Soziales

Überstürzte Abschiebung von Houssam trotz Protesten

7. März 2020 - 13:37 Uhr - Eine Ergänzung

Am frühen Donnerstagmorgen wurde Houssam von Frankfurt am Main nach Algerien abgeschoben. Zuvor war er von Grimma in das Abschiebegefängnis nach Dresden gebracht worden, wo er nur wenige Tage verblieb. Der Versuch, die drohende Abschiebung durch einen Eilantrag noch zu stoppen, blieb letztlich ohne Erfolg. Politiker:innen und Flüchtlingsorganisationen zeigen sich empört über das Vorgehen der Behörden.

Houssam war 2017 nach Deutschland gekommen, nachdem zuvor sein Asylantrag in der Schweiz abgelehnt worden war. Dort verbrachte er nach Angaben des „Dorfes der Jugend“ in Grimma, in dem der 35-Jährige bis zu seiner Abschiebung als Hausmeister gearbeitet hatte, 18 Monate in sogenannter „Ausschaffungshaft“. Der Aufenthalt im Abschiebezentrum auf der Hamburger Straße war also nicht seine erste Hafterfahrung. 

In Deutschland betätigte sich Houssam neben seiner Arbeit im „Dorf der Jugend“ auch ehrenamtlich. So soll er Koordinator für ein Selbsthilfeprojekt beim Roten Kreuz gewesen sein und ein Projekt für geflüchtete Kinder unterstützt, sowie regelmäßig als Sprachhelfer ausgeholfen haben. In ihrer Stellungnahme beschreibt ihn das „Dorf der Jugend“ als „perfekte[n] Flüchtling. Jung, männlich, muslimisch, nordafrikanisch. Ein bezauberndes Lächeln, zum Zopf gebundene Haare, offenes Wesen. Immer engagiert, hilfsbereit und für andere da.“

Wenige Monate vor seiner Inhaftierung heiratete Houssam seine in Mannheim lebende Freundin Belinda. Beide wollten zusammenziehen, was jedoch auf Grund der Duldung Houssams nicht gestattet wurde. „Ich habe tausendmal bei der Ausländerbehörde angerufen und er hat alle möglichen Anträge gestellt, aber wir haben bis heute keine Antwort bekommen. Nichts wurde weitergeleitet. Das ist echt der größte Drecksladen“, äußerte sich Belinda zu ihren gemeinsamen Bemühungen, eine Umzugsgenehmigung für Houssam zu erwirken.

Am 28.02.2020 ordnete das Amtsgericht Dresden dann die Ingewahrsamnahme an. In einer kaum zu übertreffenden zynischen doppelten Verneinung argumentierte das Gericht: „Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich der Betroffene der Abschiebung nicht entziehen will, denn aufgrund seiner in Deutschland lebenden Ehefrau und seiner Tätigkeit als Hausmeister hat er in Deutschland ein soziales Gefüge, welches er wohl nicht freiwillig aufgeben wird.“ Dadurch sieht es ein „dringendes Bedürfnis für sofortiges Tätigwerden“. Kurz darauf wurde Houssam in das Abschiebegefängnis in der Hamburger Straße nach Dresden gebracht, von wo am 4. März seine Abschiebung nach Algerien organisiert wurden.

Der Fall Houssam sorgte für eine breite Solidarität und Empörung über das Vorgehen der zuständigen Ausländerbehörde des Landkreises Leipzigs und der Zentrale Ausländerbehörde der Landesdirektion. Die Landesdirektion insistierte in einer Stellungnahme zu dem Fall, dass der Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen „prognostisch abgelehnt“ werden würde. Toni Kreischen von der Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden zeigt sich in einer Stellungnahme empört über solche Aussagen: „Eine prognostische Ablehnung ist rechtsstaatlicher Unsinn!“

Auch die Sprecherin der Linksfraktion für Migrations- und Flüchtlingspolitik im Landtag Juliane Nagel kritisiert das Vorgehen der politisch Verantwortlichen: „Es ist ein Armutszeugnis, dass weder der Innenminister noch der Sächsische Ausländerbeauftragte, aber auch nicht das SPD-geführte Sozialministerium als Mitglied in der Härtefallkommission eine Lösung gefunden oder zumindest ernsthaft versucht haben, ein Bleiberecht für Houssam zu erwirken.“ Es sei jedoch nicht der einzige Fall, so Nagel weiter, in dem eine Ehe durch Abschiebung getrennt wurde. Laut einer Kleinen Anfrage im Sächsischen Landtag wurden zwischen 2015 und 2018 mindestens 13 Geflüchtete von ihren deutschen Ehepartner:innen durch Abschiebungen getrennt. Im zurückliegenden Jahr geschah das in mindestens drei Fällen.

Trotz der Tragik des Falles Houssam äußerte sich die Abschiebehaftkontaktgruppe erfreut über die vielfältige Solidarität. „Beachtlich war in diesem Fall die Unterstützung, die Houssam A. von politischer Seite – von LINKE über BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN bis zu den JUSOS – erhielt.“ Dennoch sei es enttäuschend, „dass der Druck nicht darin mündete, ihn vor der Abschiebung zu bewahren.“


Veröffentlicht am 7. März 2020 um 13:37 Uhr von Redaktion in Soziales

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