Antifa

Rechtes Vernetzungstreffen in Prag blockiert

20. Dezember 2017 - 22:19 Uhr

Am vergangenen Wochenende trafen sich in der tschechischen Hauptstadt Prag die Spitzenpolitiker der ENF (Europa der Nationen und der Freiheit). Neben Geert Wilders, der auch schon bei PEGIDA in Dresden einen Auftritt hatte, war auch Marine Le Pen, die Vorsitzende des Front National, als prominenter Gast eingeladen worden. Der Kongress wurde vom Protest verschiedener antifaschistischen Gruppen begleitet und konnte auf Grund von Blockaden erst mit einer Stunde Verspätung beginnen (Bilder). Die 2015 gegründete ENF ist eine Fraktion von Rechtspopulisten im Europaparlament zu dem neben schon genannten Front National und der niederländischen Partij voor de Vrijheid (PVV) auch die italienische Lega Nord (LN), sowie die österreichische Regierungspartei FPÖ und der belgische Vlaams Belang (VB) gehören. Anders als noch zu Jahresbeginn, als beim letzten Kongress in Koblenz Alternative für Deutschland (AfD) die Schirmherrschaft übernommen hatte, nahm in Prag lediglich der mittlerweile aus der AfD ausgetretene Marcus Pretzell als Vertreter der neu gegründeten Blauen Partei am Kongress teil.

In Prag war der Rechtspopulist Tomio Okamura von der tschechischen SPD (Freiheit und direkte Demokratie) Gastgeber. Die erst 2015 gegründete Partei erhielt bei den Abgeordnetenwahlen im Herbst diesen Jahres 10,64% der Stimmen und wurde damit zur viertstärksten Kraft im Nachbarland. Die Erfolge bei den Wahlen können auch mit als Grund für die Ausrichtung des Kongresses durch die SPD gesehen werden, da der ENF damit seinen Einfluss in der sogenannten Visegrád-Gruppe stärken will, zu der auch die Tschechische Repulik gehört. Wie in Koblenz, wurde auch der Kongress in Prag von vielfältigen Protesten begleitet. So hatte die lokale antifaschistische „Iniciativa Ne Rasismu!“ im Vorfeld zu einer Vorabend-Demonstration und Blockaden am Samstag aufgerufen.

In ihrem Aufruf analysierten sie die Umstände, die zum Aufstieg des Rechtspopulismus überall in Europa führten als „Reaktion auf die Krise der modernen Gesellschaft“. „Diese Krise“, so die Gruppe weiter, „die aus den neoliberalen Entwicklungen entstanden ist, ist real – die Rechten haben sie nicht geschaffen“. Das erklärte Ziel von „Ne Rasismu!“ ist es, eine Welt zu schaffen, „die frei von der Herrschaft des Menschen über den Menschen ist. Unser Ziel ist eine von unten organisierte Gesellschaft auf der Basis der Selbstbestimmung. Wir wollen eine Sozialpolitik, die nicht darauf abzielt, nur bestimmten Kategorien von Menschen zu helfen, die durch exklusive Kriterien definiert werden – sei es Religion, Geschlecht, Klasse oder Hautfarbe.“

Am Freitag trafen sich letztlich knapp 450 Menschen unter dem Slogan: „Wer schweigt, stimmt zu“ in unmittelbarer Nähe zur Moldau. Nach einer Reihe von Redebeiträgen setzte sich die Demonstration in Bewegung und zog durch die von Menschenmassen überfüllten schmalen Prager Gassen. Mit ausgelassener Stimmung und Musik wurde nach knapp 1 ½ Stunden schließlich der Platz der Abschlusskundgebung in der Innenstadt erreicht, wo verschiedene Gruppen die Situation nach den tschechischen Parlamentswahlen beleuchteten. Abgesehen von der für Tschechien typischen großen Zahl ziviler Beamtinnen und Beamten und einer Kontrolle vom Fahrer des Lautsprecherwagens hielt sich die Polizei an diesem Tag zurück.

Tags darauf fingen die Blockadeaktionen erst am Nachmittag statt. Während von Seiten der ENF in der Prager Innenstadt eine Pressekonferenz abgehalten wurde, sammelten sich ca. 300 Aktivistinnen und Aktivisten unweit des Top International Hotel in einem Außenbezirk von Prag. Zum ersten Mal überhaupt hatte in Prag eine antifaschistische Gruppe offen zu Blockaden gegen eine rechte Veranstaltung aufgerufen. Ziel war es, die drei Zufahrtswege zu blockieren, um damit die Anreise zu behindern. Als klar wurde, dass die Pressekonferenz im Stadtzentrum beendet worden war, setzte sich vom Treffpunkt aus eine gemeinsame Demonstration in Bewegung. Nach eine paar Metern spaltete sich die Demo in drei Finger auf, die jeweils eine Straße unter „No Pasaran“-Rufen besetzten. Nachdem die Finger zum Stehen gekommen und die Straßen nicht mehr befahrbar waren, positionierten sich behelmte Einsatzkräfte in Sichtweite zu den einzelnen Blockadepunkten, ohne jedoch gleich einzuschreiten. Erst als einzelne Gruppen zu Fuß daran gehindert wurden, zum Kongressgebäude zu gelangen, kam es zu kleineren Rangeleien mit der Polizei, die sich aber ansonsten zurück hielt.

Als Geert Wilders und Marie Le Pen letztlich doch noch über Schleichwege zum Hotel geleitet werden konnten, begann der Kongress um 17 Uhr mit einer Stunde Zeitverzögerung. Anschließend vereinigten sich die Demonstrationen wieder vor dem Hotel, wo mit lauter Musik der Erfolg gefeiert und den Rechtspopulisten gezeigt wurde, dass sie nirgends Willkommen sind. Auch die Initiative „Ne Rasismu!“ zog im Nachgang ein positives Fazit: „Die Proteste waren für uns ein erster Erfolg im Kampf gegen den europäischen Rechtsruck. Wir freuen uns, dass so viele Menschen an den Protesten gestern und heute teilgenommen haben. Die Blockaden konnten den Kongress zwar nicht verhindern, waren aber selbstorganisiert und haben zu erheblichen Verzögerungen geführt. Jetzt heißt es weitermachen und das nächste Mal noch mehr Menschen zu mobilisieren – der Anfang ist gemacht“, so eine Sprecherin. Im Anschluss an die Proteste am späten Samstagnachmittag lud das akut räumungsbedrohte soziale Zentrum „Klinika“ zum geselligen Beisammensein ein. Viele Aktivistinnen und Aktivisten nutzten noch einmal die Gelegenheit um zusammenzukommen und sich über die Geschehnisse und Aktionen der letzten Tage auszutauschen.


Veröffentlicht am 20. Dezember 2017 um 22:19 Uhr von Redaktion in Antifa

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