Freiräume

Protest gegen Bundeswehr an Schule

25. Mai 2010 - 19:13 Uhr

Eine Schule. Überall Kameras. Ein Jugendoffizier. Zehn fröhlich grinsende Jugendliche außerhalb des Geländes. Eine wild telefonierende Person versteckt hinter einem Busch. Drei Sixpacks, ein Streifenwagen, zwei Zivis. Platzverweise. Zehn verwunderte Jugendliche auf dem Heimweg, verfolgt von den drei Streifenwagen. Was war passiert?

An dem Gymnasium Dresden Klotzsche fand heute eine Informationsveranstaltung mit einem Jugendoffizier der Bundeswehr in einer 10. Klasse statt. Solche sogenannte „Informationsveranstaltungen“ werden des öfteren genutzt, um Schüler_innen für den Dienst bei der Bundeswehr zu rekrutieren. Dabei wird mit einem „krisensicheren Job“ und großen Karrierechancen geworben. Gerade den Gymnasiast_innen wird versucht, eine Langzeitverpflichtung mit Studium im höheren Dienst schmackhaft zu machen. Die Bundesregierung will mit dieser Agitation das Modell des „friedliebenden, demokratischen, Uniform-tragenden Staatsbürgers“ etablieren. Dass diese als „humanitäre Hilfseinsätze“ getarnten Kriegseinsätze nur von wirtschaftspolitischen Machtinteressen geleitet sind, wird dabei bewusst verschwiegen. Der Mord an Menschen (Soldaten wie Zivilbevölkerung) wird billigend in Kauf genommen und medial in den Hintergrund gerückt. Gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan und die „Nachwuchsförderung“ an Schulen und im öffentlichen Bereich regt sich verstärkt Widerstand.

So fanden auch wir uns heute mit einigen anderne kritische Schüler_innen zusammen am Gymnasium Klotzsche ein, um dort unseren Protest Ausdruck zu verleihen. Gegen 10 Uhr MEZ trafen wir am Ort des Geschehens ein, fanden zunächst aber keinen Jugendoffizier vor. So setzten wir uns darnieder in die Sonne, mit Blick auf das Schulgebäude – in freudiger Erwartung auf seine Ankunft harrend. Durch vereinzelte Gespräche mit Schüler_innen konnten Ort und Zeitpunkt der geplanten Veranstaltung ermittelt werden: in der fünften Stunde, statt des geplanten Gemeinschaftskundeunterrichts der Klasse 10a. Wir warteten.

Gegen 11 Uhr MEZ traf der Herr(?) Offizier in einem unscheinbaren PKW mit Bundeswehremblem ein. Scheinbar erregten wir nach dessen Ankunft schon durch bloße Anwesenheit Aufmerksamkeit bei den Lehrkräften, so dass nach kurzer Zeit eine weiblich definierte Person herauskam und konspirativ hinter einem Busch telefonierte, wobei sie immer wieder skeptisch zu uns herüberlugte. Ca. 10 min. später trafen dann auch die örtlichen Sicherheitskräfte ein, in Form dreier mit Bereitschaftspolizei besetzten Sixpacks sowie eines Streifenwagens. Die Einsatzkräfte postierten sich an allen Eingängen und lungerten gelangweilt (und cool!) rum. Irgendwann, ca. 20 min. später, bequemten drei von ihnen sich zu uns herüber, während der Rest schlafend die Stellung hielt. Es ging wohl keine Bedrohung von uns aus 🙂 . Der Gesprächsverlauf war ruhig, mensch kannte sich. Es gab nichts zu klären, nur der Einflussbereich der_des Hausrechtsinhaber_in wurde verdeutlicht, um schon im Vorfeld eine Auseinandersetzung mit dem staatlichen Gewaltmonopol zu umgehen. „Solange hier alles friedlich bleibt, gibt es kein Problem, das ist ja ein freies Land hier, aber wenn Sie mit Transparenten oder Gegröle anfangen…“ (sinngemäß). Wir warteten. Sie warteten. Alle warteten. Und die Schüler_innen guckten. Wie die Orgelpfeifen standen sie aufgereiht an den Fenstern, bis sie wieder dem genormten Regelunterricht zugeführt wurden.

Wir waren zutiefst gerührt über die uns geschenkte Aufmerksamkeit, aufgrund zweier auf der Straße vor der Schule abgestellter Polizist_innen in Zivil, derer wir uns während des Wartens gewahr wurden. Vielleicht wurde der gesamte Aufwand nur wegen eines zuvor durch einen Lehrer gerammten Autos betrieben, vielleicht auch, um das Bundeswehrfahrzeug vor unsachgemäßem Gebrauch zu schützen. Wir wissen es nicht. Wir ergingen uns in Amüsement, bis wir den geeigneten Zeitpunkt für eine öffentlichkeitswirksame Richtigstellung der unhaltbaren Zustände erhaschten: Die große Pause.

Es schellte zur Hofpause. Ströme erleichterter, dem dunklen Klassenzimmer entronnener, der Sonne entgegen jauchzender Schüler_innen ergossen sich über den Schulhof. Viele hielten verwundert inne und fragten sich, was dieses für sie exorbitante Polizeiaufgebot denn wohl für sie bereithielt. Süßigkeiten? Knüppel? … Poldi? …? Anfangs durch die Polizei abgeschreckt, unternahmen sie zaghafte Kontaktversuche zu den augenscheinlich „bösen“, weil bewachten, Jugendlichen. So nutzten wir die Gunst der Stunde, äh, Pause und entrollten wider Erwarten der Beamt_innen, die schon ihrem ersehnten (und verdienten!) Feierabend entgegen sannen, drei durch Zufall mitgeführte Transparente. Wer nicht damit beschäftigt war, diese zu halten, verteilte eifrig Flyer an die nun ermutigten Schüler_innen, die endlich ihre Neugier stillen konnten.
Doch des friedliebenden Protestes (in einem „freien Land“!) wurde schnell Abbruch getan. Ruhig, aber bestimmt, wiesen sie uns auf ihre, durch den Staat legitimierten, Machtposition hin und darauf, dass wir die Transparente einrollen sollten – die Flyer könnten weiter verteilt werden. Als wir trotzdem, ihre Autorität in Frage stellend, nicht gehorchten, und der Versuch einer Protestveranstaltungs-Anmeldung scheiterte, zogen sie die BRD-Karte und entrissen uns unter den geschockten Blicken der Schüler_innen unsere durch kunstvolle Handbemalung gefertigten Transparente. Jedoch ließen wir uns davon nicht beeindrucken und versorgten die nach Information lechzenden Schüler_innen mit verschiedenen, sich mit der Thematik auseinandersetzenden, Flyern.

Die Polizei zeigte sich wiederum unbeeindruckt von unserem Engagement und ging, wie im Lehrplan, durch Aufnahme unserer Personalien und dem Aussprechen von (zeitlich wie auch örtlich ominös begrenzten) Platzverweisen vor. Dem leisteten wir gern Folge, denn alle Flyer waren der Zielgruppe bereits effektiv zugeführt. Vor Glück lächelnd zogen wir von dannen.

Gut bewacht ans Ziel gebracht

Um präventiv zu verhindern, dass noch mehr Menschen von den eigentlichen Interessen der Bundeswehr erfahren, wurde unserer Delegation Begleitschutz gestellt. Womöglich würden sich sonst noch weitere Menschen kritisch mit den Themen „Krieg“, „Armeen“. „Hilfseinsatz“(?), „Mord“ auseinandersetzen und in letzter Konsequenz vielleicht sogar die Bundeswehr als ausführendes Organ dieser ablehnen…

Resumee

Eine Protestaktion kritischer Schüler_innen gegen das Anwerben von Menschenmaterial für Kriegseinsätze, die ohne polizeiliches Zutun garantiert eine viel geringere Tragweite gehabt hätte, wird nun DAS Gesprächsthema an besagter Lehranstalt sein. Somit ist ein seltener Fall eingetroffen, bei dem sich die repressive Fratze der Polizei den größtenteils unbedarften Schüler_innen offenbarte und damit sowohl die Aktion verstärkte, als auch Anstoß zum Hinterfragen staatlicher Organe allgemein lieferte.

Und es zeigt sich: Wenn eine Schule immer noch der Meinung ist, Bundeswehrangehörige einladen zu wollen, muss sie damit rechnen, dass die Polizei auf ihrem Schulhof steht. Lehrer_innen, lasst euch gesagt sein, das wirkt nicht gut – nach innen und wie auch nach außen…

Abschließend noch ein paar Worte:

Wir beglückwünschen die Polizei zur Aufnahme weiterer Daten in ihre Akten für die wackere Verteidigung der freiheitlich demokratisch militärischen Grundordnung gegen linksextremistische Tendenzen. Weiterhin wünschen wir der Polizei viel Spaß beim Sich-Ergötzen an den Videoaufnahmen der anwesenden Personen und der kunstvoll gestalteten Transpis.

Bis bald, mensch kennt sich ja.

Quelle: Indymedia (25.05.10)


Veröffentlicht am 25. Mai 2010 um 19:13 Uhr von Redaktion in Freiräume

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