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Interview zum 6. PEGIDA Jahrestag mit den Aktivist:innen von „#GuckMal – Das rechte Netzwerk um PEGIDA aufdecken“
21. Oktober 2020 - 14:14 Uhr
Zum 6. Jahrestag von PEGIDA plant der Zusammenschluss „#GuckMal – Das rechte Netzwerk um PEGIDA aufdecken“ mehrere Aktionen. Wir haben im Vorfeld mit den Aktivist:innen über ihre Pläne, PEGIDA und Antifaschismus geredet.
Hallo liebe Aktivist:innen von „GuckMal“! Ihr seid heute hier, weil ihr am PEGIDA Geburtstag verschiedene Aktionen geplant habt, über die wir gerne mit euch sprechen wollen. Wollt ihr euch zu Anfang erst einmal vorstellen?
Maxi: Hallo und Danke für die Möglichkeit eines Interviews und die alternative Berichterstattung die ihr betreibt. Wir sind ein temporärer Zusammenschluß von verschiedenen feministischen und antifaschistischen Gruppen aus Dresden, die am 25.10. zum 6. Jahrestag von PEGIDA gemeinsame Aktionen planen.
Denis: Genau! Das ganze soll unter dem Motto „#GuckMal – Rechte Netzwerke Aufdecken“ stattfinden. Bisher sind die Gruppen e*vibes, Furia, die Antifaschistische Initiative Löbtau sowie die Antifaschistische Jugend Dresden dabei. Weitere Gruppen werden uns am Tag tatkräftig unterstützen.
Könnt ihr eure Pläne für den Tag näher erläutern? Oder sind die noch geheim?
Denis: Nein – wir sagen gerne was wir geplant haben. Ziel ist es ja, das Netzwerk von rechten Akteur:innen zu beleuchten, das sich im Schatten von PEGIDA entwickeln und groß werden konnte. Dafür wird es am 25.10.2020 verschiedene Aktionen, Kundgebungen und Demonstrationen zusätzlich zu den Versammlungen von „Herz statt Hetze“ geben. E*vibes und Furia werden mit einer Kundgebung vor dem Buchaus Loschwitz umfassend über Strukturen der neuen Rechten informieren, z.B. auch was Finanzierung und social media Nutzung angeht. Außerdem wird es einen feministischen Büchertisch, eine feministische Lesung und Brunch mit Kaffee und Kuchen geben. Die Antifaschistische Initiative Löbtau organisiert eine Fahrraddemo zu zwei Burschenschaften und will von dort aus zu dem Protest von „Herz statt Hetzte“ hinzustoßen.
Maxi: Wir sehen unser Programm nicht als Konkurenzveranstaltungen zu „Herz statt Hetze“. Alle Veranstaltungen finden zeitlich davor statt, sodass wir alle auch noch zum Gegenprotest in der Altstadt können. Wir möchten damit also ergänzen und weitere Angebote schaffen und auf keinen Fall ersetzen! Wir finden nur, dass viele Akteur:innen der Rechten in Dresden bisher nicht die ihnen gebührende Beachtung erfahren haben.
Denis: Zumindest nicht in einem aktionistischen Sinne. Ihr habt ja auch bereits mit einem Beitrag die Buchhandlung von Susanne Dagen beleuchtet und aufgezeigt, welche Rolle das Buchhaus Loschwitz in einem rechten Netzwerk einnimmt. Und auch andere Gruppen wie das „Antifa Recherche Team“ haben bereits das Haus von „EinProzent“, die Burschenschaft Arminia und Salamandria näher betrachtet.
Ihr sagt, dass der Protest nur gegen PEGIDA für euch zu wenig ist. Könnt ihr das vielleicht näher erläutern ?
Maxi: Die Geschichte von PEGIDA ist weitestgehend zuende erzählt. Da kommt kaum noch Neues. Der Protest folgt einer ritualisierten Form und auch die Reden gleichen sich Woche für Woche. Es kommen keine namhaften Redner:innen mehr, die Teilnehmer:innenzahlen stagnieren bei weniger als tausend Personen und das Bewegungsmoment von 2014/15 ist längst nicht mehr gegeben. Da gibt es wenig, was es zu beleuchten gilt – dass PEGIDA ein Häufchen elender Rassist:innen ist, dürfte ja mittlerweile hinlänglich bekannt sein.
Denis: Ich würde es ein wenig anders formulieren. Ich stimme zu, dass PEGIDA nur noch wenig Einfluss auf die rechte Bewegung hat, was sich z.B. auch an den Protesten gegen Corona sehen lässt, bei denen PEGIDA keine Relevanz aufbauen konnte. Aber die Geschichte von PEGIDA ist unseres Erachtens nach nicht auserzählt – wir wollen sie einfach nur anders erzählen. Mit dem Besuch von Björn Höcke Anfang des Jahres haben sie wieder ein kurzes Revival gehabt. Es zeigt auch, dass es durchaus ab und zu ein instrumentelles Interesse von anderen rechten Akteur:innen an PEGIDA gibt. Immerhin kann man sich sicher sein, dass man mindestens vor knapp tausend Menschen spricht – was bundesweit immer noch einmalig ist. Das liegt aber auch daran, dass es in Dresden ein verzweigtes Netzwerk an rechten Akteur:innen gibt, die von PEGIDA profitieren, und andersherum. Zum Beispiel René Jahn, dem Mitbegründer von PEGIDA, und die Buchhändlerin Susanne Dagen, die sich zusammen für die“ Freien Wähler“ zur Stadtratswahl haben aufstellen lassen. Oder der rechte Fundraising-Verein „EinProzent“, der regelmäßig montags Infotische macht, um Spenden einzusammeln und Mitglieder anzuwerben. Viele haben ein Interesse daran, dass PEGIDA weiterhin ihre Kundgebungen abhält.
Maxi: Ja, das ist vielleicht die bessere Formulierung. Fest steht auch, dass die Hetze von PEGIDA auch dafür verantwortlich ist, dass Geflüchtetenheime brennen, Menschen gejagt und ermordet werden. Ob der Brandanschlag des PEGIDA-Redners Nino Köhler auf die Moschee in Dresden-Cotta 2016 oder der fast tödliche Messerangriff in der Dresdner Heide im August – PEGIDA ist ein fruchtbarer Nährboden für solche Taten. Den Opfern neonazistischer und rassistischer Gewalt gilt unsere volle Solidarität. Deswegen ist es auch wichtig sich PEGIDA mindestens am symbolisch wichtigen Jahrestag aktiv entgegenzustellen. Wir werden dies in diesem Jahr in erweiterter Form tun.
Nun gibt es ja zum Geburtstag von PEGIDA auch die Veranstaltungen von „Herz statt Hetze“. Warum macht ihr eure Aktion gerade an diesem Tag und nicht wann anders?
Maxi: Wir glauben, dass dieser Tag besonders dafür geeignet ist, da ein verstärktes mediales Interesse auf Dresden liegen wird. Wir hoffen mit unseren Aktionen aufzeigen zu können, dass die PEGIDA-Märsche nur der sichtbare Teil eines größeren Problems sind. Die Zentrierung auf PEGIDA, auch in der medialen Berichterstattung, macht unserer Meinung nach viele Akteur:innen unsichtbar, die im Hintergrund agieren. Auch wenn Dresden sich immer noch schwer tut damit, gegen Menschenverachtung vorzugehen, so hat sich doch am PEGIDA Geburtstag einiges getan. Mittlerweile mobilisiert „Herz statt Hetze“ spektrenübegreifend zusammen mit der „Stiftung Frauenkirche Dresden“ über den CSD bis hin zur „VG Verbrauchergemeinschaft“ mehrere tausend Menschen. Die beiden letzten Jahrestage waren die Gegendemonstrant:innen somit deutlich in der Überzahl – ein herbe Niederlage für PEGIDA. Eine breite Zivilgesellschaft gegen PEGIDA zu mobilisieren ist richtig und wichtig. Wir müssen aber auch zeigen, dass sich gegen Menschenverachtung zu stellen keine Imagefrage der Stadt Dresden ist, sondern tagtäglich notwendiger Aktivismus. Wir wissen, dass PEGIDA nur ein Teil des Problems ist und weitaus etabliertere Strukturen an den gleichen rechtsextremen Plänen arbeiten. Es sollte klar sein, dass man sich nicht nur auf diejenigen fokussiert, die am lautesten schreien, und dass wirksamer Protest einer gesellschaftlichen Analyse folgen muss. Das heißt für uns also auch die konservativen Strukturen zu kritisieren, die jahrelang PEGIDA und AfD mit Debattenangeboten überhäuft haben und es teilweise immer noch tun.
Denis: Darüber hinaus wurde im letzten Jahr der Geburtstag von PEGIDA fast ausschließlich von „EinProzent“ und der Identitären Bewegung gestaltet. Diese Strukturen fühlen sich in Dresden sehr sicher. Indem wir am 25.10.2020 ihre Lokalitäten aufsuchen, wollen wir ihnen ein Stück weit diese Sicherheit nehmen. Deswegen wird es am dem Tag auch eine längere Kundgebung am Haus der Burschenschaft Salamandria geben, das den Identitären in Dresden als Stützpunkt dient. Wir wollen unseren Protest wie gesagt nicht als Konkurrenz sehen, sondern als Ergänzung. Wir hoffen, dass Aktivist:innen danach den entsprechenden Lokalitäten auch über den 25.10.2020 hinaus immer mal wieder einen Besuch abstatten.
Maxi: Genau. Wir sehen es eher als Stärke an, dass es in Dresden mittlerweile so viele Antifaschist:innen gibt, dass wir an verschiedenen Punkten Aktionen machen können. Hier sei auch nochmal auf unsere Genoss:innen der „Undogmatischen Radikalen Antifa“ verwiesen, die zusammen mit verschiedenen Soundsystemen an dem Tag ein Demonstrationszug machen wollen, um damit auf den schon erwähnten Mordversuch eines Nazis auf einer FreeTekk aufmerksam zu machen. So können wir uns gegenseitig ergänzen und verschiedenen Themen eine Plattform bieten. Nur mit Solidarität und gemeinsamer Debatte über Ziele und Inhalte linker Politik können wir einer emanzipatorischen Gesellschaft näher kommen.
Wie ist eure Einschätzung zum PEGIDA-Geburtstag? Was wird euch da erwarten? Besonders im Oktober 2015 kam es ja zu chaotischen Szenen?
Denis: Das ist vielleicht das, was wir verdeutlichen wollen. 2015 feierte PEGIDA den ersten Jahrestag. Etwas komplett Neues damals. Der „Sommer der Migration“ und die unzähligen solidarischen Menschen auf der einen Seite und die Bilder von Heidenau , Freital und Clausnitz auf der anderen Seite führten dazu, dass PEGIDA aus dem gesamten Bundesgebiet über zwanzigtausend Menschen mobilisieren konnte. Hooligans und Nazis machten damals einen eigenen Marsch mit über 200 Teilnehmer:innen, der zur Auftaktkundgebung von PEGIDA führte. Im Anschluss suchten sie die Auseinandersetzung mit Antifaschist:innen, Geflüchteten und der Polizei, die auch Wasserwerfer einsetzte. Die Polizei Sachsen ignorierte damals die unzähligen Warnungen von Antifaschist:innen zu der Mobilisierung in Hooligan-Foren oder zu dem Angriff durch die „Freie Kameradschaft“ auf das linke Hausprojekt Magelwirtschaft am Tag zuvor und forderten nur unzureichende Amtshilfe aus anderen Bundesländern an. So kam es, dass die Cops am Tag selber die Situation kaum unter Kontrolle hatten, wie es schon wenige Wochen zuvor in Heidenau der Fall war. Nur ein weiterer Punkt des Kleinredens von militanten rechten Strukturen im Freistaat, der sich seit den 90er Jahren durchzieht.
Maxi: Das Kleinreden ist gleich geblieben, das Bild des PEGIDA-Geburtstages hat sich jedoch sehr gewandelt. Eine bundesweite Mobilisierung bleibt aus und militante Neonazis sind fast gänzlich fern geblieben. Diese wollen vor allem die Auseinandersetzung mit politischen Gegner:innen suchen, doch dafür gibt es im ritualisierten Rahmen von PEGIDA kaum noch Möglichkeiten. 2020 hat PEGIDA bis auf dem Termin noch gar nichts verlauten lassen. Weder, was geplant ist, noch wer reden wird. Wir gehen aktuell davon aus, dass rund dreitausend Personen teilnehmen werden – insofern Corona dem ganzen keinen Strich durch die Rechnung macht.
Denis: Das einzige, was bisher klar ist, ist dass es billig gelayoutete und dafür umso teurere Geburstags-T-Shirts geben wird. Ein weiteres Zeugnis dafür, dass für Lutz Bachmann PEGIDA nur noch eine Merchandise-Resterampe ist, die sein Leben auf Teneriffa finanziert. Nein, Spaß beiseite – natürlich sind dreitausend Rassist:innen immer noch viel zu viele und es wert, sich dagegen zustellen.
UPDATE: nach dem Interview gab PEGIDA Chef Lutz Bachmann bekannt, dass die Kundgebung zum 6-Geburtstag abgesagt bzw. verschoben wird. Auf Nachfrage erklärten uns die Aktivist:innen von #GuckMal, dass sie trotz der Absage an ihren Aktionen festhalten werden.
Wie kann man euch im Vorfeld oder am Tag selber Unterstützen?
Denis: Einerseits würden wir uns freuen, wenn sich viele antifaschistische und feministische Aktivist:innen an diesem Tag der Tolerade, dem Fahrradzubringer der A.I.L. oder der Kundgebung von Furia und E*Vibes vor der Buchhandlung Loschwitz anschließen. Darüber hinaus können wir eine höhere Reichweite erlangen, wenn Menschen unsere Beiträge auf sozialen Medien teilen, unserer Hashtags verbreiten und unser Logo nutzen. Falls ihr nette Mobilsierungsideen oder andere rechte Orte habt, die wir nicht thematisieren, könnt ihr die natürlich auch gerne in die Debatte bringen.
Maxi: Ansonsten können sich Gruppen auch mit eigenen Kundgebungen anschließen. Bisher gibt es zum Beispiel niemanden, der vor der Versammlungsbehörde demonstriert, die unserer Meinung nach einen großen Anteil an der Drangsalierung des Gegenprotestes hat. Auch das ist ein rechts-konservaties Umfeld, das es PEGIDA und anderen Menschenfeinden einfach macht in Dresden zu florieren. Und natürlich in der Schießgasse bei der Polizei at home. Natürlich sind alle eingeladen den Lokalitäten selber einen Besuch abzustatten und kreativ zum Ausdruck zu bringen, dass Nazis, Rassist:innen, Antifeminist:innen und Antisemit:innen unerwünscht sind und nicht geduldet werden.
Wie wird man auf eure Aktionen aufmerksam?
Denis: Dafür könnt ihr die einschlägigen Seiten und Twitter-Account von e*vibes, der A.I.L. und Furia folgen. Dort werden alle Aktionen und Termine von „#GUCKMAL“ veröffentlicht. Unter diesem Hashtag findet ihr auch am Aktionstag alles Relevante.
Dann danke ich euch erstmal für das Interview und wünsche euch viel Glück für den 25. Oktober. Gibt es noch was was ihr zum Ende los werden wollt?
Maxi: Ja. PEGIDA existiert jetzt seit 6 Jahren. Für Antifaschist:innen sechs verdammt anstrengende Jahre, zusätzlich zu all dem, was sonst so passierte. Wir wollen allen Aktivist:innen danken, die sich vor, während und noch heute gegen PEGIDA, Nazis und alle anderen Formen von Menschenfeindlichkeit einsetzten. Wir wissen aus eigener Erfahrung wie anstrengend das häufig ist. Unser Respekt gilt allen, die ihre Freizeit opfern, ihre körperliche Unversehrtheit riskieren und noch dazu immer wieder kreative Energien aufbringen, um den Weg in eine bessere Welt zu bahnen.
Dann danke euch nochmal für diese Schlussworte und viel Erfolg am Sonntag!
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Veröffentlicht am 21. Oktober 2020 um 14:14 Uhr von Redaktion in Antifa, Feminismus, Nazis