Antifa

Interview mit der Initiative „Druck machen“

17. Januar 2018 - 01:31 Uhr

Nachdem Unbekannte Mitte Dezember mit einer Plakataktion führende Protagonistinnen und Protagonisten der Identitären Bewegung (IB) in Dresden geoutet und damit vor allem in der Regionalpresse für ganz schön viel Wirbel gesorgt hatten, konnten wir mit einigen Menschen über ihre Beweggründe und die Hintergründe der Aktion „Druck machen“ sprechen.

Schön, dass Ihr euch die Zeit genommen habt hier noch einmal näher zu erläutern, wie es zu dem Outing gekommen ist und welche Intention Ihr damit verfolgt habt. Vielleicht zum Einsteig, in der Sächsischen Zeitung wurdet Ihr ja nicht nur mit dem Outing der IB in Verbindung gebracht, sondern auch mit einer Aktion gegen eine Damenverbindung und ihrer Kneipentour durch die Neustadt. Ist dem denn so?

Klare Antwort: Nein. Aber wir freuen uns sehr, dass auch andere Menschen gegen rechte Strukturen aktiv werden, auch wenn wir einzelne Kritikpunkte an der Aktion haben.

Ok, Ihr seid also nur für das Outing verantwortlich. Wie kann denn das Label „Druck Machen“ verstanden werden?

Uns ist es wichtig, den Identitären und anderen neurechten Verbindungen den Raum zu nehmen, in dem sie ungestört agieren können. Dazu wollten wir sie aus der Deckung holen und ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen klar machen, mit wem sie da zusammen im Hörsaal sitzen. Am Beispiel Halle können wir sehen: Wenn sich Identitäre erst einmal festgesetzt haben, beginnen sie Mitmenschen, die ihnen nicht passen, zu bedrohen und einzuschüchtern. Das wollen wir hier nicht.

Außerdem wollten wir den Fokus auf die so genannte „Neue Rechte“ lenken: Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so wirkt, verfolgen auch sie eine gewalttätige bis tödliche Ideologie und sind nicht weniger gefährlich als die bekannten rechten Strukturen aus der Vergangenheit. „Druck Machen“ heißt also, einen Gegendruck aufzubauen, damit sie sich nicht ungestört als politischer Akteur etablieren können. Das sind sie nämlich nicht! Wir können in Halle sehen, dass vielfältige antifaschistische und zivilgesellschaftliche Aktionen ihnen das Leben erheblich erschweren können.

Wie ist es denn zu dem Outing gekommen und nach welchen Kriterien habt ihr die Menschen ausgesucht? In der Lokalpresse klang ja subtil der Vorwurf an, dass insbesondere die geouteten Frauen eigentlich weniger bedeutend seien?

Das stimmt natürlich nicht. Die Bedeutung neofaschistischer Frauen für die Szene wird in der Öffentlichkeit oft verharmlosend dargestellt. Und das ist nicht erst seit dem NSU so. Der Trugschluss, sie wüssten nicht, was sie tun, weist ihnen zu Unrecht eine passive Rolle zu. Es ist leicht zu glauben, sie würden sich nicht freiwillig in das für sie nachteilige Rollenklischee einfügen. Tatsächlich treiben sie aber nicht nur diese alten Geschlechterklischees des starken Mannes und der emotionalen Frau aktiv voran, wie die von uns geoutete Freya H. mit ihrem Aufsatz auf „Radikal Feminin“ beweist. „Radikal Feminin“ ist der Blog einer weiteren weiblichen Kaderfigur der Identitären, die auch schon mal Frauen in der Politik aufgrund ihrer Emotionalität „kritisch“ sieht. Die aus einem stramm rechten Elternhaus stammende Freya H. stand für die „Defend Europe“-Kampagne vor der Kamera, Aline M. ist zusammen mit der Berlinerin Paula W. sowie Alexander K. aus dem Raum Halle/Leipzig, Teil eines Youtube-Kanals der Identitären. Freya H. und Aline M. nehmen an Kaderschulungen und aktiv an Aktionen teil – auch überregional. Zu glauben, dass ihre Identitäre Ideologie nicht in ihr Verbindungs- und Alltagsleben einwirkt, ist naiv und verkennt ihre metapolitische Strategie. Sie auf ein „antiquiertes Accessoire“ zu reduzieren, wird ihnen nicht gerecht.

Was unsere Kriterien angeht. Die Identitären sind eine Kaderorganisation. Sie sind hierarchisch und elitär strukturiert. Sprich, wer bei ihnen etwas zu sagen hat, muss sich bewährt haben und aktiv sein. Die Personen, die auf dem Plakat zu sehen sind, waren maßgeblich an Aktionen der Identitären in den letzten beiden Jahren beteiligt. Sie waren bei so gut wie jeder kleineren oder größeren Aktion vor Ort oder standen wie am 3. Oktober 2016 neben knallharten Neonazis, Reichsbürgern und rechten Hooligans am Blauen Wunder. Einzige Ausnahme ist vielleicht Claudia v. B., die weniger oft den Weg in die Öffentlichkeit sucht. Da sie jedoch gemeinsam mit Jan B. die längste aktive ist und zugleich in der Personalverwaltung der größten Dresdner Universität arbeitet, haben wir uns letztlich doch dazu entschieden, sie mit aufzunehmen.

Uns ist aber wichtig zu betonen, dass das längst noch nicht alle sind. Der Kern der Identitären in Dresden umfasst noch weitere Personen. Darüber hinaus gibt es auch eine Reihe von Leuten, die wir eher dem Umfeld zuordnen oder auch solche, die zwar nicht in der Gegend wohnen, aber oft vor Ort sind. Die haben wir erst einmal außen vor gelassen. Im Laufe unseren Recherchen sind wir allerdings auch auf Personen gestoßen, die es nicht geschafft haben, sich in der elitären Struktur zu behaupten und mittlerweile nicht mehr im Kontext der IB auftauchen.

Aber wie seid Ihr auf die besondere Form dieses Outings gekommen? Im Gegensatz zu den meisten anderen Outings, die eher im Internet bzw. als Broschüre stattfinden, habt Ihr euch dafür entschieden, an der Uni, massenhaft Plakate aufzuhängen. Solche Formen werden ja sonst eher gegen gewalttätige Nazis angewendet. Glaubt Ihr, dass dies der Gefahr der Identitären gerecht wird?

Identitäre halten ihr Gesicht in die Kamera und suggerieren: Wir sind selbstbewusst, wir haben keine Angst. Sie spielen mit der Öffentlichkeit. Wenn dieses Spiel aber nicht nach ihren Regeln abläuft, werden sie nervös. Wenn wir sehen, wie schnell die Identitären – oft vergeblich – versucht haben, die Plakate zu entfernen, dann haben wir genau das erreicht. Außerdem konnten wir sowohl den Studierenden, als auch den Campusmitarbeiterinnen und Campusmitarbeitern einen Eindruck der Verstrickungen mit Burschenschaften und anderen rechten Strukturen vermitteln.

Wir halten die sogenannte „Neue Rechte“ für nicht weniger gefährlich, als klassische Neonazis. Ihre Ideologien unterscheiden sich gerade in zentralen Positionen nicht wesentlich, beide Weltbilder laufen auf Ausgrenzung, Vertreibung und Vernichtung hinaus. „Neue Rechte“ gehen eben nur subtiler vor und versuchen den öffentlichen und politischen Diskurs weiter nach rechts zu verschieben. Darin sind sie teilweise sehr wirkungsmächtig. Und dass auch Identitäre vor Gewalt nicht zurückschrecken, zeigen Beispiele aus Halle und Wien deutlich. Und auch die Dresdner Identitären trainieren regelmäßig Kampfsport und bedrohten bereits Menschen.

Welche Rolle spielt denn die IB im Verhältnis zu klassischen Nazis in Dresden?

Trotz ihres überschaubaren Personenpotenzials ist die IB in Dresden deutlich anschlussfähiger für eine radikalisierte Mitte als klassische Neonazis. Das ist sicherlich auch ihrem Image als moderne und friedliche Rechte zu verdanken. Dieses Image ist bei genauerem Hinschauen natürlich nur Fassade. Ob sie nun von „Blut und Boden“ oder von „Ethnopluralismus“ sprechen, macht für die, die sie ausgrenzen, keinen Unterschied. Trotzdem erreichen Identitäre gerade in Dresden eine deutlich größere Akzeptanz in der Gesellschaft.

Zudem können wir eine zunehmende Vernetzung mit klassischen Neonazis beobachten. An einer Aktion gegen den Verein „Mission Lifeline, war der rechte Hooligan und Neonazi Sebastian Reiche beteiligt. Ein zweites Beispiel ist der wegen Körperverletzung einschlägig vorbestrafte langjährige Nazikader Ronny Thomas, der in der Vergangenheit unter anderem an der Organisation der Naziaufmärsche zum 13. Februar beteiligt war. Im vergangenen Sommer trat er als Teil des lokalen „EinProzent-Ablegers „Dresden 5k“ in Erscheinung, als er gemeinsam mit weiteren Personen, eine Aktion gegen Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) durchführte.

Teils knüpfen Neurechte sogar an Traditionen klassischer Neonazis an: Ebenso wie NPD und „Freie Kräfte“ beteiligten sich Identitäre und mehrere Burschenschaften am Dresdner Opfermythos und legten am 13. Februar Kränze auf dem Dresdner Heidefriedhof nieder.

Und schließlich wurden mit Julian Monaco und Michael Schäfer auch zwei Personen auf dem Plakat geoutet, die mindestens noch bis 2014 Schlüsselpositionen bei den Jungen Nationaldemokraten (JN) einnahmen und heute wichtige Funktionäre im neurechten Spektrum in Dresden sind. Die Überschneidungen sind also mehr als deutlich, aber leider noch zu wenig beleuchtet.

Gibt es Entwicklungen, auf die Ihr noch hinweisen möchtet oder was Ihr noch loswerden möchtet?

Ja, wir hoffen, dass die Neuerechte künftig noch stärker in den Fokus und die Gefahr, die von ihnen ausgeht, ernst genommen wird. Dazu zählen nicht nur die Identitären. Gerade in Dresden gibt es ein weit verzweigtes Netzwerk, was unter anderem bis tief in die AfD hineinreicht. Das gilt es aufzudecken und zu thematisieren. Das sind die Leute, die zur Zeit das politische Geschehen in Dresden bestimmen und schon seit einer geraumen Zeit auch als Stichwortgeber für PEGIDA und co. fungieren. Wie wichtig eine antifaschistische Recherche ist, zeigt nicht zuletzt der Fall aus dem Sächsischen Finanziministerium. Nur dank des ART gibt es dort jetzt einen Neonazi weniger. Auch der inzwischen erfolgten Auflösung des rechten Plenums in Chemnitz ging ein ausführliches Outing voraus.

Wir hoffen, dass sich linke Aktivistinnen und Aktivisten unserem Motto annehmen und aus der Internet- und Twitterblase herausbewegen, um der rassistischen und menschenverachtenden Realität etwas entgegenzusetzen. Außerdem müssen wir aus den theoretischen Betrachtungen der Rechten eine Praxis entwickeln, die stört und den öffentlichen Diskurs beeinflusst. Hier gab es mit den Aktion gegen das Büro von „EinProzent“ oder dem Markieren von Wohn- und Arbeitsräumen an den Weihnachtstagen schon erste Erfolge. Das sollte uns Selbstbewusstsein geben. Da können wir nur sagen: weiter so – Druck machen!

Das sind doch schöne abschließende Wort. Vielen Dank euch für das Interview und viel Glück bei euren weiteren Vorhaben.


Veröffentlicht am 17. Januar 2018 um 01:31 Uhr von Redaktion in Antifa

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