Lehramt im Königreich Sachsen
24. Januar 2014 - 20:55 Uhr
Am Donnerstag den 15. Januar fand an der TU Dresden die Auftaktveranstaltung der Veranstaltungsreihe „Lehrer werden in Sachsen“ statt. Im Rahmen der Kampagne besucht die Sächsische Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) mit einer Entourage aus MitarbeiterInnen der Sächsischen Kultusverwaltung die Stätten der sächsischen Lehreramtsausbildung in Dresden, Leipzig und Chemnitz, um über den kommenden Generationenumbruch in den Kollegien sächsischer Schulen zu sprechen, politische Entscheidungen zu erklären und auch das Gespräch mit den Studierenden zu suchen. Der Hintergrund der Kampagne ist, dass bis zum Jahr 2030 75% aller jetzigen Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen in den Ruhestand getreten sein werden. Jedes Jahr scheiden bis zu 1.700 Lehrkräfte aus dem Schuldienst aus.
Es bahnt sich also ein akuter Personalmangel im Bereich der Schulbildung an, dem die Politik gern entgegenwirken möchte. Dabei entfällt die Hauptlast der zu bewältigenden Arbeit auf die chronisch unterfinanzierten Universitäten, die für die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer verantwortlich sind. Im Allgemeinen herrscht bei den Lehramtsstudierenden große Konfusion darüber, wie diese politische Richtungsänderung geschehen soll. So wurde die 2007 beschlossene Umstellung der Lehramtsausbildung auf das Bachelor/Master-System inzwischen wieder zurückgenommen und stattdessen ein Hybrid namens Neues Staatsexamen entwickelt. Seitdem existieren drei verschiedene Studiengänge mit verschiedenen Prüfungsordungen und Zuständigkeiten an den Universitäten, was sowohl für Studierende, als auch für die Verwaltung die Studienorganisation unerträglich machen kann. Hinzu kommen die üblichen Probleme eines Studiums in Sachsen – so klagen viele Studierende nicht nur über volle Hörsäle, sondern auch über zu wenige Tutorien und Seminare. Ein Vertreter des Fachschaftsrates der Allgemeinbildenden Schulen der TU Dresden fasst die Misere der Lehramtsausbildung wie folgt zusammen: „Die Sächsische Staatsregierung muss aufhören, sich vor den realen Missständen in Ausbildungs- und Arbeitsverhältnissen zu verschließen. Der Frust an den Universitäten ist groß und staut sich weiter an, wenn nach jahrelangen Reformen und Dauerprovisorien auch noch Aussichten auf schwierige Zugänge zum Vorbereitungsdienst oder zur Einstellung bestehen und wenn man doch Glück hat, schlechte Arbeitsverhältnisse auf einen warten“.
Zu besagter Veranstaltung mit Frau Kurth kamen mehrere hundert interessierte Lehramtsstudierende, um sich selbst ein Bild von der derzeitigen Situation zu machen. In ihrem Eingangsreferat rechtfertigte die Ministerin die Entscheidung aus den 1990er Jahren trotz sinkender Schülerzahlen keine Lehrkräfte zu entlassen, weshalb viele Jahre lang kaum neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt wurden. Es handelte sich damals um eine Absprache mit der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft in Sachsen (GEW). Mittlerweile geht die Gewerkschaft jedoch mit der aktuellen Bildungspolitik hart ins Gericht. Zudem lobte die Staatsministerin das erfolgreiche Abschneiden sächsischer Schülerinnen und Schüler bei nationalen Vergleichen und folgerte daraus, dass das Sächsische Bildungswesen intakt sei. Das ist leider nicht der Fall – die meisten derzeitigen Lehrerinnen und Lehrer an Sächsischen Schulen haben ihre Ausbildung zu DDR-Zeiten erhalten. Die Ergebnisse sind also keineswegs ein Verdienst aktueller Bildungspolitik. Tatsächlich zieht es heutzutage viele Absolventinnen und Absolventen der Lehramtsstudiengänge in andere Bundesländer, gerade weil die beruflichen Perspektiven in Sachsen alles andere als klar sind. Einzig die städtischen Regionen in Sachsen erfreuen sich großer Beliebtheit bei jungen Menschen.
Kaum eine angehende Lehrerin oder ein angehender Lehrer ist gewillt für das Referendariat, dem ein- bis zweijährigen Vorbereitungsdienst, aufs Land zu gehen. Genauso verhält es sich mit den fertig Ausgebildeten. Obwohl Frau Kurth versuchte den Anwesenden den ländlichen Raum schmackhaft zu machen, fand sie keine wirklichen Argumente. Vielleicht hätte die Ex-Lehrerin aus Burgstädt auch einfach eingestehen sollen, dass weite Teile der sächsischen Provinz leider eine kulturelle Wüste darstellen und damit für junge Menschen, heute mehr den je, extrem unattraktive Wohnlagen sind. Später in der Fragerunde merkte Studierendenvertreter David Jugel treffend an, dass es im ländlichen Raum ebenfalls an Verkehrsinfrastruktur mangelt, was potentielle Lehrerinnen und Lehrer davon abhält, aus den städtischen Zentren zu pendeln. Viele, auch größere, Ortschaften mit Schulen sind inzwischen kaum noch an den öffentlichen Nahverkehr angebunden. Dazu kommt, dass immer weniger junge Menschen Lust auf ein eigenes Auto haben und die langen Wege als Berufspendlerinnen und Berufspendler scheuen. Als zweiter Referent sprach Axel Gehrmann vom Zentrum für Lehrerbildung, Schul- und Berufsbildungsforschung (ZLSB). Er lobte den Willen zur Gesprächsbereitschaft der Ministerin und des Sächsischen Kultusministeriums und äußerte den Wunsch, die offiziellen Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung nicht nur einmal alle fünf Jahre zu Gesicht zu bekommen, wie es wohl in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.
Bei der anschließenden, leider recht kurzen, Diskussionsrunde fanden sich neben Kurth und Gehrmann noch der Direktor der Sächsischen Bildungsagentur Béla Bélafi, die Referatsleiterin für Lehrerbildung im Sächsischen Kultusministerium, Petra Zeller, die Direktorin des Sächsischen Bildungsinstituts, Dorit Stenke, sowie der Studendierendenvertreter David Jugel auf dem Podium ein. Die Fragen aus dem Publikum waren durchweg kritisch, konnten aber nur sehr selten zufriedenstellend beantwortet werden. So lautete die Antwort auf die Frage, nach welchen Kriterien Referendariatsplätze verteilt werden , dass die Verteilung sehr schwierig und komplex sei. Warum ein solcher Verteilungsschlüssel nicht einfach transparent gemacht wird, blieb ebenso unbeantwortet, wie die Frage danach, was Sachsen denn zu bieten hat, um die Absolventen zum Bleiben zu bewegen. Stattdessern versuchte Frau Kurth die Frage zu umgehen, indem sie auf Missstände in anderen Bundesländern verwies und speziell Baden-Württemberg als Beispiel übereilter Schulreformen nannte. Im Anschluss wurde der Ministerin ein Positionspapier der Sächsischen Studierendenvertretungen überreicht, welches neben den wichtigsten Kritikpunkte der Studierenden auch konkrete Forderungen beinhaltete.
Als „Auftaktveranstaltung“ hat der Abend große Hoffungen auf einen offenen Dialog zwischen allen Beteiligten geweckt. Es bleibt abzuwarten in wie weit das Sächsische Kultusministerium an einem ernsthaften Meinungsaustausch interessiert ist und wie die Universitäten und Studierenden in Zukunft an politischen Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Vielleicht aber haben für Frau Kurth die Veranstaltung und die 30 Minuten Fragerunde auch ausgereicht, um für die nächsten fünf Jahre wieder hinter geschlossenen Türen zu verschwinden.
Veröffentlicht am 24. Januar 2014 um 20:55 Uhr von Redaktion in Kultur, Soziales