International | Ökologie

Neues Halbleiterwerk in Dresden angekündigt

9. Dezember 2022 - 14:49 Uhr

Rechts im Bild eine Simulation des angekündigten Neubaus

Fünf Milliarden Euro, die größte Einzelinvestition der Firmengeschichte, will der Technologiekonzern Infineon in einen Fabrikneubau am Standort Dresden investieren. Um dieses Vorhaben verwirklichen zu können, brauche es jedoch eine angemessene öffentliche Beteiligung, so zumindest verlangte es der Konzern unlängst. Die Unterstützung für die Ansiedlung von Produktionsanlagen zur Herstellung von Halbleiterchips wurde durch die Europäische Union jüngst im European Chips Act (ECA) geregelt. Die Konsequenzen für Klima und Umwelt spielten dabei sowohl in Brüssel als auch in Dresden eine nachgeordnete Rolle. 

In der Sächsischen Staatskanzlei und im Dresdner Rathaus dürften die Sektkorken geknallt haben, nachdem Infineon die Neuinvestition am Standort Dresden bekannt gab. Bis zu 1.000 neue Mitarbeiter:innen sollen nach Angaben des Konzerns in dem Werk ab 2026 beschäftigt sein und einen Jahresumsatz in Höhe der Investitionssumme erwirtschaften. Produziert werden soll vor allem für die Automobilindustrie und deren Umstellung auf die Elektro-Mobilität. Außerdem benötigt die Verbreitung des „Internet of Things“ (IoT) und der Ausbau erneuerbarer Energieträger massenhaft Halbleiter. Davon verspricht sich Infineon eine langfristige Gewinngarantie. 

Zwar müssen die genauen Modalitäten noch ausgehandelt werden, doch eine öffentliche Beteiligung mit Geldern der Europäischen Union und des Bundes gilt als sicher. In Dresden haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Hersteller und Zulieferer für die Halbleiterproduktion angesiedelt, Konkurrenz in Ostdeutschland ist lediglich vom neu entstehenden Standort der Firma Intel in Magdeburg zu erwarten, wo der Bund ebenfalls bereits Subventionen in Höhe von 6,8 Milliarden Euro zugesagt hat


Läuft bei Infineon, auch Dank großzügiger öffentlicher Förderung. 

Dabei wird die Dynamik, mit der die Ansiedlung neuer Werkanlagen in Europa von statten geht, von der Auseinandersetzung zwischen den USA und China hervorgerufen oder erzeugt. Ausschlaggebend für die Drohungen der Volksrepublik gegenüber Taiwan ist dessen Vorreiterrolle in der Mikrochip-Produktion durch die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC). Deren Vorsprung will China mit dem Aufbau einer eigenen Industrie aufholen. Die USA und die EU haben ihrerseits mit der Ankündigung eigener Milliardeninvestitionen reagiert, um mehr Unabhängigkeit von Importen zu erlangen. Die USA versuchen außerdem China durch Sanktionen vom Handel mit wichtigen Waren zum Aufbau von Industrieanlagen abzuschneiden. 

Der Kampf gegen die Klimakatastrophe bleibt dabei auf der Strecke, kritisiert etwa das Mediennetzwerk Euractiv. Die EU hatte die durch die Halbleiter-Industrie hervorgerufenen Umweltschäden in ihrem ECA-Gesetz gänzlich außen vor gelassen. Dabei seien diese längst vergleichbar mit den verheerenden Folgen der Automobilproduktion. Die TSMC verursacht mit ihrer Produktion laut Euractiv jährlich einen Ausstoß von 15 Millionen Tonnen CO2, gefolgt von Intel. Die derzeit veranschlagten globalen Investitionssummen werden die Halbleiterindustrie bis zur Mitte des Jahrhunderts massiv anwachsen lassen und mit ihr die Kosten für mögliche Umweltschäden.

Ein Blick nach Taiwan

Der Inselstaat Taiwan unterhält eine der größten und modernsten Halbleiterproduktionen der Welt. Die TSMC ist Marktführerin und hält mit 14 Fabriken auf Taiwan einen Anteil von über 50 % an der globalen Produktion . Für das Jahr 2022 veranschlagte das Unternehmen Neuinvestitionen in einer Höhe von 40 Milliarden US-Dollar. Die Halbleiterproduktion hat zu einer massiven Industrialisierung des Inselstaates geführt und gilt gleichzeitig auch als möglicher Garant gegenüber Angriffe der Volksrepublik China.

Taichung, Taiwan - 11/28
Demonstration gegen Luftverschmutzung durch TSMC in Taichung, Taiwan im November 2015.
Quelle: https://www.flickr.com/photos/350org/23301492862/in/photostream/

Von diesen positiven Effekten abgesehen, geht die Produktion von Mikrochips auch mit massiven Umweltzerstörungen einher. So hat sich parallel dazu auf Taiwan auch eine starke Klimabewegung entwickelt. Zwischen 2008 und 2010 entfaltete die neu entstandene Bewegung eine große Kampagne gegen den Neubau eines petrochemischen Werks in der Region Changhua. Neben anderen erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt, wurde damals auch wegen des massiven industriellen Wasserbedarfs gegen den Neubau demonstriert. Im Frühjahr 2021 meldeten Nachrichtenagenturen die schlimmste Dürreperiode Taiwans seit 56 Jahren. Zahlreiche Trink- und Industriewasserreservoire seien auf einem historisch niedrigen Stand, der sich, aufgrund der sich verändernden Wetterbedingungen, auch nicht über den Rest des Jahres erholte.

Ein massiver Treiber des Wasserverbrauchs ist der Chipriese TSMC. So würde etwa eine geplante Anlage des Unternehmens im Hsinchu Wissenschaftspark mit einem Bedarf von 120.000 Kubikmeter Wasser pro Tag den bisherigen Wasserbedarf der dortigen Industrieanlagen verdreifachen. Nachdem die taiwanesische Regierung die Entnahme von Wasser aus Gewässern des Landes im Sommer 2021 untersagt hatte, musste TSMC zur Sicherstellung ihrer Produktion schließlich Wasser ankaufen. In einem Interview berichtet ein Mitarbeiter der Chipindustrie außerdem, Privathaushalten in Taiwan sei zu Gunsten der Industrie an zwei Tagen des Jahres 2021 das Wasser abgestellt worden.

Sachsen investiert in Wasserversorgung

Auch in der Bundesrepublik sind Trockenheit und Dürre seit mehreren Jahren keine Unbekannten mehr. Im Sommer 2022 untersagten alle sächsischen Landkreise die Entnahme von Wasser aus oberirdischen Gewässern.  Die Sächsische Landesregierung stellte außerdem ein Grundsatzpapier zur Wasserversorgung bis 2030 vor und kündigte massiven Investitionsbedarf in den nächsten Jahren an.

In Dresden ist das Unternehmen Sachsen Energie bereits mit dem Neubau von Brunnenanlagen und der Instandsetzung des bestehenden Wasserversorgungsnetzes beschäftigt. Ab 2023 sollen an der Saloppe 15 Brunnen Wasser für den Industriebedarf fördern. So soll eine Trennung von Industrie- und Privathaushaltsbedarf gewährleistet werden

Die trockenen Jahre 2016-2019 trieben den Wasserverbrauch Sachsens in die Höhe.
Quelle: https://www.umwelt.sachsen.de/wasserverbrauch-30927.html

Nicht nur die wachsende Industrie, auch die Bevölkerung der Stadt Dresden hat einen stetig steigenden Wasserverbrauch. Durchschnittlich lag der in den letzten Jahren bei 125.000 Kubikmeter pro Tag, bei einer Förderungskapazität der städtischen Wasserwerke von rund 155.000 Kubikmetern. Die Stadt Leipzig verzeichnete in den letzten zehn Jahren einen Anstieg des pro Kopf Verbrauchs von 86 auf über 100 Liter Wasser täglich, der bundesweite Schnitt liegt derzeit bei etwa 120 Litern. Kontrastiert wird dieses Wachstum von der Klimakrise, deren Verlauf laut Sächsischem Umweltministerium spätestens ab Mitte des Jahrhunderts dazu führen werde, dass weite Teile Sachsens ohne nennswerte Grundwasserneubildung auskommen müssen. 

Einige 100 Kilometer elbabwärts hat in Magdeburg die Diskussion um den Wasserverbrauch der Halbleiterproduktion durch eine Kleine Anfrage der Grünen bereits begonnen. Der dort geplante Intel-Neubau könnte einen Wasserverbrauch von 600.000 Kubikmeter im Monat haben. Wie der gedeckt werden soll, darüber hat sich die CDU-geführte Landesregierung Stand September 2022 offenbar noch keine abschließenden Gedanken gemacht.

Am Standort Dresden soll die Wasserzufuhr für Infineon höchstwahrscheinlich über die neuen Brunnen an der Saloppe gedeckt werden. Diese Form der Industriewassergewinnung bezeichnete Professor Dietrich Borchert vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung im Gespräch mit dem MDR für derzeit unbedenklich. Die Zunahme von Trockenheit in den letzten Jahren sei kein grundsätzlicher Einwand gegen die Ansiedlung neuer Industrieanlagen. Diese Einschätzung koppele sich allerdings an die Einhaltung des 1,5 Grad Ziels. Je stärker dieses Ziel verfehlt würde, desto wahrscheinlicher würden die Prognosen, dass Dürrejahre wie 2018 und 2019 zu Normaljahren werden könnten.

Die Kehrtwende wagen

Die Emissionen des digitalen Sektors machen schon heute einen größeren Anteil an den CO2-Emissionen aus, als beispielsweise der globale Luftverkehr, Tendenz steigend. Dabei ist diese Zahl allein anhand des Betriebs technischer Geräte ermittelt worden und müsste eigentlich um die Umweltkosten der Produktion aller Geräte erweitert werden. Zu dieser Produktion gehört zuvorderst auch die Chipindustrie, die damit zu einem wichtigen Treiber für die Erderwärmung wird. All das kommt in der Investitionsoffensive der Europäischen Union nicht vor, die ihren Beitrag zum globalen Wachstum der Halbleiterproduktion leisten soll und wird. 

Vortrag von Tilman Rüsch zu den Umweltauswirkungen moderner Technik auf der Bits & Bäume Konferenz 2022.
Quelle: https://fahrplan22.bits-und-baeume.org/bitsundbaeume/talk/PWAHUU/

Bei den Protesten in Taiwan zwischen 2008 und 2011 war der Chinesische Weiße Delphin, eine besonders bedrohte Art, die durch den Industrieneubau an den Rand der Ausrottung getrieben worden wäre, ein wichtiges Symbol. Der Vizepräsident der prochinesischen Partei Kuomitang sagte damals, die Delphinart könne durch ihre ausgeprägte Fähigkeit U-Turns auszuführen, der Umweltzerstörung einfach entgehen und machte sich so zur Zielscheibe für den Spott der Klimabewegung. 

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Anti-Kuokuang Demonstrant:innen mit dem Delphin als Protestsymbol.
Quelle: https://www.flickr.com/photos/wildfun/5171850394/in/photostream/

Eine Kehrtwende hinlegen muss nicht der Delphin, sondern die Ausrichtung der deutschen Politik. Alle bisherigen Versuche der Klimakatastrophe beizukommen, etwa die Forcierung auf Elektro-Mobilität und Digitalisierung, werden ins Leere laufen oder eher noch zu ihrer Verschärfung führen. Gerade die häufig beschworenen, positiven Effekte von neuen Technologien verkehren sich in ihr Gegenteil, solange kontinuierliches Wirtschaftswachstum angestrebt wird. All diese Technologien gehen mit einem massiven Bedarf an Ressourcen – Wasser, Energie, Metallen und seltenen Erden – einher, deren Förderung auf wachsendem Niveau die Einsparungen durch Recycling und Wiederaufbereitung zunichte machen. 

Das neue Chipwerk von Infineon stellt einen weiteren Baustein der irrationalen Ausrichtung auf Wachstum dar. Alle positiven Effekte – etwa die Entstehung neuer Arbeitsplätze, eventuelle Verkürzung von Lieferketten, die Einhaltung europäischer Umweltstandards oder die Unabhängigkeit von diktatorischen Regimen – können nicht aufwiegen, was es zerstören wird. 

Bildquelle: Infineon


Veröffentlicht am 9. Dezember 2022 um 14:49 Uhr von Redaktion in International, Ökologie

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