Nächtlicher Protest gegen Abschiebung nach Pakistan
22. November 2019 - 18:56 Uhr
Am Abend des 20. November fanden sich mehrere dutzend Personen vor dem Polizeirevier auf der Staufenbergallee in Dresden ein. Anlass dafür war eine kurzfristig bekannt gewordene Abschiebung von acht Menschen in das seit Jahren von außen- und innenpolitischen Unruhen geprägte Pakistan. Die Aktivistinnen und Aktivisten versuchten die Rückführung zu verhindern, indem sie die Eingänge blockierten. Trotz Protest konnte die Abschiebung schlussendlich wie geplant durchgeführt werden. Die Polizei Sachsen ermittelt im Nachgang gegen eine Person wegen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr. Es war nicht die erste Abschiebung in den letzten Wochen, die auch auf Kritik von Fachverbänden stößt.
An diesem Abend kursierten in sozialen Netzwerken Informationen, wonach eine Abschiebung von geflüchteten Personen nach Pakistan durchgeführt werden soll. Die entsprechenden Personen sollten mit dem Bus von Dresden nach Leipzig gebracht, um von dort zum Zielort geflogen zu werden. In den vor allen auf Twitter verbreiteten Nachrichten wurde dazu aufgerufen, sich solidarisch am Polizeirevier Stauffenbergallee zu versammeln. Laut Angaben der antifaschistischen Gruppe Hope folgten dem Aufruf zwischenzeitlich rund einhundert Personen. Diese positionierten sich an unterschiedlichen Eingängen des Reviers und harrten dort trotz frostiger Temperaturen bis nach Mitternacht aus.
Gegen 1 Uhr räumte die Polizei schließlich die Blockierenden. Rund 40 Personen wurden unter Anwendung körperlicher Gewalt zur Seite gedrängt. Dabei erlitt mindestens eine Person eine Verletzung. Auch soll der eingesetzte Reisebus laut Augenzeugen schnell und ohne Rücksicht in die Menschenmenge hineingefahren sein. Bei der Räumung soll die Polizei gedroht haben, Pfefferspray einzusetzen. Ein Betroffener zeigte sich gegenüber addn.me schockiert über die Abschiebung und den brutalen Einsatz: „Die Polizei und die politischen Entscheidungsträger haben heute wiedereinmal gezeigt, dass das, was Pegida auf der Straße fordert, auch in der Realität angekommen ist. Mit aggressivem Verhalten wurden Demonstrierende von der Straße geräumt und Menschen, die hier Schutz suchen, in unsichere Herkunftsländer abgeschoben.“
In einem noch am Abend veröffentlichten Statement kritisierte auch der Sächsische Flüchtlingsrat (SFR) die Aktion. In ihren Augen hätte die Abschiebung erneut gezeigt „mit welch harter Hand Sachsen immer wieder zuschlägt“. Weiter betont der Flüchtlingsrat die Notwendigkeit von Protesten gegen Abschiebungen: „Es ist deshalb unabdinglich, dass Menschen aufmerksam seien, Abschiebungen meldeten und dagegen im Akutfall auf die Straße gehen. Es braucht jede Aufmerksamkeit darauf, was immer wieder Nachts geschieht.“ Darüber hinaus rät der SFR allen vollziehbar ausreisepflichtigen Personen, bei Asylberatungsstellen zu prüfen, ob sie sicher seien. „Vermeintliche Abschiebehindernisse wie Ehe, Kinder, Krankheiten oder Arbeit sind den Sächsischen Abschiebebehörden herzlich egal“, schließt der Flüchtlingsrat seine Stellungnahme ab.
Kritik an sächsischer Abschiebepraxis
Die sächsischen Behörden stehen immer wieder für ihre Abschiebepolitik in der Kritik. In einem bereits zurückliegenden Fall wendete sich das Alternative Zentrum Conni zusammen mit dem SFR im vergangenen Monat an die Öffentlichkeit. Damals war der Vater eines 20 Monate alten Kindes nach Griechenland abgeschoben worden. Laut dem Flüchtlingsrat war der Familienvater um 23 Uhr von seinem Arbeitsplatz in einer Tankstelle abgeholt worden und sollte direkt abgeschoben werden. Der AZ Conni e.V., in dessen Kinderladen das Kind geht, zeigte sich empört über die Abschiebung: „Ob rechtens oder nicht, wenn innerhalb weniger Stunden eine Familie zerrissen und emotional zu Boden geschmettert wird, weil der Vater eines kleinen Kindes abgeschoben wird, dann ist das Kindeswohlgefährdung.“ Weiter weisen die Angestellten des AZ Connis, einem Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe, darauf hin, „dass eine solche Praxis immer die seelische und geistige Unversehrtheit des Kindes gefährdet.“ In ihren Augen könne der Staat seiner gesetzlichen Schutzpflicht so nicht gerecht werden.
Nach inzwischen erfolgter Akteneinsicht habe sich gezeigt, wie die Ausländerbehörde Pirna über Monate hinweg die Trennung der Familie einkalkulierte und die Mitglieder in die Irre führte, so eine aktuelle Pressemitteilung von AZ Conni und SFR.
Unter anderem habe die Ausländerbehörde gegenüber der Landesdirektion als abschiebende Behörde behauptet, dass zwischen Mutter und Vater „keine Liebesbeziehung“ bestünde. „Die Ausländerbehörde muss künftig ganz dringend darauf verzichten, derartige Unterstellungen zu äußern“, forderte Jörg Eichler, Mitarbeiter beim SFR. Zudem warf er die die Frage auf: „Selbst wenn dem so gewesen sei – was ändert das am Recht des Kindes auf seinen Vater?“ Auch die Landesdirektion, welche Abschiebungen konkret plant und durchführt, habe spätestens ab diesem Punkt als Kontrollinstanz versagt. Das AZ Conni nannte diese Familientrennung „von langer Hand geplant“ und einen „Schlag in die Magengrube“; Eichler bezeichnete sie als „regelrecht maliziös“.
Veröffentlicht am 22. November 2019 um 18:56 Uhr von Redaktion in Antifa, Soziales