Gedankenlose Erinnerungskultur
13. Februar 2014 - 12:45 Uhr - 3 Ergänzungen
Was gestern schon durch das Netz geisterte, wurde am späten Abend Gewissheit, die Nazis werden nach ihrer erfolgreichen Demonstration am Vorabend des 13. Februars auf ihre für heute 18 Uhr angesetzte Kundgebung verzichten. Stattdessen rufen sie auf einschlägigen Internetseiten dazu auf, sich sowohl an der von allen Parteien gemeinsam mit der Stadt initiierten Menschenkette, als auch am eigentlichen Gedenken zu beteiligen. Damit jedoch dürfte die Stadt weit weniger ein Problem haben, als es offizielle Verlautbarungen erscheinen lassen. Schließlich hat es fast 15 Jahre gedauert, bis das Gedenken an die Opfer der Bombardierungen ohne störende Demonstrationen und Hubschrauberlärm stattfinden konnte. Mit dem heutigen Tag dürfte sich dieses Kapitel vorerst geschlossen haben. Doch das als Erfolg zu bezeichnen, ist mehr als fragwürdig.
Das stetig wachsende Begleitprogramm in Erinnerung an die Ereignisse vor 69 Jahren lässt nur erahnen, was in der Stadt unter historischer Aufarbeitung verstanden wird. Schon nach dem Rücktritt des Leiters der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (SLpB) in seiner Funktion als Moderator der städtischen Arbeitsgruppe zum 13. Februar hätte erkannt werden müssen, dass nach dem Ende der großen Naziaufmärsche in der Stadt nicht das Ziel verfolgt wird, das eigentliche Gedenken in der Stadt zu reformieren. Nicht erst seitdem die „Weiße Rose“ als Symbol für den 13. Februar kritiklos in der Erinnerungskultur der Stadt eingebettet werden konnte, sollte klargeworden sein, dass es in Dresden schon seit geraumer Zeit den Versuch gibt, die offenbar noch immer traumatischen Ereignisse zum Anlass zu nehmen, um inhaltsleer die Parolen der 1980er Friedensbewegung aufzugreifen und für Frieden in der Welt auf die Straße zu gehen.
Doch Dresden war zu keiner Zeit ein Ort des Widerstandes, Dresden war eine deutsche Stadt wie jede andere auch. Auch hier wurden, wie überall, nicht nur jüdische Geschäfte zerstört und die Synagoge angezündet, sondern auch tausende Menschen in die Vernichtungslager deportiert und umgebracht. Diese Fakten werden allerdings nicht unterschlagen, sondern vielmehr in eine Reihe mit den Opfern der Bombardierungen gestellt. Das Ergebnis einer solchen Form der geschichtlichen Aufarbeitung ist, dass die Erinnerung an das verblasst, was nicht erst mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten seinen Anfang nahm. Es ist bezeichnend, wenn die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in Dresden fast ausschließlich am 13. Februar stattfindet. Und so verwundert es kaum, dass selbst ein lokales Bündnis wie „Dresden Nazifrei“ in einem Interview betont, ihr „Label“ für andere Gegenaktivitäten nicht zur Verfügung stellen zu wollen. Ganz so, als ob das Naziproblem und ihre Form des Erinnerns einzig und allein am 13. Februar existieren würden.
Das Problem an Dresden ist, dass Geschichtsschreibung nicht als Prozess der kritischen Auseinandersetzung aufgefasst wird. Das aktuelle Gedenken beruht auf dem Mythos einer objektiven Geschichtsschreibung, die es so nie gegeben hat. Trotz aller DDR-feindlichen Reflexe im politischen Establishment in der Landeshauptstadt, werden unhinterfragt diskussionswürdige Hinterlassenschaften aus eben jener Zeit weitervererbt. Die scharfe Kritik an anglo-amerikanischen Luftschlägen waren in der DDR ebenso konstituierendes Moment der Geschichtsschreibung, wie sie es heute für die demonstrierenden Nazis und einen Großteil der trauernden Bürgerinnen und Bürger sind. Während sie damals vor allem dazu dienten, sich von den westlichen Alliierten abzugegrenzen, vereinen sich antiamerikanische, kleinbürgerliche Ressentiments heutzutage mit einem Gefühl, die letzten 23 Jahre übervorteilt worden zu sein. Auch wenn sich mittlerweile die realistischeren Opferzahlen zumindest im offiziellen Diskurs durchgesetzt haben mögen, benötigt die Stadt scheinbar mehr denn je einen Opferstatus, der, in Hinblick auf geistige und tatkräftige Mittäterschaft an nationalsozialistischen Verbrechen, absolut unangebracht ist.
Während in der großen Koalition mittlerweile davon die Rede ist, deutsche Soldatinnen und Soldaten an immer mehr Kriegsschauplätzen in aller Welt einzusetzen, schafft es die Stadt wie keine andere, das Erinnern an die Verbrechen zur Zeit des Nationalsozialismus und ihren Appell für Frieden mit dem in Verbindung zu setzen, was die logische Konsequenz aus Vernichtungswahn und Rassenkrieg gewesen ist. Doch das geschieht in Sachsen nicht im luftleeren Raum. So wirbt eine Partei mit dem Slogan: „Heimat schützen! Miteinander gegen Nazis“ für zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechts, obwohl Wahlergebnisse und Opferzahlen von Naziübergriffen genug Anlass zur Besorgnis geben müssten, dass diese „Heimat“ auch die der Nazis ist. Dazu passt ein Bündnis, für das der 13. Februar wichtiger zu sein scheint, als eine erfolgreich verhinderte Nazidemonstration am 12. Februar. Und dazu gehört nicht zuletzt auch eine Oberbürgermeisterin, die ihr Engagement und ihren Mut heute Abend in der Menschenkette unter Beweis stellen wird. Dass allerdings die Stadt mit ihrer Informationspolitik alles dafür getan hat, den gestrigen Erfolg der Nazis überhaupt erst zu ermöglichen, wird angesichts der Menschenkette wohl kaum gesagt werden.
Vor allem die Beteiligten an den großen Mobilisierungen in den letzten Jahren müssen sich fragen lassen, weshalb so wenig von der früheren Kritik am eigentlichen Gedenken übrig bleiben konnte und wieso die Situation fast 70 Jahre nach den Bombardierungen eine Richtung einschlagen konnte, in der Dresden munter weiter in eine Reihe mit den Opfern des Nationalsozialismus gestellt wird. Wenn Joachim Klose, der neue Moderator der AG 13. Februar, davon spricht, dass „Trauer nicht einfach aufhört“, wenn Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) als Vertreter der Staatsregierung die Teilnahme am Gedenken als „kraftvolles Zeichen gegen den Missbrauch […] durch Extremisten“ bezeichnet, passt das letztlich in eine von der CDU seit mehr als zwei Jahrzehnten dominierte politische Alltagskultur. Aber wenn der MDR dann die Proteste damit zu legitimieren glaubt, indem er eine Trennung zwischen bürgerlichem Gedenken auf der einen und Nazigedenken auf der anderen Seite aufmacht, so als würde sich antifaschistischer Protest nur gegen die eine Art des Gedenkens richten, spätestens dann sollte deutlich geworden sein, dass eine antifaschistische Intervention wichtiger ist, denn je.
Veröffentlicht am 13. Februar 2014 um 12:45 Uhr von Redaktion in Antifa
Prinzipiell finde ich den Artikel gut, auch weil er kritisch dem gesamten Denken und Andenken an die Tage und Nächte rund um dem 13./14. Februar 1945 bis heute herangeht. Was mir jedoch bitter aufstößt ist, dass danach nichts kommt. Kritik kann jeder gern in einer sachlichen Form üben/ äußern.
Ich denke nicht, dass sich die heutigen Dresdner in der Opferrolle sehen und diese mit Sicherheit auch nicht forcieren, aber ich bin der Meinung man kann um die Menschen trauern, die dem damaligen „Rachefeldzug“ oder „Abschottung“ (was es war, da der Krieg, längst vorbei war) zum Opfer gefallen sind.
Natürlich sollte man in dem Fall nicht die Rolle von ganz Deutschland, als Kriegsführer mit all seinen Folgen, außer acht lassen, aber dafür muss Deutschland nun schon seit 70 Jahren bluten.
Irgendwann sehe ich eine Grenze erreicht mich für Dinge zu entschuldigen zu müssen die eine vollkommen andere Generation verursacht und gelebt hat.
Und soweit ich es verstanden habe stehen diese Menschenketten nicht allein für die 25.000 Opfer die diese Nächte gefordert haben, sondern für das gemeinsam für etwas einstehen.
Auch wenn dies von einigen Gruppierungen und Parteien gern als Plattform für andere Beweggründe genutzt wird.
Ich hoffe ich konnte meine Gedanke zum Artikel und zum Gedenken irgendwie rüberbringen…
Ich kann dieses „der Krieg war zu der Zeit längst vorbei“ nicht mehr hören.
Wenn sie was über den Krieg gesagt hat, hat meine Großmutter immer nur von ihrem eigenen traumatischen Erlebnis erzählt, nämlich die Operation Nordwind, wo seitens der Wehrmacht versucht worden war, die alliierten Kräfte in Elsass und den Vogesen zu vernichten. Wann war diese Operation? ach ja, Januar 1945. Den Monat hat meine Großmutter und zahlreiche andere Leute fast komplett im Keller verbracht. Wann war der Krieg in Europa zu Ende? Ende April 1945, nicht in Februar.
Diese Menschenkette ist heuchlerisch, und dass die Nazis heute daran teilgenommen haben ist sehr bezeichnend. Gedenken ist nicht etwas, was man von irgendeine Instanz oder politische Gruppe verordnet kriegt, Gedenken kann nur eine persönliche Sache sein, und jemand der gedenken will, mach das für sich und still. Dieses ganze Händchenhalten ist nur Instrumentalisierung der Bombardierung, und Verdummung.
Komisch, dass in andere Städte, die auch fast komplett wegbombardiert wurden, solch eine Heuchelei nicht stattfindet. Dresden ist die einzige Stadt, wo versucht wird, Nazis, Krieg und Elend durch einer Menschenkette wegzuwünschen. Wenn das das ist, was du unter „gemeinsam für etwas einstehen“, bravo, die Welt wird so was von besser davon.
@Fritzsche: Ich finde auch nicht, dass ich mich für etwas entschuldigen muss, was eine völlig andere Generation getan hat, kann ich ja nichts dafür – aber: In dem Moment, in dem ich einer Generation bzw. ihrer Opfer gedenke, sehe ich mich auch in der Pflicht, zu berücksichtigen, warum diese Menschen gelitten haben, und wen sie vielleicht selbst haben leiden lassen (und ob das die Ursache für ihr eigenes Leiden war) etc. Denn wenn sie selbst schuld an ihrem Leiden waren, und ich gedenke ihrer als Opfer (nur Opfer, und zumindest im Zusammenhang menschlicher Taten als Opfer anderer), dann befreie ich sie durch meine selektive Darstellung von ihrer eigenen Schuld (und weise diese Schuld anderen zu) – und verdrehe also das Geschichtsbild derer, die mein Gedenken unvoreingenommen wahrnehmen.
Ich hoffe, ich konnte meine Gedanken zu Deinem Kommentar verständlich rüberbringen…