Höhen und Tiefen – Antifaschistischer Protest um den 13. Februar 2023
15. Februar 2023 - 22:22 Uhr - Eine Ergänzung
Etwas war anders in der Vorbereitung des 13. Februars 2023: Ende des vergangenen Jahres gab das über zwölf Jahre bestehende „Bündnis Dresden Nazifrei“ seine Auflösung bekannt. Auch wenn im Februar weiterhin Nazis in Dresden aufliefen, habe das Bündnis den eigenen Anspruch erfüllt und dem größten Naziaufmarsch Europas erfolgreich ein Ende bereitet. Man mache nun Platz für neue Gruppen und Bündnisse. Nach wie vor wird der Mahngang „Täter:innenspuren“ des Bündnisses stattfinden, in diesem Jahr am 19. Februar 2023.
Das übliche Dresdner Trauerspiel begann in diesem Jahr schon am 11. Februar mit dem Naziaufmarsch aus den Kreisen der NPD, Freien Kräfte und weiterer rechter Kleinstparteien. Am 13. Februar folgten dann städtische Gedenkfeierlichkeiten, eine Friedenskundgebung vor dem Kulturpalast organisiert vom rechtsaußen-Komödianten Uwe Steimle und am Abend ein weiterer Trauermarsch, zu dem der Dresdner Querdenken-Ableger aufgerufen hatte.
Höhen und Tiefen antifaschistischen Gegenprotestes
Wie im letzten Jahr setzte die Dresdner Polizeiführung auch 2023 darauf, den geschichtsrevisionistischen Gedenkmarsch (1|2|3|4) am Samstag mit enormen Aufwand durchzusetzen. Mit 1.890 Polizist:innen aus sechs Bundesländern wurde die Naziroute frühzeitig abgeriegelt und legte so über Stunden weite Teile der Innenstadt lahm. Für die rund 800 Antifaschist:innen blieben kaum Möglichkeiten, den Aufmarsch substantiell zu behindern. Dort wo es Antifaschist*innen dennoch gelang, die Route zu erreichen, wurden sie zum Teil rabiat von den Polizeikräften angegangen.
Beim Naziaufmarsch wurde in diesem Jahr immerhin verstärkt darauf geachtet, dass Demonstrationsauflagen eingehalten werden. Die Polizei stoppte den Zug mehrfach, um Vermummung und das Mitführen von Schutzbewaffnung zu ahnden. Außerdem wurden vier Anzeigen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Symboliken geschrieben. Der Holocaust-Leugner Alfred Schäfer wurde aus dem Aufzug heraus festgenommen. Dieser hatte noch am Vorabend einen Vortrag gehalten, der via Telegram gestreamt wurde und in dem er den Holocaust erneut leugnete.
Der Naziaufmarsch zog ein braunes Potpourri aus ganz Deutschland an: Insgesamt 800 Teilnehmende fanden sich am Auftaktort ein und zogen vom Hauptbahnhof zum Bahnhof Mitte. Neben NPDler:innen marschierten Personen der „Freien Sachsen“, genauso wie Kameradschaftsgruppen und Nazis des „III. Weg“. Die Organisation lag erneut nicht in der Hand Dresdner Nazis. Maik Müller, über viele Jahre Anmelder des Aufmarsches, wurde zum zweiten Mal in Folge von Lutz Giesen vertreten. Die jahrelang tonangebende NPD ist geschrumpft und mittlerweile auf dem Niveau anderer Kleinstparteien aus dem neonazistischen Spektrum angekommen.
Während die Polizei die Lage am Samstag auch aufgrund der zahlenmäßig nicht überzeugenden Gegenmobilisierung weitgehend im Griff hatte, wendete sich das Blatt am Montag. Insgesamt 1.500 Menschen beteiligten sich an zwei antifaschistischen Demonstrationen. Aus diesen heraus entstanden mehrere Blockaden auf der geplanten Route der Querdenken-Demonstration, die ursprünglich von der Torwirtschaft an der Lingnerallee über die Wilsdruffer Straße zum Postplatz laufen wollte. Am Ende wurden es gerade einmal 800 Meter und der durch die Innenstadt geplante Trauermarsch mit 500 Teilnehmer:innen endete frühzeitig an der Halfpipe auf der St.-Petersburger-Straße.
Wenig Widerspruch regte sich hingegen bei einer Kundgebung, die am Nachmittag auf Einladung des „Jammerossis“ Uwe Steimle vor dem Kulturpalast stattfand. Im Mittelpunkt stand dort die Forderung nach einem Frieden mit Russland. Unwidersprochen konnten dort sowohl Marcus Fuchs von „Querdenken“, der umtriebige rechte Szeneaktivist Jürgen Schönherr und auch Peter Schreiber, Herausgeber der Deutschen Stimme und NPD-Funktionär, demonstrieren.
Kritische Stimmen fehlten auch bei der um 18 Uhr stattfindenden Menschenkette, bei der die rund 10.000 Teilnehmer:innen, laut Pressemitteilung der Stadt, „Solidarität mit den Opfern des Bombenangriffes auf Dresden am 13. und 14. Februar 1945“ zeigten. Die Veranstaltung reihte sich nahtlos in den bundesdeutschen Diskurs ein, der bestmöglich versucht, Opfer und Täter:innen in einen Topf zu werfen. Das Gedenken an die notwendige militärische Zerschlagung des historischen Nationalsozialismus wird umgedeutet in ein ganz allgemeines Symbol gegen Kriege. Die Menschenkette der Stadt erfuhr sogar von den Organisator:innen der „Dresden Wi(e)dersetzen“-Kampagne auf ihrem Telegram-Kanal die fragwürdige Würdigung als mögliches Zeichen für Frieden.
Von den Opfern des Nationalsozialismus bleibt bei alldem kaum eine Spur übrig. Der RAA Sachsen e.V. kritisierte eine fehlende historische Einordnung durch die Stadt Dresden, der Journalist René Loch die Berichterstattung des MDR, welche sich auf die Schlagzeile „13. Februar: Dresden mal wieder nur Opfer“ zusammenfassen lässt. Und das obwohl sich seit nunmehr zehn Jahren eine umfassende Kritik am Gedenken und dem Opfermythos detailliert im Sammelband „Gedenken abschaffen“ nachlesen lässt.
Nazismus und Geschichtsrevisionismus auch in Ungarn
Auf Twitter berichtete die Antifaschistische Initiative Löbtau über einen jährlich stattfindenden faschistischen Aufmarsch in Budapest, Ungarn. Dort begehen europaweit anreisende Nazis am Jahrestag der Kapitulation der umzingelten Waffen-SS im Jahr 1945 den sogenannten „Tag der Ehre“. Auch Dresdner Neonazis, so etwa Sven Hagendorf, reisten in den vergangenen Jahren regelmäßig an, um in Wehrmachts- und SS-Uniformen ihren historischen Vorgängern nachzueifern.
Das Event in Budapest dient der Vernetzung und Selbstdarstellung europäischer Nazis und bietet mit einer Wanderung und Konzerten von NS-Bands einen wichtigen Anlaufpunkt für bekennende Fanatiker:innen. Ungarn eignet sich mit seiner extrem rechten Regierung und entsprechenden Geschichtserzählungen nur zu gut für derlei faschistischen Karneval. In diesem Jahr erlebte dieser einigen Widerspruch: Auch Antifaschist:innen aus vielen europäischen Ländern waren angereist, um Protest auf die Straße zu bringen. Einige von ihnen wurden nach Informationen des Tagesspiegel vor Ort festgenommen, nachdem sie Nazis attackiert hatten.
Den Täter:innen auf der Spur
Am 19. Februar 2023 will der „Mahngang Täter:innenspuren“ auf die nationalsozialistische Kunst- und Kulturpolitik aufmerksam machen. Anlass dafür ist die Ausstellung „Entartete Kunst“, die vor 90 Jahren im Lichthof des Dresdner Rathauses gezeigt wurde. In dieser hatten die NationalsozialistInnen zahlreiche durch sie verbotene und konfiszierte Kunstwerke mit Schmähungen versehen und ausgestellt. Parallel zur Zerstörung von Kunst- und Kulturgütern, setzten die NationalsozialistInnen auf eine eigene Kulturpolitik, die ihre Vorbilder bei der antiken Kunst suchte. Ziel war es Heroismus, Opferbereitschaft und Stärke einer angeblichen arischen Rasse darzustellen. All das erinnert nicht zuletzt an die Kulturvorstellungen der AfD und anderer rechtsradikaler Parteien in Europa.
Titelbild: Straßengezwitscher
Veröffentlicht am 15. Februar 2023 um 22:22 Uhr von Redaktion in Antifa, Nazis