Denkwürdige Razzia in Görlitzer Hausprojekt
8. September 2016 - 21:49 Uhr
Bereits in den Morgenstunden des 22. Juli fand in den Räumlichkeiten des Hausprojektes
Wie aus einer Kleinen Anfrage des Landtagsabgeordneten Mirko Schultze (Die Linke) vom 24. August hervorgeht, war bei der Durchsuchung neben 25 Einsatzkräften der Polizeidirektion Görlitz auch ein „neutraler“ Zeuge anwesend, der von ihnen selbst mitgebracht worden war und der Stadtverwaltung von Görlitz angehören soll. Welche weiteren Räumlichkeiten an dem Tag betreten wurden, geht aus der Beantwortung der Anfrage nicht hervor, lediglich ein besonderes öffentliches Interesse wird dem „Stadtteil bekannten Haus“ beigemessen. Worin dieses Interesse genau bestehen soll, wird allerdings ebenfalls nicht ausgeführt. „Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es sich um einen Fächerahorn, eine handelsübliche Zierpflanze handelte, erscheinen die Umstände der Durchsuchung unverhältnismäßig und ungerechtfertigt“, so Bewohner des Hauses in einer Pressemitteilung.
Doch damit der Kuriositäten nicht genug. Nach der „Inaugenscheinnahme“ durch die Beamtinnen und Beamten tauschten diese das Haustürschloss aus, ohne die Schlüssel jedoch anschließend an die Bewohnerinnen und Bewohner übergeben zu haben. Zusätzlich schlossen sie danach die Haustür ab, was nicht nur für weiteren Unmut im Haus sorgte, sondern damit auch die in dem Hausprojekt lebenden Menschen potentiell gefährdete, da ein wichtiger Fluchtweg versperrt worden war. Zudem wurde der Durchsuchungsbeschluss erst mit großer zeitlicher Verzögerung an die von der Razzia betroffene Person ausgehändigt. Dabei stellte sich heraus, dass die anwesenden Beamten über das Reiseziel dieser Person unterrichtet waren. Woher sie diese Kenntnis hatten blieb ebenso im Dunkeln.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass mit dieser Maßnahme gezielt linke Strukturen in Görlitz kriminalisiert werden sollen. Der Verein HausundHof selbst betrachtet die Hausdurchsuchung und deren Ablauf als rechtswidrig, da
1.) die Verhältnismäßigkeit dieses schwerwiegenden Grundrechtseingriffs, angesichts des wagen Anfangsverdachts und der Möglichkeit einer Sichtprüfung von außerhalb der Wohnung mehr als zweifelhaft erscheint.
2.) keine der Hausbewohner*innen von den Polizeikräften über die Durchsuchung informiert und als Zeug*innen hinzugezogen wurden (§106 StPO).
3.) alle zum Zeitpunkt der Maßnahme anwesenden Bewohner*innen durch das Einsperren im Haus gefährdet, ihrer Freiheit beraubt wurden und ihren Tagesaktivitäten nicht nachgehen konnten.
Dass hobbygärtnernde Menschen aus alternativen Wohnprojekten derzeit im Fokus der Ermittlungsbehörden stehen, verwundert angesichts unzähliger rechter Übergriffe und Organisationsversuche in der Region. So kam es erst kürzlich zu einem rechten Übergriff auf eine Person im nahen Löbau sowie zu Drohungen gegen Teilnehmende der Proteste gegen eine Demonstration von Thügida am 6. August.
Die benachbarte Stadt Bautzen macht sogar schon seit längerer Zeit Schlagzeilen mit rechten Übergriffen, Attacken auf alternative Projekte und Brandstiftungen. Rechte Strukturen in und um Bautzen scheinen schon seit mehreren Jahren ungestört agieren zu können, Weggezogene berichten von einer rechten Hegemonie im Ort. Ob ein für den 17. September angesetztes sogenanntes „Deutsches Sport- und Familienfest Ostsachsen“ im nahen Quitzdorf ungestört stattfinden kann, bleibt abzuwarten. Beworben wird die Veranstaltung auf rechten Seiten bereits seit mehreren Wochen.
Veröffentlicht am 8. September 2016 um 21:49 Uhr von Redaktion in Freiräume