Alltäglichkeit rechter Gewalt in Sachsen
15. September 2010 - 20:30 Uhr - 6 Ergänzungen
Auch gut zwei Wochen nach dem ersten Brandanschlag auf das alternative Wohnprojekt „Praxis“ in Dresden-Löbtau bei dem das Zimmer eines Bewohners nahezu ausgebrannt war, sind bis heute keine Festnahmen durch die Polizei bekannt. Das Bemerkenswerte an der aktuellen Situation ist, dass sich mit Ausnahme von einigen wenigen Parteien und Institutionen, die mediale und öffentliche Empörung und damit auch der Druck gegenüber den Ermittlungsbehörden in Grenzen hält. Ähnlich wie zu Beginn der 90er Jahre wird über offensichtliche Probleme nicht diskutiert, sondern rechtsmotivierte Taten bagatellisiert und Täter entpolitisiert. Und so ist es nicht verwunderlich, dass den politischen Lippenbekenntnissen des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich nach den Brandanschlägen in Freiberg rasch der Wechsel zum politischen Alltagsgeschäft folgte.
Ein kurzer Blick in die Provinz sollte jedoch deutlich machen, wie wenig die vermeintliche Ruhe in einigen Stadtteilen Dresdens und Leipzigs mit der Realität in weiten Teilen Sachsens zu tun hat. Im Freistaat kam es in diesem Jahr schon zu mindestens 14 rechtsmotivierten Brandanschlägen. Allein in den Sommermonaten brannten in Freiberg und Eilenburg mehrere Restaurants und Imbisswagen ausländischer Besitzer. Dabei entstand nicht nur immenser finanzieller Schaden, sondern auch eine große Verunsicherung bei den Betroffenen. In allen Fällen ist es Zufall, dass keine Menschen verletzt oder sogar getötet wurden.
Inzwischen hat sich der rechte Terror mehr als deutlich in der Landeshauptstadt zurückgemeldet. Doch bezeichnenderweise reagierte beispielsweise Dresdens CDU-Oberbürgermeisterin Helma Orosz erst nach dem Anschlag auf eine jüdische Begräbnishalle auf die Anschläge. Nach einer Störaktion im Dresdner Stadtrat Ende August wurde von der Security des Rathauses versucht, die protestierenden Jugendlichen an einer Rede über die fehlende Reaktion der Verantwortlichen in der Stadt zu hindern.
Im Augenblick beschäftigt die Mehrheit der schwarz-gelben Stadtratsabgeordneten und lokale Medien vor allem die einseitig und revisionistisch geführte Debatte um ein Denkmal für mehr als 55.000 Angehörige der Royal Air Force, die für die Befreiung Europas ihr Leben ließen. Stein des Anstoßes ist ein geplantes Denkmal im Londoner Green Park. Gleichzeitig hetzen Abgeordnete wie der CDU-Scharfmacher Lars Rohwer gegen den bevorstehenden Aufmarsch von „Extremisten“ im kommenden Februar. Zu einer Reihe von bis heute unaufgeklärten rechten Brandanschlägen in Sachsen und der gestiegenen Zahl von rechten Übergriffen äußerte sich hingegen bisher keine der beiden regierenden Parteien.
Auch in einer CDU-geführten Stadt gehören alternative Wohnprojekte zu einer sich selbst als pluralistisch verstehenden Gesellschaft. Ein Angriff auf sie, kann nur als Angriff auf die Grundwerte unserer Gesellschaft begriffen werden. Zu Weltoffenheit gehören keine Debatten über den gesellschaftlichen Nutzen von Migrantinnen und Migranten, sondern stattdessen eine nachhaltige Unterstützung demokratischer und antirassistischer Projekte, genauso wie eine Verbesserung der menschenunwürdigen Lebensbedingungen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber. Aus diesem Grund sind alle Institutionen und Gruppen aber auch alle aktiven Bürgerinnen und Bürger dazu aufgerufen, sich mit den Ursachen von rassistischer und rechtsmotivierter Gewalt auseinanderzusetzen. Die überregionale Demonstration am 18. September kann daher nur als Auftakt dafür verstanden werden, sich mit allen Betroffenen rechter Gewalt zu solidarisieren und mit interessierten Gruppen und Einzelpersonen eine nachhaltige Diskussion über die Prinzipien demokratischer Partizipation anzustoßen.
Weitere Infos:
Veröffentlicht am 15. September 2010 um 20:30 Uhr von Redaktion in Antifa, Freiräume
Fotos der Demonstration unter:http://kulturhaus-pirna.de/akubiz/modules/myalbum/viewcat.php?num=10&cid=163
Hausprojekt RM16 sagt Begehung durch LKA ab
Das linke Wohn- und Kulturprojekt RM16 sagt aufgrund des skandalösen Verhaltens der Polizei am vergangenen Samstag eine Begehung seiner Räumlichkeiten ab.
Es war eine Begehung des Objektes durch Beamte der Soko Rex im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu dem Brandanschlag auf die RM16 im August vergangenen Jahres geplant.
Zur Begründung erklärte das Hausprojekt:
Wir verurteilen die martialische und gewaltsame – und im übrigen zumindest in dieser Form illegale – Durchsuchungs-, Beschlagnahme- und Festnahmeaktion, welche das LKA und SEK (Sondereinsatzkommando) am Abend des 19. Februar in den Räumen des „Roten Baum“ sowie der Linkspartei und einer Anwaltskanzlei durchführten.
Außerdem stellen wir fest, dass die Polizei zwar zum Schutz und zur Durchsetzung des Naziaufmarsches massiv gegen Gegendemonstrant_innen vorgegangen ist, aber gleichzeitig nicht Willens oder in der Lage war, Wohnhäuser, die bereits in der Vergangenheit Angriffsziele von Neonazis waren und deren Gefährdung dadurch bekannt war, zu schützen.
Bei dem Angriff von 200 Nazis am 19. Februar auf das Wohnhaus “Praxis” in Dresden Löbtau sahen die Besatzungen von mindestens drei unmittelbar anwesenden Streifenwagen untätig zu, während das Haus von Nazis mit Steinen beworfen wurde. (http://www.youtube.com/v/5yDT_UHupSQ)
Der Angriff dauerte etwa 10 Minuten, der Anmarsch der Nazis aus Richtung Freital war der Polizei im Vorfeld bekannt.
Sahen wir uns schon vor diesen Ereignissen vor die schwierige Entscheidung gestellt, ob wir einer Begehung unserer Räumlichkeiten im Rahmen der Ermittlungen des LKA zustimmen können, so ist es uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, unsere Türen für diejenigen zu öffnen, die Überfälle auf linke Projekte verüben oder ihnen tatenlos zusehen. Es erscheint uns höchst widersprüchlich, einerseits mit der Festnahme des Neonazis Stanley Nähse im Januar diesen Jahres den Erfolg der Polizei im Kampf gegen gewälttätige Neonazis zu feiern, andererseits jedoch eben diese in ähnlich gefährlicher Weise gewähren zu lassen. Dass die „Praxis“ bei dem Angriff am vergangenen Sonnabend nur Sachschaden nahm, ist jedenfalls nicht dem Verhalten der Polizei zuzurechen. Wie die Brandanschläge auf „Praxis“ und RM16 im vergangenen Jahr zeigen, schrecken Neonazis nicht vor Mordversuchen auf politische Gegner zurück.
Wir fordern die Sächsische Landespolizei auf, zu den genannten Vorfällen, insbesondere zu dem Verhalten der beteiligten Beamten, Stellung zu beziehen. Im Übrigen erwarten wir, dass die Täter auch ohne die Kooperation der Betroffenen ermittelt werden. Damit meinen wir ausdrücklich auch die beteiligten Polizeibeamten.
http://kneipentreff.blogsome.com/2011/02/22/hausprojekt-sagt-begehung-durch-lka-ab/
Hausprojekt RM16 sagt Begehung durch LKA ab
Das linke Wohn- und Kulturprojekt RM16 sagt aufgrund des skandalösen Verhaltens der Polizei am vergangenen Samstag eine Begehung seiner Räumlichkeiten ab.
Es war eine Begehung des Objektes durch Beamte der Soko Rex im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu dem Brandanschlag auf die RM16 im August vergangenen Jahres geplant.
Zur Begründung erklärte das Hausprojekt:
Wir verurteilen die martialische und gewaltsame – und im übrigen zumindest in dieser Form illegale – Durchsuchungs-, Beschlagnahme- und Festnahmeaktion, welche das LKA und SEK (Sondereinsatzkommando) am Abend des 19. Februar in den Räumen des „Roten Baum“ sowie der Linkspartei und einer Anwaltskanzlei durchführten.
Außerdem stellen wir fest, dass die Polizei zwar zum Schutz und zur Durchsetzung des Naziaufmarsches massiv gegen Gegendemonstrant_innen vorgegangen ist, aber gleichzeitig nicht Willens oder in der Lage war, Wohnhäuser, die bereits in der Vergangenheit Angriffsziele von Neonazis waren und deren Gefährdung dadurch bekannt war, zu schützen.
Bei dem Angriff von 200 Nazis am 19. Februar auf das Wohnhaus „Praxis“ in Dresden Löbtau sahen die Besatzungen von mindestens drei unmittelbar anwesenden Streifenwagen untätig zu, während das Haus von Nazis mit Steinen beworfen wurde. (http://www.youtube.com/v/5yDT_UHupSQ)
Der Angriff dauerte etwa 10 Minuten, der Anmarsch der Nazis aus Richtung Freital war der Polizei im Vorfeld bekannt.
Sahen wir uns schon vor diesen Ereignissen vor die schwierige Entscheidung gestellt, ob wir einer Begehung unserer Räumlichkeiten im Rahmen der Ermittlungen des LKA zustimmen können, so ist es uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, unsere Türen für diejenigen zu öffnen, die Überfälle auf linke Projekte verüben oder ihnen tatenlos zusehen. Es erscheint uns höchst widersprüchlich, einerseits mit der Festnahme des Neonazis Stanley Nähse im Januar diesen Jahres den Erfolg der Polizei im Kampf gegen gewälttätige Neonazis zu feiern, andererseits jedoch eben diese in ähnlich gefährlicher Weise gewähren zu lassen. Dass die „Praxis“ bei dem Angriff am vergangenen Sonnabend nur Sachschaden nahm, ist jedenfalls nicht dem Verhalten der Polizei zuzurechen. Wie die Brandanschläge auf „Praxis“ und RM16 im vergangenen Jahr zeigen, schrecken Neonazis nicht vor Mordversuchen auf politische Gegner zurück.
Wir fordern die Sächsische Landespolizei auf, zu den genannten Vorfällen, insbesondere zu dem Verhalten der beteiligten Beamten, Stellung zu beziehen. Im Übrigen erwarten wir, dass die Täter auch ohne die Kooperation der Betroffenen ermittelt werden. Damit meinen wir ausdrücklich auch die beteiligten Polizeibeamten.
http://kneipentreff.blogsome.com/2011/02/22/hausprojekt-sagt-begehung-durch-lka-ab/