Refugees Welcome in Cotta und Löbtau
7. November 2014 - 21:11 Uhr - 3 Ergänzungen
Am Abend des 6. November fand im Cottaer Rathaus in der Lübecker Straße 121 die Ortsbeiratssitzung zum Thema Unterbringung von Flüchtlingen statt. Es wurde dort über das erarbeitete Konzept für die Unterbringung von den bis zu 200 Asylsuchenden informiert, welche nach dem Schlüssel für die Stadt Dresden auf den Ortsamtsbereich Cotta, der auch Löbtau umfasst, entfallen. Anschließend wurden von den Parteien Änderungsvorschläge für den „Maßnahmeplan zur Schaffung zusätzlicher Unterbringungskapazitäten für besondere Bedarfsgruppen in den Jahren 2015/2016“ vorgebracht. Über diese wurde jeweils einzeln abgestimmt und zuletzt über den gesamten Maßnahmeplan entschieden. Nach §2 Absatz 2 des Sächsisches Flüchtlingsaufnahmegesetzes ist die Rolle des Ortsamtes lediglich eine ausführende, so die Ortsbeiratsvorsitzende Irina Brauner. Es gibt keine untergeordneten Institutionen, folglich stünde nicht zur Debatte, ob untergebracht wird, sondern ausschließlich „wie“. Obwohl auch in Cotta kontroverse und teils rassistische Positionen vertreten wurden, kam es nicht zu tumultartigen Szenen wie bei ähnlichen Veranstaltungen in Prohlis und Leuben.
Der große Sitzungssaal war bis auf den letzten Platz belegt und trotz zusätzlicher Bestuhlung stand eine Vielzahl von Menschen in den Gängen und im Eingangsbereich. Aufgrund des großen Interesses wurde der Tagesordnungspunkt Unterbringung von Frau Brauner auf der Agenda vorgezogen. Nach einer kurzen Begrüßung wurden von Frau Cordts, der Leiterin des Sozialamts, anhand einer Präsentation die Prognosen über den Anstieg der Geflüchtetenzahlen sowie das geplante Unterbringungskonzept der Stadtteile Cotta und Löbtau vorgestellt. Hierbei sollen die Geflüchteten zu 60% in Wohnungen und zu 40% in Sammelunterkünften untergebracht werden. Dazu werden teils bestehende Objekte wie das Hotel Lindenhof oder ein leerstehendes Bürogebäude auf der Tharandter Straße, teils Neubauten verwendet. Für diese temporären Sammelunterkünfte, die jedoch nicht mehr als je 67 Personen beherbergen sollen, werden in den nächsten Jahren Baumaßnahmen mit einem Gesamtvolumen in Höhe von 14,2 Millionen Euro durchgeführt. Das parallel dazu überarbeitete Integrationskonzept der Stadt sieht vor für die Integrationsarbeit vor allem auf vorstaatliche Institutionen, wie Kirchgemeinden, Vereine und Ehrenämter zurückzugreifen. Besonders die Deutschkurse, welche nicht gesetzlich vorgeschrieben sind, sollen dabei von Vereinen, wie dem DAMF abgedeckt werden. Ferner sollen perspektivisch ebenfalls Träger von Ausbildungs- und Betreuungseinrichtungen mit in die Planungen eingebunden werden.
Zur Sitzung des Ortsbeirates gab eine Mobilisierung vorrangig von Seiten älterer Anwohnerinnen und Anwohner, die der Unterbringung skeptisch bis ablehnend gegenüber standen. Zusätzlich befand sich einiges an NPD-Gefolgschaft unter den Zuhörenden. Doch auch linke Viertelbewohnerinnen und Viertelbewohner waren stark vertreten und hatten die Absicht, die Sitzung kritisch zu begleiten. Da die Stimmung im Saal anfangs leicht aggressiv war, wurde auf Antrag eine Zwischenfragerunde für die Bürgerinnen und Bürger eingelegt. Bereits die erste Wortmeldung aus der Zuhörerschaft wies darauf hin, dass wir es bei den Geflüchteten mit Menschen zu tun haben, die unserer Hilfe bedürfen. Und dass es völlig außer Frage stünde, ihnen nicht zu helfen. An die handvoll Rechten im Raum gewandt, die bereits zuvor durch Zwischenrufe aufgefallen waren, sagte der Sprecher, dass er deren Wunsch nach Bürgerbeteiligung völlig akzeptabel fände, nur sollten sie sich dabei bitte Themen suchen, die sie auch etwas angingen. Einige der Zuhörerinnen und Zuhörer äußerten auch völlig unbegründete Ängste, welche mit Sachargumenten ausgeräumt werden konnten. So bestätigte der Leiter des Polizeireviers Dresden-West, dass es im Umfeld von Asylbewerberunterkünften keineswegs zu einer Häufung von Straftaten kommt und eine dezentrale Unterbringung dem sozialen Klima in den Stadtvierteln stattdessen sogar zuträglich ist. Negativ ist eine Bürgerinitiative namens „Lindenhof“ aufgefallen. Sie nutzte die Gunst der Stunde, um eine Liste mit 750 Unterschriften und einen Zettel mit kopierten Facebookkommentaren einzureichen, mit denen sie vermeintlich gefährliche Reaktionen auf den Facebookauftritt der Initiative dokumentierten. Auf eine der anschließenden Fragen nach dem Schutz der Asylsuchenden vor rassistischen Übergriffen, wusste auch Irina Brauner um die besondere Situation in Dresden: „Bald ist Weihnachten, schließen sie das mal in ihre Abendgebete ein.“
Viele der Redebeiträge besorgter „Betroffener“ erweckten den Anschein, als ginge es ihnen vor allem darum, sich Luft zu machen. Wurden deren Argumente mittels sachlichem und fundiertem Wissen seitens des Podiums entkräftet, verließen immer wieder Teile der Zuhörerschaft den Raum. Bevor es zum Beschluss kam, hatte sich der Saal auf diese Weise merklich geleert. Der Antrag von Elke Opitz (NPD), Sprachkurse komplett zu streichen fand, obgleich sich die beiden Vertreter der Alternative für Deutschland (AfD) anschlossen, keine weitere Unterstützung. „Soziale Teilhabe ist ein Menschenrecht, Sprache ist eine Grundlage hierfür“, erwiderte Kristina Winkler, Ausländer- und Integrationsbeauftragte der Stadt Dresden. Durch die positiv veränderte Stimmung gegen Ende der Sitzung, wurden auch die Änderungsanträge der jeweiligen Parteien ambitionierter. Dem Vorschlag der Grünen, den Betreuungsschlüssel von den angestrebten 150:1 auf 100:1 anzuheben, wurde stattgegeben. Außerdem wurde der Passus aufgenommen, dass das eingesetzte Wachpersonal auf seine Eignung bezüglich interkultureller Kompetenz zu prüfen sei, womit gemeint sein dürfte, dass polizeilich bekannte Nazis diese Jobs nicht bekommen. Einschließlich dieser Änderungen wurde der Maßnahmeplan von einer Mehrheit aus Linken, Grünen, SPD und Piraten mit 11 von 21 Stimmen bei 7 Enthaltungen schließlich angenommen.
Auch wenn die stattgefundene Ortsbeiratssitzung aus sozialer Perspektive erfreulich verlief, zeigt sie doch, dass in größeren Teilen der zumeist älteren Bevölkerung rassistische Ressentiments vorherrschen. Deshalb sollen die Einwohnerinnen und Einwohner ab sofort frühzeitig informiert werden. Zudem sollen in Zukunft Kennlerntage in den Unterkünften stattfinden, um einen gemeinsamen Dialog und Austausch zu fördern. Leider steht das Unterbringungs- und Betreuungskonzept finanziell noch nicht auf soliden Füßen und bedarf in der nächsten Zeit zusätzlicher Zuwendung im unteren Millionenbereich durch Mittel des Freistaats Sachsen. Ebenso der personelle Mehrbedarf bei freien und öffentlichen Träger von Betreuungs- und Ausbildungseinrichtungen wie Kitas und Schulen findet bisher in der Finanzkalkulation keine Berücksichtigung. Bei einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit der Asylanträge von 15 Monaten und einer Unterbringung auf einer Fläche von 6 m² pro geflüchteter Person sowie einem aktuellen Betreuungsschlüssel von einem Sozialarbeiter auf 200 Geflüchtete, welcher zu den schlechtesten in der Bundesrepublik gehört, sollte zumindest der Ausbildungs- und Betreuungsbereich finanziell solide ausgestattet sein, um eine Teilnahme der geflüchteten Menschen am gesellschaftlichen Leben der Stadt Dresden zu ermöglichen.
Veröffentlicht am 7. November 2014 um 21:11 Uhr von Redaktion in Soziales
Ich habe ebenfalls an der Sitzung teilgenommen und finde es infam wie hier versucht wird die Sorgen und Ängste, vor allem älterer Bürger, mit Rechten oder Linken Gedankengut in Beziehung zu stellen.
Eine sachliche, unabhängige Berichterstattung wäre der Sache sicher dienlicher und würde das Anliegen der Bürgerinitiativen eher widerspiegeln.
Wurde von der Redaktion recherchiert was den Wahrheitsgehalt der Reaktionen auf den Facebookauftritt der BI „Lindenhof“ angeht oder wird einfach „Stimmungsmache“ unterstellt?