Dresden: Familie – aber Reaktionär und ohne Frauen
26. Oktober 2021 - 19:16 Uhr - Eine Ergänzung
Am vergangenen Wochenende fanden sich auf Einladung der AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag mehrere Dutzend Abgeordnete anderer europäischer rechter Parteien im Schloss Albrechtsberg in Dresden ein. Sie nahmen dort an der ersten AfD-Familienkonferenz teil. Am Ende der Veranstaltung stand eine gemeinsame Erklärung, die sich gegen „Identitätspolitik“ und „Schwangerschaftsabbrüche“ richtete.
Ein großer Kronleuchter prangt über den Teilnehmer:innen. Die kerzenförmigen Lampen färben die Wände leicht golden. Licht strömt durch die großen Fenster am Ende des Raumes, welche mit geschwungenen Seidenvorhängen behangen sind. Der Kronensaal des Schloss Albrechtsberg dürfte genau das Tagungsambiente geboten haben, welches sich die sächsische AfD-Fraktion für ihre internationalen Gäste gewünscht hatte: prunkvoll und herrschaftlich.
Anders als an Orten, wo die rechte Partei mit ihrem reaktionären Programm auf viel Widerspruch trifft, wenn sie Räume für ihre Treffen sucht, ist Dresden zunehmend ein wichtiger Ort für sie. Während die AfD in Berlin an den Stadtrand oder gar in ein Zirkuszelt ausweichen musste, finden extrem rechte Akteur:innen in der Sächsischen Landeshauptstadt widerspruchslos immer wieder repräsentative Orte. Zuletzt war dies im November 2019 der Fall, als führende Köpfe der AfD im prominenten Pianosalon in der Dresdner Innenstadt zu einem rechten Stelldichein in bester Lage einluden.
Extrem rechte Prominenz
Rund 30 Teilnehmer:innen aus mehreren europäischen Ländern folgten der Einladung der AfD-Fraktion. Neben der Partei Sme Rodina aus der Slowakei, der Partei Vox aus Spanien und der britischen UKIP nahm noch die lettische Partei Neatkarigie, Vlaams Belang aus Belgien und EKRE aus Estland Teil. Allesamt sind rechtspopulistische bis extrem rechte Parteien. Die sächsische AfD wurde durch Jan-Oliver Zwerg, Joachim Keiler und Landeschef Jörg Urban vertreten. Ziel der Veranstaltung sei es gewesen, „die Vernetzung mit anderen patriotischen, konservativen und freiheitlichen Kräften in Europa voran zu treiben“, erklärte Jörg Urban auf Facebook.
Aus Rheinland-Pfalz angereist war die Bundestagsabgeordnete der AfD Nicole Höchst, die zum Thema „Familie geht uns alle an“ referierte. Die 51-Jährige war im September zum zweiten Mal in den Bundestag gewählt worden und ist AfD-Stellvertreterin im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. In der Vergangenheit fiel die ehemalige Studienrätin durch reaktionäre Aussagen über Gleichberechtigung auf: ihrer Meinung nach würden Frauen in Deutschland zur Arbeit gezwungen. Strukturelle Benachteiligung von Frauen sei wie ein Yeti: „jeder spricht darüber, aber noch niemand hat ihn ernsthaft gesehen“, erklärte Höchst in einer Bundestagsrede anlässlich des Weltfrauentags.
Mit Höchst gemeinsam saß Felix Menzel auf einem Podium. Der Pressereferent der AfD ist einer der zentralen ideologischen Stichwortgeber der Identitären Bewegung (IB) und eng befreundet mit Götz Kubitschek. Bereits 2013 eröffnete der Publizist das Identitäre Zentrum in Dresden, welches jedoch nach kurzer Zeit wieder schließen musste. In der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Blaue Narzisse“ werden immer wieder antifeministische, trans- und homofeindliche Artikel veröffentlicht. In einem von ihm geführten Interview mit der Mitarbeiterin der Technischen Universität Dresden (TU) und Publizistin Bettina Gruber für den Manuskriptverlag, sprach diese im vergangenen Jahr unter Anderem davon, dass die Gender-Theorie ein „Instrument der mentalitätsmäßigen Gleichschaltung“ sei.
Mit völkischer Familienpolitik gegen die Moderne
Ein derartiger Duktus prägt auch die gemeinsame Erklärung, die aus der Konferenz hervorgegangen ist und wenig Neues im rechten Sprachkanon bietet. Familie bilde „die Grundlage zum Gedeihen und die Zukunft der europäischen Völker“. Allerdings sei der „klassische Familienbegriff zunehmend ideologischen Angriffen […] und Relativierungen durch Vertreter einer vermeintlich progressiven Identitätspolitik“ ausgesetzt. Um dagegen zu halten, wolle man die „institutionelle Förderung klassischer Familien […] ausbauen und ihren ideellen Stellenwert in der Gesellschaft stärken“. Dafür sei neben einer „Willkommenskultur für Kinder“ und dem „Schutz ungeborenen Lebens“ auch die „Gewährleistung von ideologiefreier Bildung“ von Nöten.
Das Ziel der von allen Teilnehmer:innen unterzeichneten Erklärung ist es, die „traditionelle heterosexuelle Kleinfamilie als Garant gesellschaftlicher Ordnung“ zu erhalten. Es wird eine reaktionäre und völkische Bevölkerungspolitik propagiert. Ob das klassische, patriarchale Weltbild der AfD und ihrer Verbündeten, welches Männer in gesellschaftlichen Positionen und Frauen hinter dem Herd sehen will, bei Frauen auf Gehör stößt, ist fraglich. Dass bei einer Konferenz zum Thema Familienpolitik, von über 30 Teilnehmer:innen nur eine Handvoll Frauen anwesend waren, spricht nicht gerade dafür. Auch bei der letzten Bundestagswahl schnitt die AfD bei Frauen fast ein Viertel schlechter ab, als bei Männern.
Abgesehen davon dürfte die Veranstaltung dennoch als Erfolg für die sächsische AfD gewertet werden. Dass die Landtagsfraktion Abgeordnete aus ganz Europa in Dresden versammeln konnte, zeugt nicht nur von den Ressourcen und einer engen Vernetzung, sondern könnte auch die Stellung der Flügel nahen Fraktion in den bundesweit geführten innerparteilichen Machtkämpfen stärken. Auf Facebook bedankte sich Nicole Höchst dann auch postwendend bei Jörg Urban für die Einladung zu „dieser wichtigen internationalen Netzwerkveranstaltung“. Es wird also nicht die Letzte Veranstaltung dieser Art gewesen sein. Ob die Konferenz jedoch eine Relevanz erreichen wird, wie der „World Congress of Families„, an der auch regelmäßig der Dresdner AfD-Europaabgeordnete Maximilian Krah teilnimmt, ist eher fraglich.
Bildquelle: AugustusToursder politischen Debatte
Veröffentlicht am 26. Oktober 2021 um 19:16 Uhr von Redaktion in Antifa, Feminismus
Beschämend, dass der AfD in Dresden so ein Podium in gediegener Atmosphäre geboten wird. Das zeigt doch in erster Linie, dass hier einige gerne Geschäfte mit dem Braunen Rand machen wollen.