Polizei durchsucht Dresdner Fanprojekt
11. Dezember 2017 - 13:09 Uhr
Zeitgleich zu den bundesweiten Razzien wegen der Ereignisse anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg, kam es zu einer ganzen Reihe von Durchsuchungen, die sich gegen insgesamt 28 Fußballanhänger der SG Dynamo Dresden richteten. Als Grund für die Durchsuchungen gab die Polizei mehrere Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch, gefährlicher Körperverletzung und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und Sprengstoffgesetz an. Neben Objekten und Wohnungen in Sachsen, Brandenburg, Baden-Württemberg und der Schweiz war dabei auch das sozialpädagogische Fanprojekt in Dresden Ziel der Maßnahmen. Ein Fußballfan sitzt seit vergangener Woche in Untersuchungshaft.
Die Liste der beschlagnahmten Gegenstände fiel allerdings wenig überraschend aus. Neben Smartphones, Computern, Spielkonsolen und Speichermedien wurde bei den Beschuldigten auch jede Menge Pyrotechnik gefunden. Selbst ein Fahrzeug, welches dem Fanmarsch vorausgefahren war, musste knapp sechs Monate nach den Ereignissen als Beweismittel herhalten. Drei Staatsanwälte sowie insgesamt 370 Einsatzkräfte des Polizei Sachsen und des Polizeipräsidiums Karlsruhe waren bei der mehrstündigen Aktion im Einsatz. Als unmittelbare Reaktion auf das Spiel hatte die Polizei in Karlsruhe die Sonderkommission „Dynamo“ gegründet. Bereits im Februar 2005 war es beim Gastspiel von Dynamo in Karlsruhe zu Ausschreitungen aus dem Dresdner Block heraus gekommen.
Den Beschuldigten wird vorgeworfen, vor dem Auswärtsspiel beim Karlsruher SC einen Fanmarsch organisiert zu haben, bei dem 15 der eingesetzten Beamtinnen und Beamten sowie 21 Ordnungskräfte am Stadioneingang verletzt worden waren. Im vorletzten Spiel der vergangenen Zweitliga-Saison waren etwa 1.500 Fans der Schwarz-Gelben in einheitlichem Militäroutfit vom Gästeparkplatz bis zum Karlsruher Wildparkstadion gelaufen. Auf dem Weg dahin war immer wieder Pyrotechnik gezündet und auf die Polizei geworfen worden. Etliche Beamtinnen und Beamte hätten dabei nach Polizeiangaben Knall-Traumata erlitten, konnten ihren Dienst jedoch fortsetzen, lediglich ein Beamter war beim Verladen seines Polizeipferdes schwer verletzt worden.
Das Dresdner Fanprojekt kritisierte die Durchsuchungen in einer eigenen Stellungnahme als „Vertrauensverlust“ und wertete das polizeiliche Vorgehen als „Angriff“ auf ihre Arbeit. Aus diesem Grund will das Dresdner Fanprojekt bisherige Arbeitsweisen gewissenhaft überprüfen. Zugleich kündigten sie nicht nur eine juristische Prüfung über die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungen, sondern auch eine vollumfängliche Unterstützung der Beschuldigten an. Anders als die Polizei, die im Nachgang behauptete, die Büroräume nicht durchsucht zu haben, sei dies nach Angaben des Fanprojekts nur auf Grund des „massiven Protests“ von Seiten der Geschäftsführung nicht passiert.
Zur korrekten Einordnung: Die Durchsuchung der Büros konnte nur deshalb verhindert werden, weil durch unsere Geschäftsführung massiv dagegen protestiert wurde, sodass nach Diskussion mit der Staatsanwaltschaft diese lediglich in Augenschein genommen und fotografiert wurden. (1/2)
— Fanprojekt Dresden (@FanprojektDD) 6. Dezember 2017
Der Leiter der Koordinierungsstelle Fanprojekte (KOS), Michael Gabriel, sprach in einem Interview mit dem Fußballmagazin 11 Freunde angesichts der jüngsten polizeilichen Maßnahmen gegen Fußballfans von einer „besorgniserregenden“ Tendenz, auf polizeilicher Ebene den nach den Ereignissen von Karlsruhe begonnenen Dialog zwischen den Fußballfanszenen mit dem DFB und der DFL zu „torpedieren“. Kritik kam auch vom innenpolitischen Sprecher der Grünen im Sächsischen Landtag, Valentin Lippmann, der „Emittlungen mit Augenmaß“ forderte und die Durchsuchungen zugleich als „Bärendienst“ für das besondere Vertrauensverhältnis von Sozialpädagogen und Fußballfans bezeichnete.
Veröffentlicht am 11. Dezember 2017 um 13:09 Uhr von Redaktion in Freiräume