, dass zu viele Ausländer in Deutschland leben.

Die mehr als 140 Todesopfer seit der Wiedervereinigung durch rechte Gewalt und zahllose weitere Übergriffe passieren nicht im luftleeren Raum. Sie sind Ausdruck einer tödlichen Ideologie und eines gesellschaftlichen Klimas, das nicht erst seit Thilo Sarrazin geprägt ist von rassistischen Vorurteilen und menschenverachtender Politik. Zu Opfern rechter Übergriffen werden vor allem die Menschen, die aus ideologischen Gründen nicht in das rechte Weltbild passen. In Sachsen wurden seit 1990 insgesamt 12 Menschen aus eben solchen Gründen ermordet. Eines der ersten Todesopfer war der mosambikanische Vertragsarbeiter Jorge Gomondai, der 1990 eine Woche nach einer Auseinandersetzung mit einer Gruppe Nazis in einer Straßenbahn in einem Dresdner Krankenhaus an seinen schweren Kopfverletzungen erlag.

Angesichts dieser Fakten und verharmlosenden Statistiken wie der in einer SPD-nahen Zeitung wird es wohl nur eine Frage der Zeit sein, wann es zu neuen Möglichkeiten für politisch und medial inszenierte Betroffenheit durch die Verantwortlichen in der Stadt kommt. Bis dahin bleibt es so wie es ist, die Opfer rechter Gewalt werden wie so oft mit den Folgen der Übergriffe allein gelassen. Gleichzeitig werden eine Vielzahl von Übergriffen und Anschlägen als Taten „einzelner Verwirrter“ hingestellt. So sieht Dresdner Realpolitik knapp ein Jahr nach dem Mord an Marwa El-Sherbini und 20 Jahre nach dem Mord an Jorge Gomondai aus.

Wer schweigt, stimmt zu!

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Veröffentlicht am 1. September 2010 um 06:11 Uhr von Redaktion in Kultur

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