Ballsubversion
8. Februar 2020 - 18:41 Uhr
Am gestrigen Freitag Abend luden mehrere Dresdner Kulturschaffende zum „Seifenopernball“ auf den Schloßplatz. Das Ziel war klar: Jetzt wo der SemperOpernball gerade stark abbaut und absehbar eine Lücke im Ball-Segment der sächsischen Landeshauptstadt hinterlassen wird, braucht es eine basisdemokratische Alternative. Eine Alternative, die nicht nur auf elitäre Begleiterscheinungen verzichtet, sondern auch darauf, „die Autokraten dieser Welt mit Orden auszuzeichnen“, so die deutliche Ansagen vom Lautsprecherwagen.
Los ging es mit einem „Einlauf für Dresden“, welcher gegen 18 Uhr am Alaunpark startete. Etwa 200 Personen hatten sich dort versammelt und zogen, teilweise verkleidet, zu bestens ausgesuchter Tanzmusik über den Albertplatz und die Carolabrücke auf den Schloßplatz. Dort angekommen, übernahm keine Geringere als die Hamburger Popmusikerin Bernadette La Hengst (I can‘t relax in Deutschland, Die Zukunft, uvm.) die feierliche Eröffnung. Mit dem Ballmotto grenzte man sich deutlich von der exklusiven Einladungspolitik der strauchelnden Ballkonkurrenz ab. Statt tausende Euro für Eintrittskarten zu verlangen, galt: „Euer Geld ist uns egal, auf eurem Seifenopernball.“
La Hengst führte gemeinsam mit Lara Liqueur durch den Ballabend. Begleitet von der Banda Internationale gab es mehrere Musikeinlagen: Zusammen mit La Hengst coverten sie etwa den Goldene Zitronen-Klassiker „Turnschuh“ und spielten eigene Songs, wie „Wir sind die Vielen“. Dazwischen wurden auch beim Seifenopernball Orden verliehen. Auch hier war das Prozedere denkbar einfach: Alle Anwesenden konnten sich selbst vorschlagen, anschließend wurde gelost.
Die Begründung, warum die Ausgewählten den Orden verdienen, lieferten sie nach der Vergabe gleich selbst. Und die Gründe waren ungleich glaubwürdiger, als beim Fantasieorden auf dem Opernball nebenan: Eine Person zeichnete sich dafür aus, dass sie sich gegen den durchrationalisierten, „marktgerechten“ Krankenhausalltag für einen menschlichen Umgang stark macht. Eine andere dafür, dass sie zurück nach Dresden gezogen ist. Wieder eine andere bekam den Preis für ihre Begeisterung darüber, einen Orden verliehen zu bekommen.
Bereits am Nachmittag hatte die Amnesty International Gruppe Sachsen vor dem Operngebäude mit einer Mahnwache gegen die ursprünglich vorgesehene Auszeichnung des ägyptischen Machthabers Al-Sisi protestiert. Sie warfen dem 2013 durch einen Militärputsch an die Macht gelangten Diktator die gezielte Einschüchterung und eine Unterdrückung friedlicher Proteste vor. Seit seinem Amtsantritt habe sich die Menschenrechtslage in Ägypten rapide verschlechtert.
Was bleibt: Der bessere Ball fand dieses Jahr auf dem Schloßplatz statt. Und die Organisatorinnen und Organisatoren haben bereits durchblicken lassen: Es wird nicht der letzte Ball gewesen sein. Vielmehr wird erwogen, im kommenden Jahr die Semperoper zu besetzen. Und das wäre definitiv ein Gewinn für Dresden.
Weiterführender Artikel: https://www.addn.me/freiraeume/der-semperopernball-eine-dresdner-erfolgsgeschichte/
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Veröffentlicht am 8. Februar 2020 um 18:41 Uhr von Redaktion in Freiräume, Kultur, Soziales