Feminist*innen nehmen sich in Dresdner Neustadt die Nacht zurück
7. Mai 2022 - 11:20 Uhr
Am Vorabend des 1. Mai zog um 21 Uhr die erste „Take Back the Night“ -Demonstration Dresdens kraftvoll und kämpferisch durch die Neustadt. Ca. 150 FLINTA* (Frauen, Lesben, nichtbinäre, inter, trans und agender Personen ) und Queers nahmen sich eben jenen öffentlichen Raum zurück, der ihnen laut ihrem Aufruf immer noch durch patriarchale Gewalt verwehrt werden soll. Gleichzeitig mit weiteren TBTN-Demos in Bremen, Berlin und München, liefen die Aktivist*innen unter dem Motto „Vereint in unserem Schmerz, vereint in unserer Wut – für die Zerschlagung des Patriarchats“. Zugleich wurde mit der Demonstration ebenso den Opfern von Femiziden gedacht.
„Für uns war die Take back the Night-Demonstration ein voller Erfolg. Wir waren laut und präsent und der Zuspruch war enorm. Das zeigt uns, dass wir genau das richtige getan haben, um unsere Wut und unseren Hass auf bestehende Machtstrukturen auf die Straße zu bringen“, sagte eine Sprecherin des Orga-Teams.Während der Demonstration, zu der hetero–cis-Männer nicht eingeladen waren, wurde mit lauten Parolen wie „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat!“ oder „Macker gibt’s in jeder Stadt – bildet Banden macht sie platt!“ die Zerschlagung des kapitalistischen Patriarchats und ein Ende patriarchaler Gewalt gefordert. Dass diese Themen vor allem auch in Dresden wichtig sind und Gehör finden müssen, zeigen nicht zuletzt trans- und homofeindliche Angriffe sowie Gewalt an FLINTA* in den letzten Jahren. Die Schwulenbar „Boys“ sieht sich z.B. regelmäßig mit Angriffen auf ihre Lokalität konfrontiert, ebenso sei hier an den Mord aus homofeindlichen Gründen im Oktober 2020 oder den Femiziden in Löbtau 2019 erinnert.
Neben der Forderung nach Abschaffung patriarchaler Strukturen, fokussierte die Demo aber auch ein solidarisches Miteinander und eine feministische Vernetzung. Unterstützt wurde der Aufruf im Vorfeld von vielen linksradikalen Gruppen sowie zivilgesellschaftlichen Vereinen wie z.B. der Antifaschistischen Initiative Löbtau , den Kollektiven der Infoläden kosmotique und PlatzDa! , der Undogmatischen Radikalen Antifa (URA) oder dem Frauen*Bildungszentrum Dresden.
Auch während der Demo zeigte sich, wie viele Gruppen mit feministischem Fokus in Dresden aktiv und vernetzt sind. Das wurde anhand verschiedener Redebeiträge deutlich. Zu Beginn gab es einen Redebeitrag von „Keine Mehr Dresden„, in dem Femizide als historisches aber auch aktuelles Ereignis thematisiert wurden. Die Gruppe e*vibes startete mit einem animierenden Jingle den Demozug, in dem sie die Vernetzung „Keine Show für Täter“ erwähnte, welche zum Auftritt von Luke Mockridge Ende Mai Proteste organisieren wird. An der „Krawalle“ (Rothenburger,Görlitzer/Ecke Louisenstraße) widmete sich das Antifaschistische Kollektiv Dresden (AKD) in einem Beitrag sexualisierten Übergriffen an öffentlichen Orten und markierte dabei den Kundgebungsort selbst als wiederkehrenden Tatort solcher Übergriffe. Women Defend Rojava brachten in ihrem Beitrag eine internationalisitsche Perspektive und den bewaffneten Kampf von Frauen gegen patriarchale Strukturen ein.
Am Bischofsplatz, dem letzten Kundgebungsort, wurde von der Gruppe „Feministische Besetzungstage“ eine kurze Rückschau auf die Aktionstage im Sommer 2021 gelegt. Während der Tage wurde ein Haus in der Lößnitzstraße besetzt, in dem die Besetzer*innen als Queers zumindest für kurze Zeit frei von patriarchalen Zwängen leben konnten. Auch die Gruppe „Kollektive Umgänge mit sexualisierter Gewalt – kollUm“ kam hier zu Wort und sprach von einer Utopie der Überwindung sexualisierter Gewaltverhältnisse. Das inhaltliche Ende der Demo kam von den Organisator*innen der Queer Pride, welche queere Lebensrealitäten in Dresden thematisierten und dazu aufriefen, sich am 25. Juni 2022 an der Queer Pride zu beteiligen.
Die Demonstration hat gezeigt, dass dieses Netzwerk von feministisch agierenden Gruppen in Dresden gut funktioniert und auf Zuspruch stößt. Viele Passant*innen, an denen der Zug vorbeilief, blieben neugierig stehen und hörten sich die gerufenen Parolen oder die Redebeiträge an. An einigen Stellen gab es sogar Jubel und Applaus. Außerdem wurde im letzten Abschnitt ein solidarisches Feuerwerk gezündet, welches die Demo zum Ende hin kraftvoll untermalen konnte.
Während der Demonstration gab es keine weiteren Zwischenfälle. Lediglich zu Beginn wurde der Auftakt am Startpunkt im Alaunpark von drei Menschen gestört, die offensichtlich ein Problem mit emanzipatorischem Aktivismus hatten. Außerdem führte die Polizei kurz nach Ende der Demonstration eine Identitätsfestellung durch, um wegen der nicht im Vorfeld angezeigten Demonstration einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz zu prüfen. „Die Personalienaufnahme im Nachgang der Demonstration werten wir als klare Repression seitens der Polizei. Wir werden den weiteren Prozess jetzt abwarten und stehen mit voller Solidarität hinter der betroffenen Person“, kommentierte dazu eine Sprecherin des Orga-Teams.
„Wir wollen, dass feministische Themen in unserer Gesellschaft präsent sind und bleiben, damit FLINTA* und Queers irgendwann ein selbstbestimmtes Leben, frei von Angst und patriarchaler Gewalt, führen können“, fasste die Sprecherin des Orga-Teams zusammen. Alles in Allem war die erste „Take Back the Night“-Demo ein voller Erfolg für Dresden und die feministische Szene. Der Zuspruch, die gute Vernetzung und die positive Resonanz haben deutlich gemacht, dass diese Themen weiterhin wichtig sind und besprochen werden müssen. Mit einer Neuauflage der „Take Back the Night“-Demo dürfte im nächsten Jahr demnach stark zu rechnen sein.
Bild: Protestfotgrafie
Veröffentlicht am 7. Mai 2022 um 11:20 Uhr von Redaktion in Feminismus