Feminismus

Kundgebung für die Streichung des § 218 StGB

3. Oktober 2021 - 19:31 Uhr

Unter dem Motto „Weg mit § 218 StGB“ fand am 28. September anlässlich des Internationalen Safe Abortion Day – dem internationalen Tag für sichere Schwangerschaftsabbrüche – auch in Dresden eine Kundgebung statt. Organisiert wurde diese von den Beratungsstellen Pro Familia Sachsen, dem Projekt Melisse aus Leipzig und Pro Choice Sachsen. Die Streichung des § 218 aus dem Strafgesetzbuch war eine zentrale Forderung der Versammlung. Die Initiativen forderten Zugang zu kostenlosen, wohnortnahen und sicheren Schwangerschaftsabbrüche, die Anerkennung von Schwangerschaftsabbrüchen als Grundversorgung und Kassenleistung und dass die Behandlung in die medizinische Ausbildung integriert wird. 

https://twitter.com/ProChoice_SN/status/1442871243573633026

Bereits ab 16 Uhr boten Informationsstände von ProFamilia Sachsen, Melisse Projekt, KritMeds, Malobeo, MEDEA International, sowieso* Frauen für Frauen e.V. und dem Buchladen Pusteblume Gelegenheit zu Information, Debatte und Austausch. 

Ab 17 Uhr folgten Redebeiträge von KritMed* DD (Redebeitag), Johanna Licht, ProFamilia Sachsen und der LINKEN – Landtagsabgeordneten Sarah Buddeberg über die Versorgungslage – auch vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie -, die Diskriminierung von Ärzt*innen und das Informationsverbot durch § 219a. 

Auf der Kundgebung wurde auch der Verein Kaleb, der sich staatlich anerkannte Schwangerschaftsberatungsstelle nennen darf, als „Beratungsfalle“ kritisiert. Der Kaleb (Kooperative Arbeit Leben Ehrfürchtig Bewahren) lehne Abtreibungen aus religiösen Gründen ab und leiste somit nicht die gesetzlich zugesicherte ergebnisoffene Beratung. Viel lieber sähen die Aktivist:innen von Pro Choice Sachsen daher eine ProFamilia Beratungsstelle in Dresden. (Redebeitrag). 

https://twitter.com/ProChoice_SN/status/1442875899926306821

Den Christlichen Fundamentalist:innen widmeten sich zwei weitere Redebeiträge: die Kosmotique warnte vor der weltweiten Vernetzung von Evangelikalen und Rechtsradikalen (Redebeitrag) und das What-the-fuck Bündnis aus Berlin berichtete über ihre Proteste gegen den jährlich in Berlin stattfindenden so genannten Marsch für das Leben. Wegen einer Sitzblockade im Jahr 2019 finden aktuell Prozesse gegen über 100 Aktivist:innen statt. Die Repression hält das What-the-fuck Bündnis augenscheinlich jedoch nicht von weiteren Protesten ab: auch am 18. September diesen Jahres beteiligten sich wieder 3.000 queer-feministische Aktivist*innen an lautstarken Gegenproteste direkt am Marsch der christlichen FundamentalistInnen – der noch dazu deutlich kleiner ausfiel als die vergangenen Jahre (Redebeitrag)

In gleich mehreren Redebeiträgen wurde auf das Konzept der Reproduktiven Gerechtigkeit Bezug genommen. Reproduktive Gerechtigkeit denkt reproduktive Rechte und soziale Gerechtigkeit zusammen. Es gehe nicht nur darum, die individuelle Entscheidungsfreiheit zu erkämpfen (Pro Choice), sondern auch für alle den Zugang zu Abtreibung und Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Außerdem gehe es nicht nur um das Recht, sich für oder gegen Kinderkriegen zu entscheiden. Reproduktive Gerechtigkeit solle auch das Recht umfassen, Kinder frei von Gewalt und unter guten Lebensbedingungen großzuziehen. Und dass Menschen marginalisierter Communities nicht daran gehindert werden, Kinder zu bekommen – z.B. durch Zwangssterilisierungen. In diesem Zusammenhang berichtete die Menschenrechtsaktivistin Gwendolyn Albert aus Prag über Rom:nja, die in der Tschechoslowakei gegen ihren Willen sterilisiert wurden und nach langem Kampf die tschechische Regierung dazu brachten, eine offizielle Entschuldigung auszusprechen sowie Entschädigungen für die körperlichen und psychischen Folgen zu zahlen. (Redebeitrag).

Jane Wangari von Women in exile wies in einem weiteren Beitrag auf die besonderen Hürden geflüchteter Frauen hin, ihre reproduktiven Rechte wahrzunehmen. Manche entscheiden sie sich unfreiwillig für das Austragen einer Schwangerschaft, weil sie die hohen Kosten für einen Abbruch nicht aufbringen können. Andere schieben ihren Kinderwunsch auf, weil die Sammelunterkünfte mit Polizeigewalt, Abschiebungen und Rassismus keine guten Orte sind, Kinder aufzuziehen (Redebeitrag).

Auch anderen Gruppen werde der Zugang zu Mutter- und Elternschaft erschwert: Homosexuellen, Queers, nicht-binären, Inter- und Trans-Personen sowie Menschen mit Behinderungen gelten als „illegitime“ Eltern. Diese Probleme thematisierten eine Person von TIAM e.V. (Redebeitrag) und die Inklusionsaktivistin Claudia Lohse-Jarchow (Redebeitrag). 

Seit einigen Jahren organisieren sich in Solidarität mit ungewollt Schwangeren in Polen so genannte „Tanten“. Es sind Initiativen, die für Betroffene aus Polen Übernachtungsmöglichkeiten, finanzielle Unterstützung, Beratungstermine sowie Termine für Abtreibungen organisieren. Dazu zählen Ciocia Basia in Berlin, Ciocia Wienia, kumpela in Leipzig sowie Ciocia Czesia aus Prag. Letzteres ist ein Kollektiv polnischer Frauen, die in Tschechien leben. Sie haben vor einem Jahr begonnen in Prag eine Infrastruktur für ungewollt Schwangere aus Polen aufzubauen. In einem Grußwort berichteten sie darüber, dass sie in diesem einen Jahr dank großer Solidarität bereits 500 Menschen helfen konnten.

Den Abschluss der Kundgebung bildeten Grußwörter von Aktivist:innen aus Irland (Grußwort)  und Argentinien (Grußwort) – zwei Länder, in denen restriktive Abtreibungsregelungen durch eine breite feministische Bewegung mit einer Vielzahl an Mitteln – von Haustürgesprächen bis zu Streiks – zu Fall gebracht wurden. 

Auch wenn die Beteiligung an der Kundgebung hätte größer ausfallen können, zeigte sich eine Vertreter:in von Pro Choice Sachsen zufrieden: „Vor zwei Jahren haben wir zum SafeAbortionDay mit einem kleinen Infotisch begonnen und in diesem Jahr eine Kundgebung mit vielen Mitveranstalter:innen und Unterstützer:innen auf die Beine gestellt“. Gegenüber Addn.me erklären die Organisator:innen weiter: „Das Problem des § 218 und insbesondere die prekäre Versorgungslage wird leider weiterhin von vielen unterschätzt – und erst im Falle einer ungewollten Schwangerschaft erkannt.“ Mit den Forderungen nach dem Zugang zu kostenlosen, wohnortnahen und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen, aber auch einer ProFamilia Beratungsstelle in Dresden, wollen die Aktivist:innen weiterhin an die Öffentlichkeit gehen.


Veröffentlicht am 3. Oktober 2021 um 19:31 Uhr von Redaktion in Feminismus

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