Freiräume

Alter Leipzig Bahnhof: Bürger:innenbeteiligung ohne Gewicht?

15. November 2022 - 21:07 Uhr

Luftbild vom Areal Alter Leipziger Bahnhof in Dresden

Schon seit Jahren bestehen Pläne zur Bebauung des Alten Lepiziger Bahnhofs in Dresden-Pieschen. Ebenso lang gibt es Kritik an diesen. Seit April 2022 läuft nun ein Planungsprozess, an dem auch  Bewohner:innen der Stadt beteiligt wurden, ausgewählt durch ein Losverfahren. Ziel des Planungsprozesses ist es eine sogenannte Aufgabenstellung zu entwickeln. Diese wird anschließend an ein Architekturbüro gegeben, um einen genauen Plan entwickeln zu lassen, wie Investor:innen und Eigentümer:innen das Gelände bebauen dürfen.  Aus ursprünglich drei geplanten Treffen mit Teilnehmer:innen, sind nun fünf geworden. Das vorerst letzte Treffen sollte am 18. November 2022 zwischen zwischen 15-20 Uhr im Plenarsaal des Rathauses stattfinden. Nun regt sich Kritik von beteiligten Bürger:innen.

Im Planungsprozess sind verschiedenste Interessengruppen vertreten. Neben Eigentümer:innen, Stadt(bezirksbei-)rät:innen und Menschen aus der Stadtverwaltung, ist ein Viertel der Beteiligten aus der Zivilgesellschaft. Beteiligte kritisierten gegenüber addn.me, das bereits nach der Sitzung klar gewesen sei, dass der Planungsprozess nicht Ergebnis offen geführt werde: „Wenn auch am Anfang viel über die Wünsche und Bedürfnisse aller Beteiligten und vertretenen Gruppen geredet wurde, hat sich eigentlich schon in der ersten halben Stunde des Prozesses enttarnt – hier soll gebaut werden, möglichst viel und möglichst schnell“. Nicht in den Planungsprozess eingebunden waren z.B. obdachlose Menschen, die zur Zeit auf dem Gelände leben, oder Nachbar:innen, die von der Gentrifizierung und steigenden Mieten betroffen sein werden. Auch mit den Menschen vom Wagenplatz „Schotter und Gleise“ sei man zwar im Gespräch, hieß es auf den Sitzungen, jedoch seien diese  nicht relevant genug, um bei diesem Begleitprozess direkt teilzunehmen. 

Druck geht vor allen von Investor:innen aus, die ein Interesse an einer größtmöglichen Bebauung des Geländes  haben. Bisher sieht es so aus, als würde die Stadt dem nachgeben, in dem die Bebauungsfläche kontinuierlich vergrößert wird. Ausgangspunkt ist ein im letzten Jahr im Stadtrat beschlossener Masterplan, der als Leitlinie für die Bebauung gilt. Der Rahmen der Beteiligung sei von vornherein begrenzt gewesen, kritisiert ein beteiligter Bürger gegen über addn.me. Gerade wird darüber gestritten, ob eher 120.000 qm oder 200.000 qm Fläche bebaut werden dürfen. Die Sozialbauquote wird dabei vermutlich bei nur 15% liegen. Es werden also größtenteils  Neubauwohnungen im höheren Preissegment gebaut entstehen. „Was es braucht, sind jedoch 100% Wohnungen, die sich alle leisten können. Wo die Mieter:innen Mitspracherecht haben und eine Chance den Wohnraum selbst zu verwalten“, kritisiert eine Beteiligte den geringen Anteil an Sozialwohnungen.

Bei Bebauung und Planungsprozess würden sich neuere und demokratische Wohnkonzepte nicht widerspiegeln. Es sei ein klassisches Investor:innenprojekt, so eine beteiligte Bürgerin gegenüber addn.me. „Mit sechs Vertreter:innen aus der Zivilgesellschaft und sechs Bürger:innen lässt sich kein inhaltliches Gleichgewicht herstellen und die Belange dieser gehen unter.“ Dabei hätte die Stadt auf dem während der Corona-Pandemie viel und vielfältig genutzten Gelände neue Formen der Partizipation von Bewohner:innen entwickeln können. „ Bei einem der letzten innerstädtischen Areale hatte die Stadt die Möglichkeit, ein Kiez entstehen zu lassen, den Menschen gerne bewohnen wollen und können und in dem Wohnen, Kultur und auch Gewerbe in lebenswerter Weise vorhanden ist“, resümiert eine Teilnehmerin enttäuscht über den Planungsprozess. 

Ob bei der kommenden letzten Sitzung des Begleitprozesses ein Kompromiss zwischen Investoren und Öffentlichkeit gefunden werden kann, ist fraglich. Definitiv aber wird es der Abschluss einer Bürger:innenbeteiligung sein, die von den Beteiligten nicht nur positiv gesehen wird. Den aktuellen Nutzer:innen des Geländes kann allein als Trost dienen, dass die Bebauung wohl absehbar erst in etwa zehn Jahren beginnt. Jedoch wird jetzt der Grundstein für das Viertel um den Alten Leipziger Bahnhof gelegt.


Veröffentlicht am 15. November 2022 um 21:07 Uhr von Redaktion in Freiräume

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.