Trans Frau gegen den Freistaat Sachsen – Entschädigung für falsche Anrede eingeklagt
28. April 2023 - 16:13 Uhr
Ein Gastbeitrag der Queer Pride Dresden
Am 03.04.2023 stand der Freistaat Sachsen in Dresden vor Gericht.
Geklagt hatte eine ehemalige Angestellte des Krankenhauses Großschweidnitz. Als trans Frau wurde ihr nach dem Outing bei ihrer Arbeitsstelle durch die Klinikleitung die korrekte Anrede verweigert. Versuche der Klägerin, durch aufklärende Gespräche Verständnis aufzubauen und eine Änderung des diskriminierenden Verhaltens durch die Leitung herbeizuführen, blieben erfolglos. Stattdessen wurde ihr die Kündigung ausgesprochen und das Arbeitsverhältnis damit beendet.
Nach Ansicht der Rechtsanwältin Susette Jörk verstößt das gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), über den nach Klageeinreichung für Anfang April eine Güteverhandlung anberaumt wurde. Ein eher neues Feld für die Rechtsprechung, umso höher war die Spannung im voll besetzten Saal 2 des Dresdner Arbeitsgerichtes. Nach einer von der Queer Pride Dresden initiierten Solidaritätskampagne hatten sich rund 15 Unterstützer:innen und Vertreter:innen des sächsischen Antidiskriminierungsbüros zur Beobachtung der Verhandlung eingefunden.
Jörk schilderte dem Gericht die Ausgangssituation, in der das diskriminierende Verhalten aufgetreten sei. Die Betroffene arbeitete 2022 in der geriatrischen Station des Krankenhauses Großschweidnitz, einem Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie und Neurologie in Trägerschaft des Freistaates Sachsen.
Nach ihrem Outing als trans Frau sei die Klägerin an ihrer Arbeitsstätte diskriminiert worden, indem ihr die Anrede als Frau verweigert wurde. Die Leitung des Klinikums versicherte sich dabei sogar der Rückendeckung vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt unter Petra Köpping (SPD). Als Grund für die Fortführung der falsche Anrede entgegen ihres Wunsches sei die noch ausstehende rechtliche Personenstandsänderung angeführt worden.
Zuvor hätten Teile des Pflegeteams der geriatrischen Station die Betroffene aufgrund ihres Geschlechts abgelehnt und die Forderung aufgestellt, sie auf eine andere Station zu versetzen. Statt ihre Angstellte vor Diskriminierung zu schützen, habe die Klinikleitung allerdings weiter auf der falschen Anrede bestanden und sie gekündigt, als sie sich damit nicht abfinden wollte.
Der Rechtsvertreter des Freistaats Sachsen trat den Schilderungen nicht entgegen sondern versuchte, die Verantwortung für die Kündigung bei der Klägerin zu verorten. So griff er Behauptungen über vermeintliches Fehlverhalten der Betroffenen auf, die von den diskriminierenden Kolleg:innen verbreitet wurden. Dieses Manöver sollte wohl vom transfeindlichen Verhalten einzelner Mitarbeiter:innen und der Leitung des Sächsischen Krankenhauses Großschweidnitz ablenken.
Weiterhin stellte der Rechtsanwalt die Patient:innen des Klinikums aufgrund ihrer psychischen Erkrankungen als unfähig dar, die von Diskriminierung Betroffene richtig zu gendern. Außerdem führte er die Lage des Krankenhauses im ländlichen Raum als Hinderungsgrund für das Eingehen auf die Bedürfnisse unserer Freundin als trans Frau an. Die Leitung des Krankenhauses sei außerdem aufgrund der Plötzlichkeit des „Outings“ überfordert gewesen.
Die Forderung der vertretenden Anwältin der Klägerin nach einer Entschädigung wurde von Seiten des Freistaates nicht abgelehnt, aber die geforderte Summe von 2.000€ in Frage gestellt und stattdessen nur die Hälfte angeboten. Nach kurzer Verhandlung einigten sich beide Seiten auf Vorschlag des Richters auf eine finanzielle Entschädigung für die diskriminierende Ansprache der Klägerin durch die Leitung des Krankenhauses in Höhe von 1.500€.
Von Seiten des beklagten Freistaates erfolgte keine Entschuldigung. Ein indirektes Zugeständnis, dass die Klägerin auch vor Abschluss der rechtlichen Personenstandsänderung Anrecht auf die Anrede als Frau hat, lässt sich bei wohlwollender Betrachtung darin erkennen, dass der Rechtsanwalt bei seinen Äußerungen die korrekten Pronomen benutzte. In der Verhandlung wurde zudem versichert, dass das Ministerium einen Leitfaden für diskriminierungsfreies Verhalten gegenüber trans Personen in Landeskrankenhäusern erarbeiten und Aufklärungsarbeit leisten will.
Jascha von Queer Pride Dresden kommentiert das Ergebnis: „Wir begrüßen die Zahlung einer Entschädigung als ersten Schritt zur Anerkennung der Verletzungen unserer Freundin. Dieser Fall zeigt: der Klageweg lohnt sich. Das Köpping-Ministerium sollte allerdings nicht denken, dass es sich damit von der Verantwortung frei kaufen kann. Es braucht strukturelle Änderungen, um trans Menschen als Arbeitnehmer:innen in Sachsen wirksam zu schützen. Wir werden uns weiter gegen Transfeindlichkeit auf allen Ebenen einsetzen und kritisch überprüfen, ob das Köpping-Ministerium seine Versprechen wirklich umsetzt. Eins muss klar sein: Diskriminierende Personen dürfen keine Deckung dafür bekommen, wenn sie die beruflichen Leistungen der Klägerin mit Falschbehauptungen in Misskredit bringen.“
Auch die Klägerin verbucht den Ausgang als kleinen Erfolg: „Nach diesen persönlich stark belastenden Erfahrungen möchte ich meine Fähigkeiten natürlich lieber an anderer Stelle einsetzen. Mir war es aber wichtig, dass es andere nach mir einfacher haben. Ich möchte mich an dieser Stelle auch für den emotionalen Rückhalt und Unterstützung aus der queeren community bedanken. Durch die vielen kleinen Spenden war es möglich, die Kosten für die Anwältin zu decken. Damit konnte ich mit Rückenwind in das Verfahren starten. Ich wollte die Verletzungen nicht einfach schlucken, sondern mit der Klage auch für ein trans-inklusives Arbeitsumfeld an öffentlichen Krankenhäusern eintreten.“
Wie steinig der Weg zu diesem Ziel ist, belegt die Reaktion der Krankenhausleitung. Nach Rechtskraft der Einigung am 17.04. wurde der Betroffenen ein negatives Arbeitszeugnis ausgestellt. Mit Hilfe der Anwältin werden nun weitere rechtliche Schritte geprüft.
Bildquelle: wikipedia
Veröffentlicht am 28. April 2023 um 16:13 Uhr von Redaktion in Feminismus