Antifa

Solidarität mit Maja – Scharfe Kritik an Nacht-und-Nebel-Auslieferung

30. Juni 2024 - 18:13 Uhr

Blick auf die Augustusbrücke in Dresden: Links ein blaues Polizeiauto mit Kamera auf dem Dach, in der Mitte Polizeibeamte vor einer Demonstration mit einem pinken Transparent mit der Aufschrift "Free Maja"

Am Samstag Abend versammelten sich etwa 150 Personen kurzfristig auf dem Schlossplatz in Dresden. Der Anlass: In der Nacht von Donnerstag zu Freitag wurde Maja T., ein*e 23-jährige*r Antifaschist*in, die*der in der JVA Dresden in U-Haft saß, nach Ungarn ausgeliefert. „Free Maja“ lautete die Forderung auf dem Fronttransparent der Demonstration. Die Demonstrant*innen zogen erst durch die Innenstadt und anschließend in die Neustadt, um gegen die Auslieferung an sich und das in diesem Fall besonders fragwürdige Vorgehen einiger deutscher Behörden zu protestieren.

Eröffnet wurde die Demonstration mit mehreren Redebeiträgen, die stimmungsmäßig zwischen Fassungslosigkeit, Ohnmacht, Wut und kämpferischen Trotz schwankten. Maja T. wird vorgeworfen an Angriffen auf Neonazis im Umfeld der NS-Verherrlichungsveranstaltung „Tag der Ehre“ in Budapest im Februar 2023 beteiligt gewesen zu sein. Die Redner*innen wiesen auf die Situation von Maja T. hin, die*der als non-binäre und linke Person im rechts-autoritär regierten Ungarn weder menschenwürdige Haftbedingungen noch ein faires, rechtsstaatliches Verfahren erwarten kann.

In Durchsagen während der Demonstration wurden das Publikum in der Dresdner Innenstadt darauf hingewiesen, dass das Orbán-Regime auf Kriegsfuß mit Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit steht. Das ist zwar keine Neuigkeit: Unter anderem EU-Parlament und Menschenrechtsorganisationen kritisieren das scharf, die EU hat daraufhin Ende letzten Jahres Milliardenhilfen eingefroren. Das Berliner Kammergericht störte es jedoch nicht. Am späten Donnerstagnachmittag entschied es, dass Maja T. ausgeliefert werden soll. Die Einwände von Maja T.s Verteidigung wurden abgelehnt und stattdessen auf allgemeine Zusicherungen seitens der ungarischen Behörden verwiesen. Die Berichte der ebenfalls zeitweise inhaftierten italienischen Antifaschistin Ilaria Salis über ihre menschunwürdigen Haftbedingungen, wurden gar nicht erst berücksichtigt.

Auf der Demonstration wurde auch die weitreichende politische Dimension der Auslieferung angesprochen. Thematisiert wurde das dem Urteil folgende Vorgehen von Berliner Generalstaatsanwaltschaft, LKA Sachsen und sächsischer Gefängnisverwaltung: Freitagnacht gegen 3 Uhr soll Maja T. mutmaßlich von Einsatzkräften des Polizeilichen Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum (PTAZ) aus der JVA Dresden geholt worden sein. In beispiellosem Tempo wurde Maja T. an die österreichischen Behörden und dann angeblich bereits 10 Uhr an die ungarische Polizei übergeben. Obwohl alle Beteiligten darüber informiert gewesen sein sollen, dass eine Verfassungsbeschwerde beabsichtigt bzw. in der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht ist, wurde die Auslieferung vollzogen. Sven Richwin, Verteidiger von Maja T. kommentierte noch während der laufenden Auslieferung: „Das LKA versucht derzeit, den Rechtsschutz zu unterlaufen.“ Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht um 10:50 Uhr den Stopp der Auslieferung angeordnet. Die beteiligten Behörden behaupteten aber, dass diese bereits vollzogen gewesen sei bzw. nicht zu stoppen oder rückgängig zu machen wäre. Sie haben damit nicht nur die Rechte von Maja T. mit Füßen getreten, sondern auch die obersten Verfassungshüter*innen und die oberste juristische Instanz in Deutschland düpiert.

Bild vom Oberlandesgericht Dresden, darauf zu erkennen eine Kamera
Demonstrationsfreiheit? Eine Kamera auf dem Dach des Oberlandesgerichts Dresden ist auf die Auftaktkundgebung der Solidaritätsdemonstration gerichtet.

Vereinzelt schlossen sich Passant*innen in der Innenstadt der Demonstration an. Weniger offen für das Anliegen der Demonstration zeigten sich mehreren Gruppen von Deutschland-Fussballfans, die die Demonstrant*innen bepöbelten. Fragwürdig war auch das Vorgehen der Behörden: Die Auftaktkundgebung wurde von zwei eigens installierten Kameras auf dem Dach des Oberlandesgerichts Dresdens beobachtet. Unklar ist bisher, wem diese gehören und ob das rechtmäßig war: Tatsächliche Anhaltspunkte, dass von der Demonstration „erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen“ konnte addn.me nicht wahrnehmen. Nur das würde zumindest polizeiliche Videoüberwachung rechtfertigen. Im Anschluss richtete der vorausfahrende Polizei-Kamerawagen dauerhaft die Kamera auf die Demonstration. Auf der Augustbrücke stoppte die Polizei die Demonstration, angeblich seien Personen vermummt gewesen. Es blieb jedoch ein kurzes Intermezzo, letztlich konnte der Aufzug nach einer Durchsage seinen Weg zum Alaunpark fortsetzen.

Zur Demonstration aufgerufen hatten der Ermittlungsausschuss Dresden und das Anarchist Black Cross Dresden, welche in den vergangenen Monaten Kundgebungen an der Justizvollzugsanstalt in Solidarität mit Maja abgehalten hatten. Mitschnitte der Kundgebungen mit Informationen zum Verfahren und den Haftbedingungen finden sich hier: https://ea-dresden.site36.net/tag/budapest/.


Veröffentlicht am 30. Juni 2024 um 18:13 Uhr von Redaktion in Antifa

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