Gedenkaktionen für Todesopfer rechter Gewalt
21. April 2019 - 20:53 Uhr
Am 17.04.2019 fanden in ganz Sachsen Aktionen im Gedenken an Todesopfer rechter Gewalt statt. Aufgerufen dazu hatte die überregionale Vernetzung „Wasteland“. Als Anlass nannte das Bündnis in seiner Pressemitteilung den ersten Todestag des in Aue vor einem Jahr ermordeten Christopher W. Er ist das offiziell 17. Todesopfer rechter Gewalt in Sachsen. Auch in Dresden beteiligten sich mit der „Undogmatischen radikalen Antifa“ (URA) eine Gruppe an den landesweiten Gedenkaktionen. Bereits am 6. April 2019 wurde mit verschiedenen Aktionen dem 1991 in Dresden ermordeten, mosambikanischen Gastarbeiter Jorge Gomondai gedacht, der 1991 von Nazis aus einer fahrenden Bahn geworfen worden war. Er war das erste Todesopfer rechter Gewalt in Sachsen nach der Wende.
In den Morgenstunden des 17. April wurden 17 schwarze Banner an der Brühlschen Terrasse aufgehängt. Die auf kleinere Banner geschriebenen Namen der 17 Todesopfer rechter Gewalt rahmten ein großes Banner mit der Aufschrift „#17zuViel“ ein. In einem Video, das die URA auf Youtube veröffentlichte, ist zu sehen, wie begleitet dazu Rauchtöpfe angezündet wurden, so dass die Kulisse der „Hochschule für Bildende Künste“ (HfBK) kurz darauf in schwarzen Rauchschwaden unterging. Auch in anderen Städten wie Aue und Leipzig wurde auf die Schicksale der 17 Todesopfer aufmerksam gemacht. Auf Twitter veröffentlichte die Gruppe „Rassismus tötet“ Hintergründe zu einzelnen Fällen rechter Morde in Sachsen seit 1990.
Christopher W. war am 17. April 2018 im sächsischen Aue ermordet worden. Zur Zeit läuft vor dem Chemnitzer Amtsgericht gegen drei Personen ein Prozess wegen Mordes. Den Angeklagten wird vorgeworfen, den 27-jährigen Homosexuellen zu Tode gefoltert und ihn anschließend in eine Grube am Betriebshof des Busunternehmens RVE geworfen zu haben. Anders als die Staatsanwaltschaft, geht die die Gruppe „Wasteland“ von einem rechten Tatmotiv aus. Alle drei Angeklagten haben laut „Wasteland“ einen rechten Hintergrund und sollen in der Vergangenheit unter anderem mit Hitlergrüßen aktenkundig geworden sein. „Trotz all der Fakten und dem Wissen um die Ideologie der Täter spielt diese in der Berichterstattung kaum eine Rolle. Die lokale Presse und die Staatsanwaltschaft wollen kein politisches Motiv sehen„, erklärte der Pressesprecher der Wasteland -Vernetzung Swoboda in der Pressemitteilung über die Notwendigkeit des Aktionstages.
Kritik an der Sichtweise der Staatsanwaltschaft formulierte jedoch nicht nur die „Wasteland-Vernetzung“, unlängst hatte auch die Opferberatung des RAA Sachsen bei der Vorstellung ihres Jahresberichtes ein rechtes und homophobes Tatmotiv hinter der Tat vermutet. Andrea Hübler von der Opferberatung erklärte hierzu in einer Pressemitteilung zur Statistik rechter Gewalt 2018: „Mehrere Punkte sprechen dafür, dass seine [Christopher W.s] sexuelle Orientierung das Motiv gewesen ist: die exzessive, brutale Tatbegehung spricht für ein Hassverbrechen, ebenso die Verortung der Beschuldigten im rechten Spektrum. Es ist bekannt, dass Christopher zuvor bereits von den Tätern, mit denen er bekannt war, entsprechend beschimpft und verletzt wurde.“ Mittlerweile hat auch das Sächsische Staatsministerium des Innern (SMI) die Tat als politisch motiviert gewertet und Christopher W. offiziell als 17. Todesopfer rechter Gewalt in Sachsen anerkannt.
Homosexuelle werden von Nazis immer wieder verfolgt, angegriffen und ermordet. In der Statistik der Todesopfer rechter Gewalttaten tauchen mehrere Personen auf, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung getötet wurden. So wurde zum Beispiel 2003 der in Naumburg (Sachsen-Anhalt) lebende Andreas Oertel von einer Gruppe Erwachsener misshandelt und erlag anschließend an seinen schweren Verletzungen. Die Täter prahlten nicht nur in ihrem Freundeskreis mit der Tat, sondern gaben auch unverhohlen vor Gericht zu, dass sie Andreas Oertel aufgrund seiner geistigen Beeinträchtigung und Homosexualität bestrafen wollten. Bis zum heutigen Stand fand Andreas Oertel keine Anerkennung als offizielles Opfer rechter Gewalt.
Veröffentlicht am 21. April 2019 um 20:53 Uhr von Redaktion in Antifa