Radfahren in Dresden bleibt ein Risiko
2. Juni 2014 - 21:56 Uhr
„In Dresden gibt es mehr schlimme Radfahrunfälle als in anderen Städten“ titelten die Dresdner Neueste Nachichten am 21. Mai. Als Grundlage dieser Bewertung dient dem Zeitungsartikel dabei die kürzlich veröffentlichte polizeiliche Unfallstatistik des Vorjahres, nach welcher sich 2013 insgesamt 14.919 Verkehrsunfälle auf Dresdens Straßen ereigneten. Das sind durchschnittlich 43 Unfälle am Tag, in 14 Prozent der Fälle wurden dabei Personen verletzt. Dieser Wert stellt eine Steigerung von 1,8 Prozent gegenüber den Zahlen von 2012 dar. Dass Radfahrerinnen und Radfahrer im Dresdner Straßenverkehr besonders gefährdet sind, zeigt sich daran, dass sie mit einer Beteiligung von 7,6 Prozent an der Gesamtheit der polizeilich erfassten Verkehrsunfälle mit 40 Prozent der unfallbedingten Verletzungen einen übergroßen Anteil stellen. Obwohl der Radverkehr mittlerweile fast 20 Prozent (2008: 16%) des Gesamtverkehrs ausmachen dürfte, sind Radfahrerinnen und Radfahrer deutlich seltener an Unfällen beteiligt.
Auch wenn statistisch gesehen die Zahl der verletzten Radfahrerinnen und Radfahrer gesunken ist, sind 914 Verletzungen immer noch ein Wert auf sehr hohem Niveau. Wegen dieser bedrückenden Zahlen und einer „gestiegenen Bedeutung des Radverkehrs für die polizeiliche Arbeit“ wurde Polizeikommissar Roy Braeske in der vergangenen Woche zum Radverkehrsverantwortlichen ernannt. Als Hauptursache für die hohe Zahl von verletzten Personen führt er abbiegende Kraftfahrtzeuge an, die den Radelnden die Vorfahrt genommen haben. Aktuell plant die Polizeidirektion Dresden unter dem Namen „Ra[DD]schlag“ verstärkt Einsatzmaßnahmen rund um den Radverkehr durchzuführen und Kontrollen „spürbar [zu] intensivieren“. Das erklärte Ziel der polizeilichen Maßnahmen soll es sein, alle Verkehrsteilnehmer für den Radverkehr und für die Gefahren zu sensibilisieren. Da jedoch von Braeske im selben Atemzug mit den Verletztenzahlen auch Bürgerbeschwerden über das „tägliche Erleben von Regelverstößen“ durch Radlerinnen und Radler erwähnt werden, steht zu befürchten, dass sich die angekündigten stationären Kontrollen in erster Linie gegen die fahrradfahrende Bevölkerung selbst richten könnten. Dass bei den anstehenden Kontrollen wohl eher nicht rücksichtslose und lebensgefährdende Autofahrerinnen und Autofahrer im Fokus stehen werden, wird an anderer Stelle deutlich. Die für diesen Zweck eingesetzten Beamtinnen und Beamten sollen in Zukunft bei ihren Kontrollen angesichts steigender Fallzahlen besonders auf Fahrraddiebstähle, Formen der Betäubungsmittelkriminalität oder Trunkenheitsdelikte achten. Wie damit jedoch der hohen Zahl von Verletzten Rechnung getragen werden soll, wird nicht näher erläutert. Allein im vergangenen Jahr war die Zahl der geahndeten Verstöße auf 5.335 (2012: 4.214) gestiegen.
Als Unfallschwerpunkte für die Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer wurden besonders der Schlesische Platz, der Strehlener Platz und der Pirnaische Platz erkannt. Ebenso gelten die Großenhainer Straße, Leipziger Straße und Nürnberger Straße als gefährlich. Wahrscheinlich werden sich mutige Radfahrerinnen und Radfahrer in Zukunft darauf einstellen müssen, an eben diesen Orten nicht nur auf andere Fahrzeuge aufzupassen, sondern ebenso auf Kontrollen der Rahmennummer sowie weitere unangehme Verdächtigungen durch die Polizei zu stoßen. Am Unfallschwerpunkt Elberadweg hatte die Stadt erst vor kurzem reagiert und Hinweisschilder aufgestellt. Erfreulich ist, dass die Stadt außerdem neue Radstreifen auf den Fahrbahnen der Kohlen- und Charlottenstraße, Parkstraße/Bürgerwiese geplant hat. Zudem sollen im Dresdner Westen die Bremer-, Hamburger- und Schäferstraße entsprechend ausgestattet werden. Wie schnell das Vorhaben allerdings umgesetzt wird, bleibt offen. Die Forderung nach einer Verbesserung der von mehreren tausend Menschen täglich genutzten Nord-Süd-Route durch den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) aus dem Jahr 2010 wurde trotz anderslautender Ankündigungen bisher noch nicht umgesetzt.Leider bieten auch solche Radstreifen nur einen ungenügenden Schutz gegenüber unachtsam ausparkenden oder austeigenden Personen. Es ist in Dresden leider keine Selbstverständlichkeit, dass Radfahrerinnen und Radfahrer von anderen Verkehrsteilnehmern als vollwertige Mitglieder im Straßenverkehr angesehen werden.
Der ADFC bemängelt die Fahrradfreundlichkeit der Stadt und forderte eine „gezielte Förderung des Radverkehrs“. Lange Wartezeiten an Ampeln und zu schmale Radwege zeugen von einem Schattendasein des Radfahrens in der lokalen Verkehrspolitik, wie aus einer 2012 veröffentlichten bundesweiten Studie des Bundesverkehrsministerium ersichtlich wird. Außerdem bemängelt der ADFC nicht nur zu wenige Fahrradabstellmöglichkeiten an den Bahnhöfen und im Innenstadtbereich, sondern vor allem auch, dass gefasste verkehrspolitische Beschlüsse nicht umgesetzt und Versprechen von Seiten der Stadt nicht gehalten werden. So wurden, entgegen eines Stadtratsbeschlusses vom Juni 2012, erst wenige der dringend benötigten Fahrradstellplätze in der Altstadt und Äußeren Neustadt geschaffen. Vielmehr verschlechterte sich die Verkehrssituation für Radfahrende an anderen Orten der Stadt, wie etwa die vielgenutzte Albertbrücke, die auf Grund der Bauarbeiten an der Brücke für Radfahrende fast gänzlich unpassierbar geworden ist. Auch die Radwege entlang des Zelleschen Wegs an der Universität lassen zu wünschen übrig, sie sind zu schmal zum Überholen und in teilweise erbärmlichem Zustand. Der Radverkehr, so ADFC-Geschäftsführer Konrad Krause, ist klar unterfinanziert, da die Stadtverwaltung trotz eines Fahrradanteils von über 16 Prozent am Straßenverkehr nur 2,66% des Verkehrsbudgets der Stadt in die Fahrradinfrastruktur fließen lässt. Neben einer Erhöhung des Budgets für den Radverkehr forderte der ADFC aus diesem Grund auch drei neue Planstellen im Straßen- und Tiefbauamt, um damit in Zukunft Verkehrsprojekte besser planen zu können.
Veröffentlicht am 2. Juni 2014 um 21:56 Uhr von Redaktion in Freiräume